Leserbrief zum KZ Flossenbürg: KZ-Gedenkstätte Flossenbürg: Öffentliches Erinnern erst zum 70. Jahrestag

28.04.2015 - 00:00 Uhr

Persönliche Momente - im Zusammenhang mit den Nazi-Gräueln vor der Haustüre - erzählt ein ehemaliger Weidener:

Dem Bayerischen Rundfunk, Radio und Fernsehen, kann man nicht vorwerfen, dass er die Darstellung und das Gedenken an das Konzentrationslager Dachau vernachlässigt hat.

Aber es gab noch ein zweites, das KZ Flossenbürg, und das spielte im Sender keine Rolle. Am 70. Jahrestag der Befreiung dieses KZs durch die Amerikaner holte der BR dies mit einem Doku-Film von Beatrice Sonhüter nach. Der Film über die Leidens- und Sterbensgeschichte der Häftlinge im KZ Flossenbürg war erschütternd und bewegend. Er unterschied sich auch erheblich von der Fülle bisheriger Filme über die Mega-Morde in diesen Lagern, indem er einfach die Leidensgeschichte einer Anzahl von noch lebenden Opfern nacherzählen ließ. Filmisch gesehen fast starr und schematisch, aber er drückte dadurch eine Art neuer Ästhetik aus. Dass diese Dokumentation nicht etwa schon 1995, zum 50. Jahrestag, produziert wurde, stört mich freilich selbst - der ich 35 Jahre Redakteur beim BR war, damals allerdings für Auslandsthemen zuständig.

Ich habe allerdings einen noch stärkeren Grund, mich mit dem KZ Flossenbürg verbunden zu fühlen. Mein Vater Johann Stark wurde 1946 Dienststellenleiter der Weidener Strafanstalt (damals noch in der Scheibenstraße 7). Wir wohnten auch in diesem Gefängnis.

Ich erinnere mich von früh an über einige eingelieferte Tatverdächtige aus Flossenbürg, SS-Männer und Kapos. Die Kapos in Flossenbürg waren besonders schlimm, weil sie fast durchweg dem Tatbestand der (damals sogenannten) "Berufsverbrecher" entstammten. Die US-Militärbehörden holten sie ab, verurteilten sie im Flossenbürg-Hauptprozess und in einigen Nebenprozessen und richteten danach 17 Verurteilte hin, unter ihnen fünf Kapos; acht weitere Kapos erhielten lebenslänglich. Mit einem der SS-Männer, einem der "Henker von Flossenbürg", stritt meine Mutter, das weiß ich noch, immer wieder vergeblich über seine Untaten.

In den Fünfzigerjahren gab es dann eine Anzahl von Prozessen vor dem Landgericht Weiden, in denen 1956 u.a. der Lagerarzt Dr. Hermann Fischer zu drei Jahren verurteilt wurde, der beim Erhängen von Admiral Canaris, Pastor Bonhoeffer, Generalmajor Oster sowie vier weiteren Widerständlern am 9. April 1945 anwesend war. Der Staatsanwalt Walter Huppenkothen, der diesen Scheinprozess ohne alle Rechtsmittel (im Auftrag Hitlers und Kaltenbrunners) gegen die Sieben durchführte, wurde 1956 (in Augsburg) zu sechs Jahren verurteilt, aber schon 1959 wieder freigelassen.

Mit diesen Vorgängen damals wollte ich mich in einer schriftlichen Darstellung näher befassen. Nur fiel das in meine Zeit der Kindheit und Jugend. Dazu hätte ich mich mit dem sogenannten "Gefangenenbuch" befassen müssen, das damals ja mein Vater führte. Dies wurde jedoch von der jetzigen Weidener Gefängnisleitung aus Datenschutzgründen abge-lehnt. Ohne diese Namen, an die ich mich nicht mehr erinnern konnte, war dies nicht möglich.

Eines habe ich ebenfalls nie verstanden: Warum die zuständigen Stellen Bayerns (vor allem die Schlösserverwaltung) das Lagergelände immer mehr verfallen ließen: Wie, um alle Erinnerung zu löschen.

Im Grunde begann erst Mitte der 1980er Jahre ein Umdenken, und es war vor allem der Leiter der KZ-Gedenkstätte, Jörg Skriebeleit, der zur heutigen Gestalt der Gedenkstätte maßgeblich beigetragen hat. Der jetzige Film des BR-Fernsehens hat an Hand der noch lebenden Opfer und Zeitzeugen Vieles wieder in Erinnerung gerufen.

Dr. Franz Stark, 80802 München

 

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