Interview mit Norbert Schneider anlässlich des 10. Todestages von Georg Danzer: Traurig, aber wahr

20.06.2017 - 15:08 Uhr

Vor zehn Jahren starb der große österreichische Liedermacher Georg Danzer. Der Wiener Blueser Norbert Schneider erweist ihm mit dem Album "Neuaufnahme" auf ganz wunderbare Weise die Ehre.

Wien. Der Wiener Blues-Musiker Norbert Schneider, zweifacher "Amadeus Austrian Music Award"-Preisträger, hat etwas ganz Besonderes unternommen: Indem er sich mit seinem Album "Neuaufnahme" an das Werk des Liedermachers Georg Danzer ("Jö schau") heranwagte, interpretiert er die Songs höchst eigenständig und hält damit gleichzeitig das Andenken an den großen, 1946 geborenen Liedermacher lebendig. Der erlag am heutigen Mittwoch vor zehn Jahren einer schweren Krebserkrankung. Im Gespräch mit der Kulturredaktion erzählt Norbert Schneider von der Entstehung des Albums.

Georg Danzers Todestag jährt sich heute zum 10. Mal. Und Sie haben ein so wunderbares Album aufgenommen, mit 14 seiner Songs ...

Norbert Schneider: Um ganz ehrlich zu sein: Ich bin eigentlich von Haus aus gar kein so riesiger Danzer-Fan gewesen. Natürlich kannte ich seine großen Hits, aber mehr war da nicht. Ich komme ja eigentlich aus der Bluesecke und hab' 15 Jahre lang englischsprachige Musik gemacht. Seit 2012 aber sing' ich auf Deutsch - genauer: Auf Wienerisch. Und da hab' ich mich halt mal umgehört. Und bin sehr schnell auf die Erneuerer des Wiener Lieds gestoßen, auf Leute wie den kürzlich verstorbenen Karl Hodina - und im Zuge dessen eben auch auf Georg Danzer.

Dann haben Sie ein erstes Lied von ihm aufgenommen ...

Ja, genau, ich hab' "Ollas leiwaund" gecovert. Und dann ist der Blacky Schwarz zu mir gekommen. Das war der beste Freund vom Georg Danzer, und der betreut auch seinen Nachlass. Er hat mir dann die Idee für ein ganzes Album unterbreitet. Er hat einen Künstler gesucht, der Danzers Werk nicht nur nachspielt, sondern ihn frei interpretiert und in seine eigene Welt holt.

Ich hab' aber gezögert, weil ich mir der Gefahren bewusst war, die ein solches Projekt mit sich bringt. Der Danzer ist in Österreich natürlich schon ein Säulenheiliger. Der Blacky hat mir einen USB-Stick gegeben, mit 700 Songs, und die hab ich dann monatelang gehört. Im Zuge dessen bin ich zum Fan mutiert. Vorher hatte ich gar nicht gewusst, was Danzer alles geleistet hat.

Was auffällt: Sie haben die Lieder dann auseinandergenommen, wie ein Oldtimer-Liebhaber und die Einzelteile alle ganz genau angeschaut, dann in Öl gebadet und auf Gegenwartstauglichkeit überprüft.

Das freut mich sehr, wenn das so ankommt, denn der Prozess hat tatsächlich ganz ähnlich stattgefunden. Von den 700 Songs hab' ich mich für rund 50 entschieden. Ich hab' ganz bewusst drauf geachtet, mir die Originale nicht allzu oft anzuhören. Um nicht den Fehler zu begehen, alles eins zu eins nachzuspielen.

Sondern?

Nach dem Hören hab' ich sofort begonnen, rudimentär auf der Gitarre nachzuspielen. Ich wollte für mich die Frage beantworten: Was macht das Lied für mich wirklich aus? Was ist das Essentielle, wenn ich's herunterbreche? Und dann bin ich vorgegangen, als würde ich ein Demo einspielen, von einem eigenen Song. Nur so konnten eben auch wirklich neue Interpretationen entstehen.

Was ebenfalls auffällt: Das ungeheuer sichere Händchen bei der Auswahl. Das sind 14 Volltreffer.

Mich haben insbesondere Songs aus den frühen Jahren angesprochen. Die haben so etwas - ja, unbekümmert ist wohl das falsche Wort - na, vielleicht etwas Frisches: Sie atmen den Geist der siebziger Jahre. Etwas, das mich sehr anspricht. Diese natürliche Art, ans Songschreiben heranzugehen. Nicht, dass er das danach verloren hätte, es sind auch zwei, drei Songs auf dem Album, die nach 2000 erst entstanden sind. Aber ich habe tatsächlich zu den frühen Sachen einen besseren Zugang gefunden.

Ebenfalls erfreulich: Sie scheuen wie in "Vorstadtcasanova" oder in "Geh in Oasch" keineswegs zurück vor einer Rollenlyrik, die Problemlagen sehr drastisch benennt.

Ja, Danzer war einfach ein Meister darin, das Dunkle und die Schattenseiten der menschlichen Existenz zu beschreiben, oft natürlich mit einem Augenzwinkern. Und böse Wörter sind nicht allein den Hip-Hoppern vorbehalten, in Amerika machen das die Blueser ja schon seit mehr als 100 Jahren. Georg Danzer war ganz einfach fantastisch darin, Schicksale und Abgründe pointiert in Songs zu packen.

Das ist überhaupt für mich die große Erkenntnis an diesem Projekt: Dass er es verstanden hat, über so viele Gebiete schreiben zu können. Da sind ganz derbe Sachen dabei, aber auch solche, die politische Aussagen haben. Sein Werk ist so breitgefächert. Das hat mich eigentlich am meisten fasziniert.

Hinzu kommt der musikalische Schmäh. "Traurig, aber wahr" oder "Lass mi amoi no d'Sunn aufgeh' segn" erscheinen bei Ihnen in gänzlich neuem Licht.

Ja, es war für mich eine tolle Spielwiese. Weil ich gewusst habe: Die Kompositionen, die stehen sowieso außer Frage. Wenn man sich bei einem so begnadeten Songschreiber bedienen darf, da wusste ich: Ich kann mein Augenmerk darauf richten, was ich selbst einbringen kann. Ich komme ja vom Blues und mache seit 20 Jahren ganz intensiv und hauptberuflich Musik. Und habe mich in erster Linie mit afroamerikanischer Musik auseinandergesetzt- also mit Swing, Funk und Soul, R'n'B und Hip Hop. Und so konnte ich meine ganzen musikalischen Interessen einbringen.

Ich hab' auch Freunde in New Orleans, die mir bestätigten, dass "Traurig, aber wahr" den Charakter ihrer Stadt in sich trägt. Man tanzt und weint dort gleichzeitig. Ich hab' trotzdem für mein Arrangement Kritik einstecken müssen - weil ich nach Meinung mancher zu viel von der Ernsthaftigkeit herausgenommen hätte. Das seh' ich aber anders: Für mich ist gerade diese Version sehr ernsthaft.

Am Donnerstag, 29. Juni (19.30 Uhr), gastiert Norbert Schneider in München beim Tollwoodfestival bei freiem Eintritt im Andechser Zelt.

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Weitere Informationen:

www.norbertschneider-music.com

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