Der ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk tritt zurück. Parlamentschef Groisman steht als möglicher Nachfolger bereit. Kann der Vertraute von Präsident Poroschenko die tiefe Krise endlich beenden?
Kiew. Nach zwei Monaten lähmender Regierungskrise setzt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko alles auf eine Karte. Entweder wählt das Parlament seinen Favoriten Wladimir Groisman in den nächsten Tagen zum neuen Regierungschef - oder er löst die Oberste Rada auf und setzt Neuwahlen an, droht Poroschenko den Abgeordneten in Kiew.Es ist ein Ultimatum mit Sprengkraft. Neuwahlen würden den politischen Prozess in Kiew stoppen und Reformen weiter verzögern. Dringend benötigte Hilfsmittel vom Internationalen Währungsfonds (IWF) für das vom Krieg ausgezehrte Land würden vorerst ausbleiben. Um den bisherigen Parlamentschef Groisman in den Sessel des Ministerpräsidenten zu hieven, sind mindestens 226 Stimmen nötig. Die Volksfront-Partei des scheidenden Regierungschefs Arseni Jazenjuk und der Petro-Poroschenko-Block des Präsidenten verfügen bisher mit dem Parlamentspräsidium über etwa 224 Stimmen, wie die Internetseite des Parlaments zeigt. Experten wie der ukrainische Politologe Ruslan Bortnik halten daher ein Scheitern der heutigen Abstimmung für möglich. Dann würde Jazenjuk geschäftsführend im Amt bleiben.
Mehrheit gesichert
Doch die meisten politischen Beobachter zweifeln nicht daran, dass das Parlament Jazenjuks Rücktrittsgesuch annehmen und Groisman wählen wird. Durch Fraktionseintritte sei eine Mehrheit von mindestens 226 Stimmen gesichert, heißt es hinter vorgehaltener Hand in Kiew.Für seine Rücktrittserklärung hätte Jazenjuk keine dramatischere Kulisse wählen können. Die Ukraine trete auf der Stelle, damit müsse Schluss sein, sagte der Regierungschef am Sonntag in seiner wöchentlichen Fernsehansprache. Im Hintergrund stehen die Gebäude des Maidan (Platz der Unabhängigkeit) in Kiew, wo im Herbst 2013 die prowestlichen Proteste gegen die damalige Regierung begannen. Als diese stürzte, kam Jazenjuk Ende Februar 2014 ins Amt. Sein Abgang gilt daher für viele in der Ex-Sowjetrepublik auch als vorläufiges Scheitern des Neuanfangs nach der Maidan-Bewegung.