Berlin/München. Sigmar Gabriel lässt es sich nicht nehmen, die guten Nachrichten höchstpersönlich zu verkünden. Eigentlich ist der geschäftsführende Außenminister an diesem Freitag bei der Münchener Sicherheitskonferenz verplant. Doch dort verschwindet der SPD-Mann überstürzt, eilt nach Berlin und steht am Nachmittag im Newsroom der "Welt". Jener Zeitung also, für die der deutsch-türkische Journalist Deniz Yücel arbeitete, bevor er vor einem Jahr ins Gefängnis kam in der Türkei.
Nun ist Yücel in Freiheit. Die frohe Botschaft will Gabriel selbst in Berlin überbringen - als seinen Triumph. Er kämpft ums politische Überleben. Da kommt die Lösung im Fall Yücel sehr gelegen. Der SPD-Mann dankt Beteiligten, Freunden, Diplomaten, Unterstützern vor und hinter den Kulissen. Gabriels Dankes-Liste ist lang. Bei manchem Dank schwingt Eigenlob mit. Etwa wenn er Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dafür dankt, "dass sie so viel Vertrauen hatte, mir die Arbeit hier zu ermöglichen und uns Spielraum zu geben". Sprich: nicht reinzufunken und ihn machen zu lassen. Oder wenn Gabriel jenen dankt, "die an den Erfolg von Diplomatie glauben". Gabriel preist sich als einen Mann der leisen Töne. Ausgerechnet er, der sich in der Vergangenheit immer wieder mit Poltereien und Provokationen hervortat und seine Partei durch Alleingänge und Zick-Zack-Aktionen piesackte. Viele trauten ihm den Außenamtsposten nicht zu, zweifelten, dass er sich ausreichend kontrollieren könnte. Doch Gabriel fand in das Amt, polierte sein Image auf - und gehört in diesem Job nun zu den beliebtesten Politikern im Land. Wie andere vor ihm. Nach Jahren des Ungeliebtseins in seiner Partei hat Gabriel Gefallen an dieser Rolle gefunden und würde gerne bleiben.
Doch der frühere SPD-Chef hat es sich in den vergangenen Jahren, Monaten, Wochen und Tagen derart mit wichtigen Sozialdemokraten verscherzt, dass eine zweite Amtszeit im Kabinett bislang als ausgeschlossen galt. Sein Verhältnis zur neuen, starken Frau der SPD - der Fraktionschefin und designierten Parteivorsitzenden - Andrea Nahles ist belastet. Nahles hatte als Generalsekretärin unter Parteichef Gabriel viele Konflikte auszutragen. Und sie wird eine entscheidende Rolle bei der Frage spielen, wer Minister wird und wer nicht. Just am Freitag lässt Nahles per "Spiegel"-Interview wissen, Gabriel habe einen guten Job im Außenamt gemacht, wie alle SPD-Minister. Aber: "Es ist jetzt nicht die Zeit, dass einzelne eine Kampagne für sich selbst starten." Nahles hat das Interview zwar vor der Yücel-Freilassung geführt. An ihren Aussagen habe die Entwicklung in dem Fall aber nichts geändert, heißt es aus ihrem Umfeld.
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