Auch Oberpfälzer SPD-Abgeordnete gespalten: Hohe Hürden für eine Koalition

07.12.2017 - 22:22 Uhr

Sechs Stunden. So lange ringen die Sozialdemokraten mit sich und dem Leitantrag des Parteivorstands. Am Donnerstagabend steht dann fest: Die SPD geht "ergebnisoffen" in Gespräche mit der Union. Parteichef Martin Schulz aber betont: Es gibt keinen Automatismus für eine Fortsetzung der Großen Koalition.

Bundesparteitag der SPD in Berlin: Der Vorstand mit dem Parteichef Martin Schulz (vorne links) lehnt den Juso-Antrag ab. Bild: Michael Kappeler/dpa

Was andere als qualvollen Prozess einer verunsicherten Partei wahrnehmen, ist für den SPD-Vorsitzenden ein Grund, stolz zu sein an einem "der spannendsten Tage in der jüngeren Geschichte der Partei": "Leute, wir sind eine Partei, die es sich schwer macht, auch schwer macht mit sich selbst - aber wisst ihr was, das ist genau der Grund, warum ich stolz bin, in dieser Partei zu sein."

Stolz auf eine Partei, die bei aller Zerrissenheit eine offene, eine respektvolle Debatte zulässt, auch aushält, um sich nach einer desaströsen Wahlniederlage der Großen Koalition insgesamt einer neuen Situation zu stellen: Der Frage, unter welchen Bedingungen man nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen bereit wäre, den Weg für eine neue Regierung freizumachen - mit allen Optionen. Ob Duldung einer Minderheitsregierung, Neuauflage einer Großen Koalition oder Neuwahlen.

Wie wenig das Ergebnis darüber aussagt, ob es tatsächlich zu einer Verlängerung des Schwarz-Roten-Bündnisses kommt, zeigt die Zustimmung ausgesprochener Groko-Gegner wie Uli Grötsch : "Ich halte es für richtig, dass man die Debatte auf die thematische Ebene legen will, weil man dann schnell merken wird, dass die Gemeinsamkeiten mit der Union aufgebraucht sind." Die Äußerungen aus den Reihen der Union zeigten, dass von dort keine Bereitschaft zu erwarten sei, sich auf die SPD zuzubewegen. "Ich glaube, dass die geschäftsführende Kanzlerin die Verpflichtung hat, dem Land eine Regierung zu geben - und dass Grüne und Schwarze so gerne miteinander wollen, dass sie es auch mit einer Minderheitsregierung versuchen."

Neuwahlen unsinnig

"Ich bin froh, dass es so abgesegnet wurde", sagt Marianne Schieder. Die Schwandorfer Abgeordnete nutzte den Zuwachs an Einfluss als neu gewählte Parlamentarische Geschäftsführerin, um für Gespräche mit der Union über eine Fortsetzung der Großen Koalition zu werben. Sie halte es schlicht für Unsinn, unbedingt Neuwahlen herbeiführen zu wollen. "Warum sollten wir nicht versuchen, einen wichtigen Teil unseres Programms durchzusetzen?" Die Tolerierung einer Minderheitsregierung lehne sie ab: "Für die wird man genau so in Mithaftung genommen, nur mit weniger Einfluss."

"Die inhaltliche Debatte war gut", findet Franz Schindler . Der Oberpfälzer SPD-Chef findet, dass man sich jetzt die notwendige Zeit nehmen müsse, um gute Kompromisse zu erzielen: "Wenn sich erst CDU/CSU intern wochenlang über die Obergrenze unterhalten, dann die Jamaika-Verhandlungen scheitern, kann man der SPD nicht vorwerfen, wenn auch wir uns sorgfältig damit auseinandersetzen." Am Schluss würden sowieso die Mitglieder entscheiden: "Wenn nichts Substanzielles in einem solchen Papier steht, wird es keine Mehrheit dafür geben." Die entscheidende Frage sei, welche Zugeständnisse man selber machen müsse. Es sei auf jeden Fall noch ein langer Weg, den man gehen müsse. "Aber es ist auch nicht so, dass man sich in einer Staatskrise befindet."

"Ginge es nach meinem Herzen", gibt sich Ismail Ertug gespalten, "wäre ich für den Juso-Antrag." Anders sieht's aus, wenn sich das Hirn beim SPD-Europaabgeordneten aus Amberg zu Wort meldet: "Die Vernunft sagt, dass es schwierig ist, diese starre Linie durchzuhalten." Eine Glaubwürdigkeitsfrage: "Wenn die Parteiführung versucht, eine Koalition trotz fauler Kompromisse als alternativlos hinzustellen, riskiert sie einen existenziellen Substanzverlust."

Die heutigen Beschlüsse hätten hohe Hürden errichtet: "Sowohl ein neuerlicher Parteitag als auch die Mitglieder müssen zustimmen." Und schon jetzt habe man rote Linien bei Themen wie Bürgerversicherung oder Europa gezogen, die für die Union kaum zu überspringen seien.

Richtig findet Ertug, dass Schulz das schwierige Thema "Vereinigte Staaten von Europa" aufgreift. "Das ist nicht populär, aber irgendwann müssen wir damit anfangen." Die Macron-Vorschläge gingen in die richtige Richtung: "Ob Frieden, das Stopfen von Steuerschlupflöchern, Energie, Mobilität oder Digitalisierung - diese Bereiche können nur europäisch gelöst werden."

Juso bleiben kritisch

"Es war schon eine deutliche Mehrheit für die offenen Gespräche", muss auch Michael Kick , stellvertretender Landesvorsitzender der bayerischen Jusos, zugeben. Der Student aus Hammerles fand die Debatte gut, das Ergebnis unbefriedigend. "Ich hätte mir ein stärkeres Signal gegen eine Groko erhofft." Man werde das weitere Prozedere kritisch verfolgen. Martin Schulz hat der 23-Jährige trotzdem gewählt. "Martin genießt das Vertrauen der Partei."

"Wir finden, die SPD sollte sich inhaltlich und personell neu aufstellen", erklärt Juso-Bezirksvorsitzender Peter Strahl seine Ablehnung. Der 30-jährige Rechtsreferendar aus Burglengenfeld meint, Opposition wäre besser für die SPD. "Ich denke mit einer Minderheitsregierung könnten wir noch besser leben als mit einer Groko." Martin Schulz aber sieht auch er weiter positiv: "Er hat seine Sache nicht schlecht gemacht."

Sowohl ein neuerlicher Parteitag als auch die Mitglieder müssen zustimmen.Europa-Abgeordneter Ismail Ertug
 
 

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