Los Angeles. Rund eine Woche waren die Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen Harvey Weinstein alt, da sah sich Ben Affleck selbst zu einer Entschuldigung genötigt. "Ich habe mich unangemessen gegenüber (Hilarie) Burton verhalten und es tut mir aufrichtig leid", twitterte der Schauspieler aus "Batman vs. Superman". Der Sturz des Hollywoodmoguls Weinstein bringt prominente weibliche Opfer aus der Deckung - aber vereinzelt auch Männer, die erkennen, die Machokultur im US-Entertainment mit gepflegt zu haben.
14 Jahre ist der Zwischenfall in der MTV-Sendung "Total Request Live" (TRL) her, und auf den ersten Blick wirkt er harmlos: Im Interview mit Moderatorin Burton steht der junge Affleck plötzlich auf und legt seinen Arm um ihre Schulter. Tatsächlich habe er dabei aber ihren Busen begrapscht, erklärte Burton in einem Video später. "Ich musste damals lachen, um nicht zu weinen", schrieb sie auf Twitter am Mittwoch.
Das Schweigen der Männer
Afflecks Entschuldigung mag ein wichtiger Schritt sein - unter den prominenten Männern Hollywoods bleibt er eine Ausnahme. Aber auch er entschuldigte sich erst, als eine Nutzerin auf Twitter an sein fragwürdiges Interview von 2003 erinnerte.
Mutige Schauspielerinnen wie Ashley Judd, die Harvey Weinstein als erste öffentlich mit den Vorwürfen konfrontierte, haben den Produzenten zu Fall gebracht. Doch damit sich die tief verwurzelte Kultur sexuellen Missbrauchs - von anzüglichen Kommentaren gegenüber Frauen bis zur Vergewaltigung - im US-Entertainment wandelt, müssen "Männer vortreten", schreibt die "Variety": "Wenn du kein aktiver Teil der Lösung bist, bist du ein Teil des Problems." Denn selbst ein Super-Produzent wie Weinstein, dessen Vermögen die britische "Sunday Times" mit seiner (baldigen Ex-)Frau Georgina Chapman auf etwa 217 Millionen Euro schätzte, agiert nicht im luftleeren Raum. Mitarbeiter beschrieben dem "New Yorker" zufolge eine "Kultur der Mittäterschaft an Weinsteins Geschäftsorten". Zahlreiche Kollegen hätten volle Kenntnis von seinem Verhalten gehabt und es entweder "begünstigt oder weggeschaut".
Beispiel dafür sind die mehr als 20 männlichen Schauspieler und Regisseure, die der britische "Guardian" um eine Reaktion zur Causa Weinstein bat. Sie alle arbeiteten oder arbeiten derzeit mit Weinstein, darunter Quentin Tarantino ("The Hateful 8"), David O. Russell ("Silver Linings") und Michael Moore, der einen Film über US-Präsident Donald Trump mit Weinstein dreht. Viele von ihnen schweigen zu den Vorwürfen. Einige, darunter Matt Damon und Colin Firth, kamen erst spät oder auf Nachfrage aus der Deckung.
Offenes Geheimnis
Im Showbusiness war Weinsteins Verhalten so bekannt, dass es als offener Running Gag durch die Branche wanderte. "Ich bitte dich, ich habe Angst vor niemandem im Showbusiness", sagt Jenna (Jane Krakowski) in einer im März 2012 ausgestrahlten Folge der Serie "30 Rock" beim Sender NBC. "Ich habe Geschlechtsverkehr mit Harvey Weinstein nicht weniger als drei Mal abgelehnt. Aus fünf." Die HBO-Serie "Entourage" stellte einen furchteinflößenden Produzenten namens "Harvey Weingard" vor, der Talenten droht, ihre Karriere zu beenden.
"Family Guy"-Erfinder Seth MacFarlane wagte auf noch größerer Bühne einen Weinstein-Witz, als er 2013 die Oscar-Nominierungen für die beste Nebendarstellerin verkündete: "Glückwunsch, ihr fünf Ladies müsst nicht länger so tun, als wärt ihr von Harvey Weinstein angetan." Das Gelächter im Saal war nicht zu überhören.
Oscar-Akademie erwägt Ausschluss
Die Oscar-Akademie will am Samstag in einer Dringlichkeitssitzung über den möglichen Ausschluss von Filmproduzent Harvey Weinstein wegen dessen mutmaßlicher sexueller Übergriffe beraten. Das in den Vorwürfen beschriebene Verhalten Weinsteins sei laut Academy "widerlich, abscheulich und gegensätzlich zu den hohen Standards der Akademie und der kreativen Gemeinschaft, für die sie steht." Weinstein ist seit mehr als 20 Jahren Mitglied des mächtigsten Verbands der US-Filmindustrie. Die "New York Times" berichtete, dass Mitarbeiter der von Weinstein mitgegründeten Produktionsfirma seit mindestens zwei Jahren von den Vorwürfen wussten. Das Unternehmen hatte sie erst als "totale Überraschung" bezeichnet. (dpa)
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