Zwischen Bärnau und Waidhaus: Erinnerungen eines Zeitgenossen an die 60er Jahre des vorigen ...: Ein Stück vom Leben am Eisernen Vorhang

27.06.2007 - 00:00 Uhr

Bamberg/Tirschenreuth. Am Telefon war Berthold Zeitler vom "Neuen Tag": "Franz, wir machen demnächst eine Beilage über die 60er Jahre. Darüber könntest Du doch einiges erzählen". Ich sagte ihm zu. Ich fühlte mich gegenüber Berthold Zeitler, der die von Albert Panzer begonnene Tradition einer guten Heimatzeitung fortsetzt, in der Pflicht.

Seit etwa 1949, als mir der damalige Redakteur Albert Panzer das erste Mal die Chance gab, einen Artikel in der Zeitung "Der neue Tag" zu veröffentlichen (den ich mit großem Stolz überall herumzeigte), habe ich bis zum heutigen Tag in allen möglichen Eigenschaften im "Neuen Tag" über die verschiedensten Ereignisse berichten können.

Eines noch, bevor ich, beginne: Was ich erzähle, ist rein subjektiv.

Klage und Anklage

Als ich nach Bärnau kam und meinen Streifendienst auch auf dem Bärnauer Steinberg machte, konnte man noch die Ruinen des einstigen Dorfes Paulusbrunn sehen, die für mich immer so etwas wie eine Klage und Anklage über das Geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg darstellten.

Es dauerte noch ein oder zwei Jahre, da kam 1968 der "Prager Frühling". Wir alle freuten uns, als auf tschechischer Seite Lkw angefahren kamen und Soldaten begannen, den nahe an der Grenze verlaufenden Stacheldrahtzaun abzubauen. Es dauerte nicht lange, da beobachteten wir, dass Bagger Löcher aushuben und in diese die noch vorhandenen Überreste des einstigen Dorfes Paulusbrunn hineinschoben und das Gelände planierten. Jedes Mal, wenn wir auf unserer Streife dort oben vorbeikamen, waren es weniger Häuserreste, die zu sehen waren, und nach und nach wuchs Gras darüber. Paulusbrunn war endgültig ausgelöscht. Nur noch der Kirchturm mit dem Beobachtungsposten war zu sehen.

Russische Panzer

All diese Vorgänge und Ereignisse an der Grenze haben die beiden Redakteure des "Neuen Tag", Alfons Witt und Horst Homberg, in Wort und Bild dokumentiert und darüber ausführlich berichtet. Bei jedem ihrer Besuche an der Grenze riefen sie bei mir vorher an und baten um meine Begleitung. Allerdings währte dieser "Prager Frühling" nicht sehr lange, denn Panzer walzten die aufkeimenden Freiheitsgedanken der Prager Jugend nieder.

Bei der Invasion waren auch Soldaten aus der ehemaligen DDR aktiv beteiligt. Die Truppen des Warschauer Paktes kamen bis an die Landesgrenze beim ehemaligen Zollhaus. Bei einem Nachtdienst konnte ich erleben, dass ein Panzer bis unmittelbar an die Grenze gefahren kam, dort stiegen Soldaten aus. Sie sprachen russisch. Nach einer Weile machte der Panzer kehrt und fuhr wieder ins Landesinnere zurück.

In der Zeit, in der ich in Reichenau bei Waidhaus und am Grenzübergang Waidhaus Dienst verrichtete, hatte ich eine Reihe Begegnung mit "Prominenten" der Zeit. Gern erinnere ich mich an Irene Koss, die damals Fernsehansagerin beim Bayerischen Fernsehen war, und ihren Ehemann Sammy Drechsel, die nach Prag unterwegs waren und bei uns an der Grenze kurz Halt machten. Irene Koss erzählte auf meine Frage von ihrer Tätigkeit beim Fernsehen. Allerdings war das Gehörte für mich ein "Spanisches Dorf". Die Unterhaltung mit Sammy Drechsel allerdings war hochinteressant, denn er war damals einer der besten Sportreporter, die der Bayerische Rundfunk hatte. Er konnte so plastisch über seine Erlebnisse bei Fußballspielen und anderen Sportereignissen erzählen.

Gastspiele am Schlagbaum

Eines Tages kam das "S(ch)uk-Quartett" zur Einreise nach Deutschland. Die Musiker hatten ihre Instrumente dabei, der Chef, Joseph S(ch)uk, ließ sich von mir nicht lange bitten. Sie packten die Instrumente aus und gaben im Abfertigungsraum des Grenzübergangs ein Gastspiel.

Von noch einem Erlebnis kultureller Art möchte ich erzählen: In einem großen tschechischen Autobus reisten Frauen und Männer in für mich eigenartigen bunten Trachten an. Der Leiter kam in den Abfertigungsraum und meldete das Slowakische Folklore-Ensemble an. Den Namen habe ich vergessen. Wieder traute ich mich zu sagen: "Wir lieben Folklore. Ob Sie uns nicht eine Kostprobe bieten könnten"? Es dauerte nur wenige Minuten, dann stand die Gruppe - es können etwa 40 Personen gewesen sein - auf der nahezu autolosen Straße und zeigten uns, wie sie sagten, einen slowakischen Volkstanz, den ein temperamentvoller Ziehharmonikaspieler begleitete. Es gab in dieser Zeit noch einige solcher Begegnungen. Aber diese drei Beispiele sollen ausreichen, um aufzuzeigen, dass der Dienst an der Grenze auch seine schönen Seiten haben konnte.

Damals, als es noch "echte" Winter und schöne Sommer gab, war es zu allen Jahreszeiten im Bärnauer Ländchen angenehm, Dienst zu machen, auch wenn dieser ausschließlich zu Fuß erfolgte. Im Winter meterhoch im Schnee, im Sommer bei mitunter großer Hitze hinauf auf den Steinberg. Da war im Winter die Altglashütte ein Eldorado für Skifahrer, die den Skilift - der noch besonderen Erlebniswert hatte - benutzen wollten. Die Autos standen mitunter bis zu zwei Kilometer entlang der Straße. Meine Kollegen und ich mussten nahezu jedes Wochenende droben die parkenden Autos so ordnen, dass auf der Straße auch noch der normale Verkehr stattfinden konnte. Wir froren bei der stundenlangen Tätigkeit an manchen Tagen erbärmlich.

Schimpfende Mutter

Ins Schwitzen kamen wir manchmal beim Bärnauer Bergfest, als der Ansturm der Wallfahrtsbesucher aus allen Gegenden Deutschlands so stark war, dass die Parkplätze nicht ausreichten und entlang beider Seiten der Straße durch uns die Fahrzeuge ordentlich in die Parklücken eingewiesen werden mussten. Beim Grenzlandturm bildeten sich große Trauben von Besuchern, die in ihre verlorene Heimat schauen wollten und dabei immer wieder mit ihren Kindern schimpften, die sich wenig für diesen Blick in die Heimat interessierten und sich statt dessen an den damals in großer Menge wachsenden Heidelbeeren gütlich taten.

An einen solchen Disput zwischen Eltern und Kindern erinnere ich mich ganz besonders: Eine Mutter sah ihr schwarzbeeressendes Kind und schimpfte dann: "Mir schaua üwe in unere Hoimat und du sitzt in Schwoarzbiakraiterer und isst Schwoarzbia."

"Hebamme" im Waldverein

Kaum war ich in Bärnau, da musste ich auf gutes Zureden von ehemaligen Waldvereinsmitgliedern Geburtshelfer bei der Wiederbelebung des sanft vor sich hin schlafenden Zweigvereins machen und gleich bei meinem ersten Wiederbelebungsversuch war ich auch schon zum Ersten Vorsitzenden gewählt. Diese mich "stolz machende Berufung in ein solch hohes Amt" hatte ich einem Vortrag zu verdanken, den ich einige Jahre vorher bei der Hauptversammlung des OWV in Tirschenreuth gehalten hatte. Damals waren die Initiatoren der Wiederbelebung dabei anwesend und haben mich dann als "Hebamme" ausersehen.

Marcel Hermann, Leiter und Lehrer an der Bärnauer Knopffachschule, entwickelte den Gedanken, zur Förderung der Bärnauer Knopfindustrie eine Fachmesse zu initiieren. Sehr bald bat er mich, seinen "Pressesprecher" zu machen. Marcel Hermann ging es darum, die Bärnauer Knopfindustrie, die damals zu den führenden in Europa zählte, und die Stadt Bärnau international aufzuwerten. Wesentlich war für ihn damals, dass mit der Fa. Franz Zeidler in der Naaberstraße eine hoch angesehene und für ihre Qualitätsarbeit bekannte Fachfirma für die Herstellung von Knopfmaschinen vorhanden war.

Die Welt zu Gast in Bärnau

Dreimal fand die IKNOFA genannte Fachmesse für die Knopfindustrie statt. IKNOFA steht für "Internationale Knopffachausstellung". Die IKNOFA war ein Riesenerfolg. Aus allen Erdteilen kamen Fachinteressenten nach Bärnau in der Oberpfalz. Besonders stark traten bei der letzten Fachausstellung die Japaner auf, die fotografierend und notierend von Ausstellungsstand zu Ausstellungsstand gingen.

Ein besonderes Erlebnis bei einer dieser Ausstellungen möchte ich nicht verschweigen: In Nürnberg am Flughafen kam ein Messebesucher an, ging zum Taxistand und sagte, er möchte nach Bärnau zur Knopffachmesse gefahren werden. Der Taxifahrer kannte unser Bärnau nicht, wohl aber das Bernau in Oberbayern, und so fuhr er den doch etwas erstaunten Messebesucher zunächst an den Chiemsee. Als sie dort allerdings feststellen mussten, dass keine derartige Fachmesse dort stattfand, erkundigte sich der Taxifahrer bei seinem Chef und fuhr daraufhin von Bernau am Chiemsee mit seinem Fahrgast nach Bärnau in der Oberpfalz. Auf welche Weise Fahrgast und Taxiunternehmen die Kostenfrage geklärt haben, ist nie bekannt geworden.

Ich möchte noch kurz auf meine Ehrenämter zu sprechen kommen: Da ist zunächst meine Stadtratstätigkeit, die 13 Jahre währte. Kaum, dass ich 1965 in Bärnau angekommen war, wurde ich, da ich CSU-Mitglied war, auf der CSU-Stadtratskandidatenliste auf den vorletzten Platz gesetzt, wurde aber von den Bürgern dann auf Platz 5 "vorgehäufelt".

Alle die schönen und auch die ärgerlichen Erlebnisse der 13-jährigen Stadtratszeit zu erzählen, würde Abende kosten und Bände füllen. Daher nur ein oder zwei davon herausgegriffen: Heiß umstritten zwischen den Stadtratsgruppierungen war die staatlicherseits geforderte Kanalisation. Die CSU war für die Kanalisation, die anderen Gruppierungen waren gegen die Kanalisation. In der Sorge, bei der bereits sehr aufgeheizten Wirtshaus-Diskussion als "schwarzer Peter" dazustehen, suchten beide Seiten einen Weg, um jeweils den anderen die Schuld zuschieben zu können.

Das Ergebnis war, dass bei der Abstimmung durch die Stimmen der ablehnenden Gruppe wegen Stimmenthaltung der CSU trotzdem die Entscheidung für die Kanalisation fiel. Die wegen dieser Stimmenthaltung angerufene Aufsichtsbehörde stellte fest, dass nach der Gemeindeordnung eine Stimmenthaltung nicht zulässig sei, der Beschluss aber trotzdem rechtsgültig sei.

(Fortsetzung Seite 17)

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