Interview mit Erzbischof Ludwig Schick: "Politik und Religion nicht vermischen"

27.08.2016 - 02:10 Uhr

Reise in die Türkei

Schick reist an diesem Sonntag zu einem mehrtägigen Besuch in die Türkei. Dort haben in den vergangenen Wochen drei neue Bischöfe ihr Amt angetreten. Schick wird unter anderem mit den neuen Ordinarien in Istanbul, Bischof Ruben Tierrablanca Gonzalez, und Izmir, Erzbischof Lorenzo Piretto, sowie weiteren Vertretern der katholischen Kirche zusammentreffen, wie die Bischofskonferenz am Freitag in Bonn mitteilte. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., wird den Bamberger Erzbischof in einer Privataudienz empfangen. Schick wird auch Projekte der Flüchtlingshilfe der Caritas und der Salesianer Don Boscos besuchen. (KNA)

In Zeiten von Terror und Nationalismus könnten die christlichen Werte Konjunktur haben. Zumindest setzt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick darauf.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick ist der Meinung, dass Politik und Religion nicht vermischt werden dürfen. Bild: dpa

Bamberg. Der islamistische Terror hat Europa längst erreicht, zudem greifen rechtspopulistische und nationalistische Parteien nach der Macht. Die katholische Kirche hat den Anspruch, weltumfassend für die Nächstenliebe zuständig zu sein. Wie sie sich in diesen Zeiten positionieren will, erklärt der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick im Interview:

Wie geht es Ihnen angesichts von Terror in religiösem Namen?

Erzbischof Ludwig Schick: Das bewegt und beschäftigt mich, macht mich aber auch ärgerlich und wütend. Das ist nicht Töten im Namen der Religion, sondern Missbrauch der Religion. Es gibt nur einen Gott, der von allen Religionen anerkannt werden muss, einen Gott, der will, dass es den Menschen gut geht.

Wie könnte man religiös motivierte Gewalt eindämmen?

Islamistische Gewalt ist politische Gewalt, die man mit politischen Mitteln bekämpfen muss. Das heißt, man muss Grenzen ziehen und diplomatische und militärische Gegenmaßnahmen einleiten. Man muss auch über Religion sprechen, dabei muss es aber wirklich um Religion gehen. Religion und Politik dürfen nicht vermischt werden. In einem interreligiösen Dialog sollte man darüber reden, wer Gott ist, was er für die Menschen bedeutet und was er für sie und von ihnen will. Über die Religionsgrenzen hinweg kommt man so zum Ergebnis, dass Gewalt und Gott nichts miteinander zu tun haben.

Einige Menschen befürchten eine "Islamisierung": Wie sollte die westliche Welt dem Islam begegnen?

Zunächst einmal sollte sich die westliche Welt auf ihre Werte, Traditionen und Herkunft besinnen, sie leben und auch aktiv ausbreiten. Unsere westliche Welt ist vom Christentum geprägt. Bei allen Schwierigkeiten und Abfällen, die es selber gehabt hat, ist das Christentum eine Religion, die im liebenden Gott die Menschenwürde aller Menschen und die Menschenrechte für alle verankert sieht und die Gottes- und Nächstenliebe betont.

Welche Verantwortung hat die Kirche in Europa und den Nationalstaaten angesichts des Rechtsrucks in vielen Ländern?

Wenn nationalistische Tendenzen auftreten, muss sie sagen: "Das ist nicht Gottes Wille." Es gibt etwa keine "deutsche Kirche", dieses Konstrukt haben die Nazis erfunden. Es gehört zu unserem Auftrag, auch der Politik zu sagen, dass es keine egozentrischen Nationalismen geben darf, in den religiösen Gemeinschaften schon gar nicht. Die Kirchen sind für das gemeinsame Europa sehr aktiv, wollen weitere "Brexits" verhindern. Wenn Europa vereint bleibt, kann es zum Frieden in der ganzen Welt beitragen; dafür müssen wir alles tun.

Wie sehen Sie die Rolle der Kirche angesichts der Rechten, die Propaganda gegen Homosexuelle oder das Gender-Thema machen?

Werden Menschen wegen ihrer Nationalität oder sexuellen Orientierung abgelehnt oder gar als minderwertig betrachtet, müssen die Kirche und jeder Christ aufstehen und sagen: "Nicht mit uns!"

Hat sich seit der jüngsten Papst-Enzyklika "Amoris laetitia" etwas verändert?

Eine Enzyklika verändert die Kirche nicht von heute auf morgen. In dieser Enzyklika geht es um Ehe und Familie. Wir haben weltweit das Problem, dass die Familien instabiler werden zum Schaden der einzelnen Menschen, besonders der Kinder und der Gesellschaft. Diese Enzyklika trägt dazu bei, die Familien zu stärken.

Sollte sich die katholische Kirche mehr öffnen, zum Beispiel beim Zölibat oder einer erneuten Heirat?

Man kann nicht die Basics aufgeben, das bringt nichts. Ohne Verbindliches gibt es nichts Verbindendes! Wie soll ein Leben möglich sein, wenn es nichts gibt, woran sich alle Menschen halten? Aber auf der Grundlage dieser Basics müssen auch Öffnungen und Veränderungen, Freiheiten und Eigenverantwortung möglich sein. Dazu gibt der Papst derzeit gute Impulse: Bestand und Öffnung.

Zur Person

Der in Marburg geborene Philosoph und Theologe Ludwig Schick (66) ist seit 2002 Erzbischof von Bamberg und seit bald zehn Jahren Vorsitzender der Kommission X "Weltkirche" der Deutschen Bischofskonferenz. (dpa)

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