Ambergerin erzählt über Erfahrungen auf Lesbos: Geheime Küche im Strip-Club

29.03.2018 - 16:42 Uhr

Katastrophale Bedingungen, Polizeigewalt und die Gleichgültigkeit der Politik: Camp Moria auf Lesbos ist ein Niemandsland. Sophia Lösche erzählt im Paulaner-Gemeindehaus über ihre Erlebnisse auf der Transit-Insel für Flüchtlinge.

Zwischen Betonmauern wohnen Flüchtlinge in Zelten. Und das auf unbestimmte Zeit. Bild: privat

Amberg. (dwi) In der Gruppe "No border kitchen" sind Menschen organisiert, die für Bewegungsfreiheit stehen. "Ich möchte überall hinreisen können. Ich möchte die Welt sehen und erleben", sagt Sophia Lösche. Das soll für alle gelten. Da dürfe man auch nicht zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtling unterscheiden. Die gebürtige Ambergerin verbringt seit 2016 regelmäßig zwei Wochen in einem angemieteten Haus auf der griechischen Insel Lesbos, auf der sie "No border kitchen", die "Küche ohne Grenzen", tatkräftig unterstützt. Die Organisation besteht ohne geregelte Hierarchie, sie ist antiautoritär und selbstorganisiert.

Ihr langfristiges Ziel ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Finanziert wird "No border kitchen" von privaten Spenden und Eigenleistungen der Mitwirkenden. Zusammenschließen mit anderen Vereinen wollen sie sich nicht. "Da geht die Hälfte von den Spenden in die Werbung. Das liegt nicht in unserem Interesse", sagt Lösche. 15 Mitarbeiter von Pro Asyl sind auf Lesbos gemeldet. Die gebürtige Ambergerin sagt, dass sie noch keinem von ihnen begegnet sei. Obwohl die Flüchtlinge im Camp Moria auf jede Hilfe angewiesen seien.

Mauern und Zäune

Betonmauern und Stacheldrahtzäune lassen das Lager wie einen Hochsicherheitstrakt wirken. Polizeigewalt stehe auf der Tagesordnung. Ein Niemandsland, in dem keiner einen Namen hat, nur ein Aktenzeichen. "Kontakt mit jemandem im Gefängnis aufzunehmen ist schier unmöglich", sagt Lösche. Seit dem EU-Abkommen mit der Türkei hätten sich die Bedingungen erheblich verschlechtert. Ein Pilotprojekt, um im Schnellverfahren abschieben zu können, besagt, dass jeder Flüchtling sofort nach Ankunft inhaftiert werden kann. An die kleingedruckten Ausnahme-Regelungen wird sich laut Lösche aber nicht gehalten: "Minderjährige oder Opfer von sexueller oder physischer Gewalt werden nicht angehört." Laut der Studentin wird die individuelle Prüfung von Fällen strikt abgelehnt. Sogar Anwälte hätten nur Einblick in die Akten, wenn sie Namen und das Aktenzeichen kennen.

Um aber mit einem Flüchtling zu sprechen, müsse dieser wiederum wissen, wie sein Rechtsbeistand heißt. "Und woher soll er das denn wissen, wenn er direkt nach der Ankunft an der Küste inhaftiert wurde?" Bürokratische Willkür zur Abschreckung soll das Problem der Zuwanderung lösen. Depressionen, Suizid und Unruhen seien die Folgen.

Im Camp ist die Essensausgabe von Helfern verboten, deswegen werde außerhalb und heimlich gekocht. In dem ehemaligen Strip-Club werden bis zu 200 vegane Mahlzeiten pro Tag gekocht. Flüchtlinge haben allerdings auch die Möglichkeit, selbst etwas zuzubereiten. Wöchentlich stellt die Organisation eine Kiste mit den wichtigsten Grundnahrungsmitteln und Haushaltswaren zusammen, mit denen etwa acht Personen versorgt werden können. 160 Euro monatlich reichen hierfür aus.

Kleidung und Tee

"No border kitchen" hat es sich aber auch zur Aufgabe gemacht, die Missstände und politischen Vergehen an der Menschenwürde zu dokumentieren. Nachts überwachen die Helfer die Küsten und versuchen ihre Statistiken mit denen der Behörden zu vergleichen und Unterschiede anzuprangern. Sie empfangen die Boote mit trockener Kleidung und warmer Tee für die Flüchtlinge. "No border kitchen" arbeitet momentan an einem Social-Center. Es soll ein sicherer Treffpunkt zum Austausch und Erlernen der Sprache werden.

Wie es möglich ist, bei derartigen Miseren einfach nur zuzusehen, ist Sophia Lösche ein Rätsel.

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