Irgendwann musste es ja so kommen – aber warum unbedingt hier, auf der Autobahn. Mitten im Nirgendwo. Plötzlich beugt sich der Fahrer über das Lenkrad mit dem Löwen in der Mitte, hält sein linkes Ohr ans Armaturenbrett aus Plastik. Der dunkelgraue Peugeot wird langsamer, hält an. Die alte Karre verliert Benzin, kann nicht mehr und will wohl auch nicht mehr. Das deutsch-spanische Quartett, das mit dem Sammeltaxi eigentlich von Viñales im Westen Kubas ins 350 Kilometer entfernte Playa Larga gebracht werden sollte, muss aussteigen, raus auf die Autobahn. Warten, bis ein Ersatzwagen da ist. Die Sonne brennt auf den Asphalt. Neben der Autobahn steht ein weißer Ochse im kniehohen Gras und frisst. Einmal schaut er hoch, dann frisst er weiter. Interessiert ihn nicht. Autopannen gehören in Kuba zum Alltag. Jede Fahrt ist ein Abenteuer. Wie so vieles auf dieser Insel. Kuba ist eine Reise in die Vergangenheit. Die Zeit, so scheint es, ist hier vor 60 Jahren stehen geblieben – damals, als die Revolution von Fidel Castro und Che Guevara siegte und der Sozialismus im Karibik-Staat einkehrte. Inzwischen, nach Jahrzehnten des Stillstands, bewegt sich Kuba langsam auf die Gegenwart zu, öffnet sich dem Kapitalismus. Haben auch die Touristen bemerkt, in den vergangenen Jahren hat sich die Insel mehr und mehr zu einem der Top-Reiseziele in der Karibik gemausert. Aus aller Welt strömen die Menschen ins Land.
Havanna
In Havanna, der Hauptstadt, ist das immer ab Mittag zu bestaunen. Wenn die Kreuzfahrtschiffe im Hafen ankommen und Tausende Touristen, erkennbar am Aufkleber mit Anker oder Welle auf dem Poloshirt, in Habana Vieja, die Altstadt, einfallen. Die Selfiestangen und Kameras in der Hand, schreiten sie durch die Gassen, knipsen, staunen – die Stadt ist die reinste Reizüberflutung. Eine Kubanerin schreit in ihr Handy, zwei Männer diskutieren hörbar leidenschaftlich. Die vielen Autos stottern und röhren. Aus der Bar dröhnt Musik, eine Sechs-Mann-Band spielt Guantanamera. Davor tanzen Menschen – auch wenn es erst 14.30 Uhr ist, die Mojitos schmecken auch mittags. Auf den Hauptplätzen wie dem Plaza Catedral riecht es nach Zigarren, die Cohibas, Montecristos und Partagas gehören zu Kuba wie der Rum. In abgelegenen Straßen riecht es nach Hinterlassenschaften von Hund und Katz‘. Auf dem Parque Central, direkt vor dem berühmten Capitolio, warten die Oldtimer. Straßenkreuzer, pink, blau oder lila glänzend. Alte Chevrolets, Fords, Buicks. Überbleibsel der imperialistischen Vor-Revolutionszeit. Vor den Schlitten warten die Fahrer auf Touristen. Wie José. Er, lila-graues Käppi und gelb-braunes Hippie-Hemd, schwärmt von seinem Auto. Ein Chevrolet, Baujahr 1954. „Da ist noch der Original-Motor drin“, sagt er und schaut dabei wie ein stolzer Vater, der vom Einser-Abitur seines Sohnes erzählt. Aber selbst der beste Junge macht mal Probleme. Auch der Motor des Chevrolet? „Ständig“, sagt José und lacht.
Die neu gewonnene Freiheit überzeugt ihn, den Oldtimer-Fahrer, noch nicht. Klar, er darf jetzt privat Touristen durch die Stadt kutschieren. Aber, die Steuern. „80 Prozent der Arbeit geht an die Regierung“, sagt er. Von der hält er wenig, von Fidel Castro offenbar auch. „Ein Diktator“, sagt José über den ewigen Comandante. Der Chevrolet steuert am Stadion vorbei, José springt zum Thema Fußball. Erzählt, wie gern er spielt – vor allem an der Spielekonsole. Eine X-Box 360 hat er daheim. Ein altes Gerät, das weiß er. José zuckt mit den Schultern, lacht. „Ist halt Kuba.“ Die technische Revolution kommt auf Kuba nur langsam voran. Die meisten Fahrzeuge auf dieser Insel sind schrottreif. Uralt, rostig, stinkig – aber sie laufen noch, die meisten zumindest. Einer davon, ein dunkelgrüner Peugeot diesmal, hat laut Armaturenbrett stolze 713.511 Kilometer auf dem Buckel, wahrscheinlich aber mehr. Die Anzeige will nicht weiter zählen. Auch die Tachonadel steht still – der französische Oldie fährt einfach immer mit 0 km/h. Die Tankanzeige? Vergiss es, der Fahrer braucht ein gutes Gehör. Die Kisten dienen trotzdem als Taxi Collectivos, als Sammeltaxis für Touristen. Der billigste und beste Weg, auf Kuba zu reisen. Und auch der erlebnisreichste.
Viñales
Pferde und Kutschen, das sieht man vor allem in Viñales. Ein kleines Dorf, das fast nur aus Casas Particulares besteht, Privatunterkünfte für Touristen, und aus einer Hauptstraße mit Bars, Restaurants und einer Bank. Ein Kaff wie aus einem Film-Western. Willkommen im wilden Westen Kubas. Viñales liegt in einem Tal, dem Valle de Viñales. Berge, Tabakplantagen, Höhlen, Wasserfälle. Unesco-Weltkulturerbe. Im Dorf die Cowboys mit Sonnenbrillen, Strohhüten und Gummistiefel. Sie bieten Pferde-Touren durchs Tal an. Reiterfahrung? Nicht nötig. Pancho, einer der reitenden Touristenführer, erklärt in drei Sätzen: Zügel nach links, Pferd geht nach links. Zügel nach rechts, Pferd geht nach rechts. Zügel anziehen, Pferd stoppt. Los geht‘s. Die Tour führt zu einer Tabakfarm, die Gegend um Viñales ist für den besten Tabak der Welt bekannt. In einer Hütte dreht ein Tabakbauer eine Zigarre, zur Anschauung. Er schwört auf einen besonderen Kleber: Honig. Das kann er in zig Sprachen aufsagen, sogar auf Mandarin. „Es kommen so viele Menschen hier her, aus allen Ländern der Welt“, erzählt der Farmer.
Playa Larga
Nach Playa Larga kommen die Touristen vor allem wegen der Geschichte. Weltgeschichte. Der kleine Strand des kleinen Ortes war 1961 eine von zwei Anlagestellen der von den USA unterstützten Invasion von Exilkubanern (die andere war Playa Giron). Stichwort Schweinebucht. Ein Panzer am Ortseingang erinnert daran. Ansonsten ist es dort ruhig. Ein Fischerdorf, das ungefähr so viele Restaurants hat wie Strände. Nach Trinidad, für viele das schönste Städtchen Kubas, sind es von Playa Larga aus nochmal knapp drei Stunden, zumindest in einem alten Ford, Typ: Ghostbuster-Auto. Die Straße ist, wie eigentlich alle Straßen auf dieser Insel, in einem erbärmlichen Zustand, rissig und löchrig. Dazu kommen andere Hindernisse. Straßenkreuzende Hunde, Katzen und Pferde. Ein entgegenkommender Autofahrer gibt die Lichthupe. Blitzer? Nein, hinter der Linkskurve lauert ein Ochse, der noch nicht weiß, ob er über die Straße will oder nicht.
Trinidad
In Trinidad wird es bunt. Blaue, gelbe, grüne Häuserfassaden. Ein gut erhaltenes Freilichtmuseum. Weltkulturerbe. Hier lebten im 19. Jahrhundert die Kolonialherren. Ein paar Kilometer außerhalb der Stadt liegen die alten Zuckerrohrfelder, über die Weite ragt ein Sklaventurm. Ist heute ein Touristenmagnet. Südlich von Trinidad liegt der Playa Ancon. Einer der schönsten Strände der Insel: Türkisblaues Wasser, feiner kilometerlanger Strand, nicht zu überlaufen. Wer‘s noch ruhiger mag, muss dann schon auf die vielen kleinen Inseln, die Cayos, ausweichen. Nordöstlich der Stadt erstreckt sich die Sierra de Escambray, ein grünes Tal gespickt mit kleinen Wasserfällen. Im Parque el Cubano liegt einer davon, nur zu Fuß erreichbar. Ein Wasserfall mit natürlicher Badewanne. Die Mutigen schwimmen in die Höhle. Oder springen vom Felsrand, das eiskalte Wasser ist rund neun Meter tief. Am Morgen ist noch keiner da, ein kleines Paradies. Mittags gleicht er edm Amberger Hockermühlbad bei 35 Grad, übervoll. Der Wasserfall ist längst kein Geheimtipp mehr wie früher - die Folgen des aufkommenden Tourismus.
Für Luisa, schwarze Haare, viele Falten und immer ein Lächeln im Gesicht, ist der Tourismus ein Segen. „Davor gab‘s hier nichts“, sagt sie. Luisa vermietet drei Casas in Trinidad. Viel Arbeit, sagt sie. Aber auch viele neue Bekanntschaften. So denken viele Kubaner. Sie fahren Taxi, kellnern, bieten Ausflüge an. Das bringt Geld, mehr Geld als normale Jobs. So viel mehr, dass Grundschullehrer ihre Arbeit schmissen und nun Zimmer an Touristen vermieten. Mit einer Übernachtung verdient man so viel wie im alten Job in einem Monat. den Kubanern fehlt es an vielem. Im Restaurant kann‘s passieren, dass die Pommes plötzlich ausgehen, es keine Cola mehr gibt. Die Kinder spielen auf der Straße. Zwei Jungs werfen in Trinidad Murmeln an die Hauswand, der Putz bröckelt. Drei Straßen weiter spielen vier Buben Fußball. Einer – Barcelona-Trikot, Nummer 10, Messi – kickt das Spielgerät, eine Bierdose. Sie kichern. In Viñales galoppiert ein Mädel, die braunen Haare schnell zum Zopf gebunden, über den staubigen Weg, auf einem Steckenpferd. Sie grinst.
Varadero
Alles im Überfluss gibt es dagegen in Varadero, für viele Touristen das Hauptreiseziel auf Kuba. Dort, wo sich Hotelbunker an Hotelbunker reiht. Wo Kuba nicht Kuba ist, sondern nur ein austauschbarer All-Inclusive-Urlaub, der so auch in Ägypten, auf Mallorca oder in der Türkei viel billiger zu haben wäre. Ein Frage an der Hotel-Rezeption, man möchte zurück nach Havanna, am besten im Taxi Collectivo. Die Empfangsdame runzelt die Stirn, zieht die Augenbrauen hoch, sagt: „Was ist das? Das kennen wir hier nicht.“
Tipps und Infos
Kuba ist eine Reise wird. Mit einigen Tipps und Tricks wird der Urlaub unvergesslich.
- Reiseroute: Havanna (3 Übernachtungen), Viñales (2 Übernachtungen), Playa Larga (1 Übernachtung), Trinidad (3 Übernachtungen), Varadero (2 Übernachtungen).
- Reisezeit: Die beste Zeit, um Kuba zu besuchen, ist von November bis April. In dieser Zeit ist es nicht gar so heiß, außerdem entgeht man so der Hurrikan-Saison (Juni bis Oktober).
- Wetter: Die Sonne scheint auf der Insel das ganze Jahr. Kalt wird es selten, Schnee kennen die Kubaner nur aus dem Fernsehen, wie der Tabakfarmer erzählt. Im Winter ist es in Kuba am angenehmsten.
- Geld: Auf Kuba gibt es zwei Währungen: Die einheimische Währung ist der Peso Cubano (CUP), der für Touristen aber fast keine Bedeutung hat. Touristen zahlen in der Parallelwährung Peso Convertible (CUC). Mittlerweile werden auf der Insel auch die gängigsten Kreditkarten wie Visa oder Mastercard akzeptiert.
- Unterkünfte: Casas Particulares sind fast schon ein Muss auf Kuba. In den kleinen Unterkünften, die von Kubanern privat vermietet werden, erlebt man oft das authentische Kuba. Sie kosten zwischen 10 und 25 CUC pro Nacht, sind aber oft sauberer als die Hotelzimmer. Außerdem geben die Vermieter oft Tipps für Ausflüge oder Restaurants. Mittlerweile auch über AirBnB buchbar.
- Sicherheit: Die Insel gilt, trotz der prekären wirtschaftlichen Lage, noch als sicher. Individualtouristen können ohne Bedenken alleine auf der Insel reisen. Die meisten Kubaner sind sehr freundlich und offen gegenüber Touristen. Die Alstadt Havannas gilt sogar als sicherster Ort in ganz Mittelamerika.
- Verkehr: Die beste Möglichkeit für Individualtouristen, von einem Ort zum anderen zu reisen, ist das Taxi Collectivo. Ein Sammeltaxi für Touristen. Relativ billig. Am besten den Vermieter der Casa fragen, der bestellt ein Taxi zur Unterkunft.
- Wichtige Utensilien: Sonnencreme und Sonnenbrille. Mückenspray, vor allem an den Stränden können die Viecher unterwegs sein. Halstuch, Taxis und Busse sind teilweise stark klimatisiert. Die App Maps.Me, eine Offline-Karte mit den wichtigsten Infos wie Casas, Restaurants und Sehenswürdigkeiten.
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