Neues Symbol des Leidens

17.04.2015 - 00:00 Uhr

"Arbeit macht frei": Jeden Tag mussten die Häftlinge im KZ Dachau durch das Tor mit dem zynischen Satz. Anfang November war es verschwunden - gestohlen. Zum 70. Jahrestag der KZ-Befreiung gibt es ein neues: Michael Poitner (36) hat es geschaffen.

Kunstschmied Michael Poitner vervollständigt mit dem Buchstaben "R" den zum Symbol für die Leiden der KZ_Insassen gewordenen Satz "Arbeit macht frei". Das Orignaltor war im November 2014 von Unbekannten gestohlen worden. Bild: dpa

Fotos von Touristen aus dem Internet haben dem Kunstschmied aus Biberbach bei Dachau beim diffizilen Auftrag geholfen: Poitner arbeitet an einer Nachbildung des gestohlenen historischen KZ-Eingangstors mit der makabren Inschrift. Wenn am 3. Mai zum 70. Jahrestag der Lagerbefreiung Bundeskanzlerin Angela Merkel, Überlebende und Befreier kommen, werden sie durch Poitners Tor gehen.

Der Diebstahl aus der KZ-Gedenkstätte hatte Anfang November weltweit Bestürzung ausgelöst. Das 1936 errichtete Tor mit der zynischen Parole gilt als zentrales Symbol für den Leidensweg der von den Nazis geschundenen und ermordeten Menschen. Stundenlang hat der Poitner Fotos studiert, gemessen, gerechnet. Viele historische Bilder stellte auch die Gedenkstätte bereit.

Gerade der vom kommunistischen Häftling Karl Röder auf Geheiß der SS anfertigte Schriftzug war Feinarbeit. Das Original dieses Schriftzugs war nach dem Krieg verschwunden, 1972 gab es eine Replik. Dabei war etwa der Fuß im R etwas weniger schräg, und das B verändert. Poitner kopierte die Kopie von 1972. "Wir wollten nicht künstlich einen Urzustand herstellen." Jetzt muss er noch die Buchstaben in das 1,87 Meter mal 93 Zentimeter große und 108 Kilo schwere Tor einlöten, so war es beim Original. Die Gitterstäbe werden vernietet. "So auf vier, fünf Millimeter genau bin ich mir sicher, dass wir die Buchstaben und alles andere hinbekommen haben", sagt Poitner.

Diebstahl thematisiert

Die KZ-Gedenkstätte wird neben dem neuen Tor eine Tafel mit einem historischen Bild, Erklärungen des Symbolgehalts und der Beschreibung des Diebstahls anbringen. "Das ist eine Sache, die uns sehr am Herzen lag: Dass man den Diebstahl benennt", sagt Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann. Den Beschluss, die Tür schnell nachzubauen, hatte der Stiftungsrat der Bayerischen Gedenkstätten gefasst - auf Bitten von Überlebenden. Zur Mahnung an das Grauen. In Dachau und seinen Außenlagern hatten die Nationalsozialisten mehr als 200 000 Menschen inhaftiert, Zehntausende davon starben.

Für Poitner war es ein "komisches Gefühl", den Schriftzug nachzubilden. Er tue dies im Dienste des Erinnerns. In den 50er Jahren, als es als Flüchtlingslager genutzt wurde, war Poitners Mutter dort auf der Lagerschule. Mit dem Thema KZ befasse er sich seit einem Schüleraustausch mit einer Schule in Auschwitz.

Poitner wollte diesen Auftrag, obwohl er nicht viel daran verdient - knapp 5000 Euro kostet das Tor. "Es ist handwerklich nichts Superkompliziertes", sagt Poitner. Der Reiz war die historische Dimension. Für das von seinem Großvater gegründete Familienunternehmen ist es auch ein Prestigeprojekt. Poitner sah bei der Durchsicht alter Fotos aber auch: 1936 waren im Tor Rauten von 30 mal 30 Zentimetern offen. 1945 gab es Zwischenstäbe. "Weil die Löcher zu groß waren, das ist unsere Vermutung." Sehr dünne Menschen oder Kinder hätten durchschlüpfen können.

Suche nach dem Original

Die Gedenkstätte werde aber in ihren Recherchen zur Vergangenheit auch dieser Frage weiter nachgehen und auch nach dem originalen Schriftzug suchen. "Wir wollen schauen, in welchen Kontext er verloren gegangen ist." Vielleicht sei das aber nie herauszufinden, sagte Hammermann.

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