Klima-Aktivismus ist keine Privatsache

Deutschland und die Welt
18.08.2023 - 08:16 Uhr

Die „Letzte Generation“ polarisiert mit ihren Aktionen. Wie weit darf die Berichterstattung über Aktivisten gehen? Wie persönlich darf es werden?

Sitzblockade der Protestgruppe „Letzte Generation“ an einer Autobahnabfahrt in Dresden. Der Aktivist trägt eine Maske mit dem Gesicht des Bundeskanzlers.

Sonja Volkmann-Schluck ist beim Presserat Referentin für Öffentlichkeitsarbeit. Im Lokaljournalisten-Forum "Drehscheibe" schildert sie unter der Überschrift "Klima-Aktivisten durchleuchtet" wieder einen aktuellen Fall aus der Rechtssprechung des Gremiums. Es geht um eine Berichterstattung über Mitglieder der "Letzten Generation".

Das war der Fall

"Wer sind eigentlich diese Klima-Chaoten?", der Frage ging das Online-Portal einer Boulevardzeitung nach. Unter der von ihr gewählten Schlagzeile habe die Redaktion sechs Aktivisten der "Letzten Generation" mit Foto und Namen vorgestellt, so Volkmann-Schluck. Das Ganze sei versehen gewesen mit den Porträts der Betroffenen, die von deren Profilen in den sozialen Medien stammten. Die kurzen Beiträge hätten teilweise private Details enthalten: In dem Beitrag hieß es, ein Aktivist sei wegen Drogen aufgefallen. Und eine Frau habe sich als "Sex-Arbeiterin" bezeichnet.

Laut Volkmann-Schluck wandte sich deshalb ein User an den Presserat und kritisierte die Veröffentlichung von Namen, Beruf, Alter, Fotos und der sexuellen Orientierung der Aktivisten. Der Beschwerdeführer habe auf den Persönlichkeitsschutz verwiesen und diesen durch die Berichterstattung des Online-Portals verletzt gesehen.

Das erklärte die Redaktion

Die Rechtsabteilung des Verlags hielt die Beschwerde für unbegründet, schreibt Volkmann-Schluck. Argumentiert wurde damit, dass die Aktivisten es doch gerade darauf angelegt hätten, mit ihrer Persönlichkeit und ihren Handlungen öffentlich wirksam aufzutreten. Insofern könne ja wohl kaum davon die Rede sein, dass ein bewusst in die Öffentlichkeit getragener Klima-Aktivismus irgendwie "Privatsache" sei. Oder anders formuliert: Die Protestler würden also bewusst und willentlich - als Verursacher von gezielt öffentlich wahrnehmbaren Protestaktionen - ihr Recht auf individuelle Anonymität verwirken.

Das entschied der Presserat

Der Beschwerdeausschuss des Presserates befand: Die Beschwerde ist unbegründet. Sonja Volkmann-Schluck erläutert die Entscheidung: "Die Mehrheit der Mitglieder kommt zu dem Schluss, dass alle in der Bildergalerie gezeigten Betroffenen mit ihren Aktionen bewusst die Öffentlichkeit suchen und deshalb in Kauf nehmen müssen, identifizierbar in den Medien aufzutauchen. Auch die Erwähnung der sexuellen Orientierung beziehungsweise die Hinweise auf den Drogenkonsum einzelner Aktivisten sind in diesem Fall nicht vom Persönlichkeitsschutz nach Ziffer 8 des Pressekodex geschützt. Denn diese Informationen - auch zu intimen Details wie der sexuellen Orientierung - haben die Betroffenen auf ihren Profilen in den sozialen Medien oder an anderer Stelle selbst veröffentlicht. Insofern müssen sie akzeptieren, dass die Redaktion diese Informationen aufgreift und bewertet."

Aus dem Pressekodex:

Ziffer 8, Schutz der Persönlichkeit

Die Presse achtet das Privatleben des Menschen und seine informationelle Selbstbestimmung. Ist aber sein Verhalten von öffentlichem Interesse, so kann es in der Presse erörtert werden. Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. Soweit eine Anonymisierung geboten ist, muss sie wirksam sein. Die Presse gewährleistet den redaktionellen Datenschutz.

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    Sitzblockade der Protestgruppe „Letzte Generation“ an einer Autobahnabfahrt in Dresden. Der Aktivist trägt eine Maske mit dem Gesicht des Bundeskanzlers.
Oberpfalz28.01.2022
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