Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Deutschland und die Welt
12.03.2022 - 05:53 Uhr

Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine werden die Angriffe auf die Städte wieder intensiver. Unterdessen hat sich eine große russische Militärkolonne nördlich von Kiew teils zerstreut. Die weitere Entwicklung im Überblick.

In Russlands Krieg gegen die Ukraine gerät die Hauptstadt Kiew wieder stärker ins Visier.

Auch aus dem Westen des Landes unweit der Grenze zu Polen werden weitere Luftangriffe gemeldet. Bei den Sorgen um die Atomruine Tschernobyl gibt es unterdessen vorerst etwas Entwarnung.

Ukraine: Russische Offensiven „teils“ erfolgreich

Rund um Kiew gebe es russische Offensiven an der nördlichen Stadtgrenze bei Sasymja und in südlicher Richtung bei Wyschenky, teilte der ukrainische Generalstab in der Nacht mit. Diese Offensiven seien in einigen Bereichen teils erfolgreich. In der Hauptstadt Kiew wurde in der Nacht mindestens drei Mal Flugalarm ausgelöst. Laut CNN war in der Stadt aus der Ferne am Samstagmorgen „minutenlanger“ Beschuss zu hören.

Russische Kolonne nahe Kiew hat sich zerstreut

Eine große russische Militärkolonne hat sich nach britischen Geheimdienstinformationen nördlich von Kiew teils zerstreut. Dies dürfte wahrscheinlich einen russischen Versuch unterstützen, die ukrainische Hauptstadt einzukreisen, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag auf Twitter mit. Es könne sich auch um einen russischen Versuch handeln, die eigene Anfälligkeit für ukrainische Gegenangriffe zu verringern. Diese hätten bei den Russen bereits einen erheblichen Tribut gefordert.

Während die Gefechte nordwestlich von Kiew weitergingen, befinde sich der Großteil der russischen Bodentruppen nun rund 25 Kilometer vom Zentrum der Dreimillionenstadt entfernt, teilte das Ministerium weiter mit.

Russlands Militär spricht von Angriffen auf breiter Front

Die russische Armee setzt nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau ihre Angriffe auf „breiter Front“ in der Ukraine fort. In der Nähe der Hauptstadt Kiew seien eine Luftwaffenbasis in Wassylkiw und das nachrichtendienstliche Aufklärungszentrum der ukrainischen Streitkräfte in Browary außer Gefecht gesetzt worden, teilte Ministeriumssprecher Igor Konaschenkow am Samstag in Moskau mit.

Den russischen Angaben zufolge nahmen die eigenen Truppen und jene der Separatisten aus Luhansk und Donezk erneut zahlreiche Ortschaften im Osten der Ukraine ein. Einheiten der Donezker „Volksmiliz“ seien weitere 9 Kilometer vorgedrungen, die russischen Streitkräfte insgesamt 21 Kilometer und die Gruppierungen der „Volksrepublik Luhansk“ 6 Kilometer. Überprüfbar waren die russischen Militärangaben nicht.

Zu Beginn des Krieges am 24. Februar hatten die Separatisten rund 30 Prozent der Regionen unter ihrer Kontrolle. Nun sind es nach ukrainischen Angaben im Gebiet Luhansk bereits 70 Prozent.

Neue Luftangriffe auch im Westen der Ukraine

Strategische Bomber der russischen Luftwaffe sollen Marschflugkörper in den Städten Luzk, Iwano-Frankiwsk und Dnipro eingesetzt haben. Luzk und Iwano-Frankiwsk befinden sich nördlich und südlich der Stadt Lwiw unweit der polnischen Grenze. In der Nacht zum Freitag hatte Russland seine Angriffe auf den Westen der Ukraine ausgeweitet. Angriffe mit Raketen wurden auch aus dem südukrainischen Mykolajiw gemeldet. Die Angaben ließen sich nicht von unabhängiger Seite überprüfen.

Nach ukrainischen Militärangaben versuchen russische Truppen, die nordostukrainische Stadt Tschernihiw aus südwestlicher Richtung zu blockieren. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, dass in Tschernihiw eine wichtige Wasserleitung durch Beschuss beschädigt worden sei. In der Folge sei die Großstadt mit knapp 280.000 Einwohnern ohne Wasserversorgung.

Selenskyj: Entführung „Zeichen der Schwäche“

Selenskyj forderte in einer Videoansprache in der Nacht die Freilassung des Bürgermeisters der von russischen Truppen besetzten Stadt Melitopol. Druck auf Bürgermeister oder ihre „physische Eliminierung“ werde Russland nicht dabei helfen, ukrainische Städte zu übernehmen. Ein derartiges Vorgehen sei ein „Zeichen der Schwäche“ Russlands. Kiew hatte am Freitag erklärt, dass der Bürgermeister des südukrainischen Melitopol, Iwan Fedorow, entführt worden sein soll. Dies ließ sich nicht unabhängig überprüfen. In einem Video war zu sehen, wie Vermummte einen Mann aus einem zentralen Gebäude mitnehmen.

Kiew: Mehr als ein Dutzend Fluchtkorridore geplant

Zur Rettung von Zivilisten aus umkämpften ukrainischen Städten sind nach Angaben aus Kiew am Samstagmorgen mehr als ein Dutzend Fluchtkorridore geplant gewesen. Aus Saporischschja habe sich erneut ein Konvoi mit Hilfsgütern und Bussen auf den Weg in die belagerte Hafenstadt Mariupol gemacht, sagte Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk.

Es ist der fünfte Versuch, die Stadt am Asowschen Meer zu erreichen. Bisher kamen die vereinbarten Korridore nie zustande. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld am Scheitern. Die prorussischen Separatisten brachten nach eigenen Angaben seit Freitagmorgen 217 Zivilisten aus Mariupol in Sicherheit.

Wereschtschuk sagte, es gebe auch Korridore für mehrere Orte nordwestlich von Kiew, unter anderem Hostomel, Makariw und Borodjanka. Dort hat sich die russische Armee seit Tagen festgesetzt und versucht weiter, die Hauptstadt auch von Westen her zu blockieren. Außerdem gab es erneut im Nordosten des Landes Evakuierungsversuche, unter anderem aus der Stadt Sumy.

US-Präsident Biden: Müssen Dritten Weltkrieg verhindern

Eine direkte militärische Konfrontation in der Ukraine zwischen dem US-Militär und den russischen Streitkräften muss nach Ansicht von Präsident Joe Biden verhindert werden, damit es nicht zu einem „dritten Weltkrieg“ kommt. Das US-Militär und die Nato-Partner werden „jeden Zentimeter“ des Bündnisgebiets geeint und „mit voller Macht“ verteidigen, schrieb Biden bei Twitter. „Aber wir werden in der Ukraine keinen Krieg mit Russland führen. Eine direkte Konfrontation zwischen der Nato und Russland ist der dritte Weltkrieg - und etwas, das zu verhindern, wir uns bemühen müssen“, schrieb der Demokrat. Die Ukraine ist kein Nato-Mitglied.

Strom am ehemaligen AKW Tschernobyl läuft teils wieder

Am ehemaligen Atomkraftwerk Tschernobyl gelang es Technikern, einen Teil der Stromleitungen zu reparieren. Das berichtete die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien am Freitagabend unter Berufung auf den ukrainischen Betreiber. Die Stromversorgung für die Kühlung von Brennelementen wurde am Mittwoch unterbrochen. Die IAEA sah aber kein Sicherheitsproblem. Notstromgeneratoren liefern dort Strom. Trotz der schwierigen Lage sei es gelungen, dafür mehr Diesel anzuliefern.

Das wird am Samstag wichtig

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock will sich im an die Ukraine grenzenden Moldau über die Lage der Kriegsflüchtlinge informieren. Sie wolle sich ein direktes Bild machen, um zu klären, wie Deutschland Moldau in dieser Ausnahmesituation noch umfassender unterstützen könne, sagte die Grünen-Politikerin vor dem Abflug. „Wir werden nicht zulassen, dass die von Russland verursachten Schockwellen auf weitere Länder in Europa überschwappen.“

Oberpfalz28.02.2022
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