"Mehr Fortschritt wagen": So heißt der Slogan des Koalitionsvertrages, der Ende November 2021 von SPD, Grünen und FDP vorgestellt wurde. Die Ampel wollte alles anders machen, einen anderen Politikstil prägen. Nach gut eineinhalb Jahren lautet allerdings die bittere Bilanz: Viel schlechter geht Regieren nicht. Mit letzter Kraft schleppen sich die Koalitionäre in die Sommerpause. Um die Ampel zu retten, heißt es jetzt: Alle mal kalt duschen, kräftig die Köpfe waschen, neu durchstarten.
Ob Kanzler Olaf Scholz für diese Grundreinigung der Richtige ist? Zweifel sind angebracht. Der Hanseate ist völlig abgetaucht. Es sitzt die Probleme mit noch härterem Sitzfleisch aus als seine Vorgängerin Angela Merkel. Dieser Scholz, der die Wahl 2021 auch deswegen gewonnen hat, weil sich sein Konkurrent Armin Laschet einen Lacher zu viel erlaubte.
Dabei hätte man es ahnen können, dass der erhoffte frische Schwung nach 16 Merkel-Jahren nicht funktionieren kann. FDP und Grüne an Bord - da bekommt das Boot schnell Schlagseite. Mit den Kapitänen Christian Lindner und Robert Habeck zwei Alphatiere an Bord, deren smartes Auftreten die inhaltlichen Differenzen nicht mehr übertünchen konnte. Einzig Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) machen einen guten Job, allein auf weiter Flur in der Ampel. Es gab frühe Signale des vorprogrammierten Scheiterns: Als die Grünen nicht mal das Thema Tempo 130 auf Autobahnen gegen den Willen der Liberalen durchsetzen konnten. Die Streitereien nehmen kein Ende, gipfelten zuletzt im auf Eis gelegten Heizungsgesetz. Ein Lehrbeispiel, wie man die Bevölkerung nicht auf einem eigentlich richtigen Weg mitnimmt.
Die AfD lacht sich derweil kaputt. Sie landet in Umfragen in schwindelerregenden Höhen, ohne eigenes Zutun. Ihre Stärke ist ausschließlich in der Schwäche der Regierenden begründet. Allein der Aufschwung der Rechtspopulisten muss für die Ampel Antrieb genug sein, in der Sommerpause alles auf den Prüfstand zu stellen. Und endlich anzufangen zu regieren. Sonst droht das jähe Ende für die Bundesregierung.
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