Die Überschrift auf der "Weltgeschehen"-Seite vom 6. August fasste den Inhalt des Artikels prägnant zusammen: ",London Bridge is down': Schon jetzt ist für den Tod der Queen alles vorbereitet". Natürlich lebt die inzwischen 95 Jahre alte britische Monarchin noch. Doch nun wurde nicht zum ersten Mal vermeldet, was im Falle des Todes der Königin geschehen wird. "Schon jetzt alles vorbereitet: Der Bericht stammt ganz sicher von einer Agentur. Dass ihn Der neue Tag ohne Not übernimmt und vermutlich wörtlich abdruckt, ist schon ein starkes Stück", beschwerte sich Leser W. L. aus Weiden und merkte außerdem an: "Und dazu noch das schemenhafte Foto. Da fehlen einem ganz einfach die richtigen Worte: makaber, gruselig, geschmacklos, vorweggenommene Todesanzeige. Schlechter Stil."
"Ja, es handelt sich um einen Agenturtext", antwortete ich W. L. und schrieb ihm: "Er kommt von der dpa, der Deutschen Presse-Agentur, der großen Nachrichtenagentur der deutschen Medien. Die dpa hat in Deutschland 54 Regional- und Landesbüros und 87 Büros im Ausland. Das sagt einiges über die Bedeutung der dpa aus, deren Angebot wir täglich in unserem Mantelteil nutzen.
Auch in anderen Zeitungen
Wie in dem Artikel erwähnt wird, sind Grundzüge von ,London Bridge' bekannt, nun aber hatte das Magazin ,Politico' berichtet, dass es neben dem kompletten Ablauf neue Details gebe. Also hat die dpa dazu einen Bericht angeboten. Nicht nur wir haben ihn veröffentlicht, sondern auch zahlreiche andere deutsche Tageszeitungen wie die Frankfurter Allgemeine, um nur ein bekanntes Blatt zu erwähnen, oder diverse Magazine (z. B. Focus). In vielen Fällen wurde ebenfalls das von Ihnen kritisierte Foto verwendet. Sie sehen, wir befinden uns also in ,guter Gesellschaft'' um es etwas salopp auszudrücken."
Journalistisch ist gegen eine solche Berichterstattung nichts einzuwenden, teilte ich Leser W. L. mit. Dass es ein großes Leserinteresse daran gibt, was in Großbritannien passiert, wenn die älteste und wohl bekannteste Monarchin der Welt sterben sollte, dürfte außer Zweifel stehen.
Autorin warnt die Leser
Damit zu einem nicht alltäglichen Gerichtsbericht, veröffentlicht am 3. September unter der Überschrift "Lebende Ratten in Pfanne gebraten: Gericht verurteilt Tierquäler zu Gefängnis". Gleich zu Beginn des Beitrages warnte die Autorin: "Die Lektüre dieses Artikels empfiehlt sich nicht vor dem Frühstück." Im Text hieß es dann unter anderem: "Einem Bauhelfer (31) wurde vorgeworfen, im April 2021 in neun Fällen Ratten und Vögel zu Tode gequält zu haben. Er folterte die Tiere mit Stromstößen, zündete sie am lebendigen Leib an, zwickte ihnen die Füßchen ab und ließ sie auf blutigen Stumpen laufen." Davon machte der 31-jährige Weidener Handy-Videos. Eine weitere Passage in dem Bericht lautete: "In einem Fall steckt der Angeklagte vier lebende Ratten in die Mikrowelle (O-Ton: ,Rein da, du Missgeburt') und schaltet an. 20 Sekunden springen die Tiere panisch durch die Mikrowelle, ehe sie sterben."
Leserin I. T. war das eindeutig zu viel. "Wann soll man denn den Neuen Tag lesen, wenn nicht zum Frühstück?", begann sie ihre Beschwerde-Mail. Wie tief, so frage sie sich, sei die Zeitung gesunken, dass diesem Thema eine dreiviertel Seite gewidmet werde? "Details dieses Prozesses so intensiv zu schildern, ist einfach nicht vertretbar", befand T. und führte einen weiteren Aspekt ins Feld: "Ich finde Ihre Redaktionsarbeit verantwortungslos gegenüber vielen Schülern, die in den Ferien auch gerne mal den NT lesen. Wie sollen diese später Abonnenten werden, wenn sie mit diesem niveaulosen Journalismus konfrontiert werden?" Langsam komme sie sich vor, als würde sie "die Regenbogenpresse und nicht eine seriöse Tageszeitung" lesen, beklagte I. T. und unterstrich: "Dies ist nicht nur meine Meinung, sondern viele treue Leser sehen dies genauso."
Schilderungen so zu vertreten
Ich könne ihre Kritik in gewisser Weise nachvollziehen, wandte ich mich an die Leserin und schrieb ihr Folgendes: "Auch ich habe mich beim Lesen des Artikels gefragt, ob man tatsächlich so sehr ins Detail gehen musste und bin am Ende zu der Einschätzung gelangt: Ja, in diesem Fall war das nötig, so unappetitlich das auch sein mag.
Denn was hier vor dem Amtsgericht Weiden verhandelt wurde, war ein in dieser Dimension seltener Fall von Tierquälerei. Das Urteil bestätigt dies: 2 Jahre und 9 Monate, und das ohne Bewährung. Ich kann mich nicht erinnern, dass in unserem Verbreitungsgebiet ein Tierquäler derart bestraft wurde. Insofern waren Detailschilderungen aus meiner Sicht zu vertreten, um die Schwere der Tat und das Strafmaß zu verdeutlichen. Dass dies manchen Lesern zu heftig ist, kann ich verstehen. Aufgabe einer Zeitung ist es jedoch auch, Realität abzubilden. Dabei stößt man dann durchaus an Grenzen, die aber hier bei diesem Gerichtsbericht letztendlich dennoch nicht überschritten wurden, wie ich meine."
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