Helga Mauritz muss nicht lange nachdenken, um zu erklären, was "gefatscht" bedeutet: Es ist ein urbayerischer Ausdruck für "wickeln". Bis heute wird der Gottessohn als Fatschenkind verehrt. Vor allem im süddeutschen Raum sind Darstellungen des gewickelten Jesuskindleins sehr bekannt. Die Hahnbacherin geht ins Wohnzimmer und holt einen kleinen Schrein. Darin befindet sich ihr erstes Fatschenkind. Zu dieser Klosterarbeit kam sie durch das Wachsgießen. Sie goss nicht nur Köpfe für Engel, sondern auch jene für Fatschenkinder. "Es hat mich eben gereizt, eines zu machen", sagt sie. "Da kam eines zum anderen."
Mit Spitze verziert
Die Tradition der Fatschenkinder ist sehr alt, teilweise hat es sie schon im elften Jahrhundert gegeben. Der Kopf eines Fatschenkindes besteht aus Wachs, für den Körper wird zunächst ein Sack ausgestopft, beispielsweise mit Stroh und ähnlichem Material. Der Körper wird dann mit Bändern gewickelt - oder typisch bayerisch gefatscht -, mit Stoffen und Spitze verziert. Fatschenkinder dienen der Verehrung des kleinen Jesuskindes, in den Kirchen wurden sie zu Weihnachten in die Krippe gelegt. Sie sind kunstvolle Hüllen für den Glauben der Menschen. Es war nicht ungewöhnlich, das Christuskind gefatscht darzustellen. "Schließlich wurden früher alle Kinder gewickelt", erklärt Mauritz. Die Menschen glaubten, dies helfe, dass die Gliedmaßen der Kinder gerade wüchsen und nicht verkrümmten. Erst viel später kam man davon ab, seit dem 20. Jahrhundert dürfen Babys frei strampeln.
Neben der Verehrung als Christuskind in Kirchen gab es noch eine weitere Tradition der Fatschenkinder. Häufig bekamen sie Novizinnen nach ihrem Eintritt ins Kloster. Diese wunderschönen und kunstvoll angefertigten Kinder sollten sie daran erinnern, dass sie einen Bund mit Jesus eingehen, und ihnen das Leben im Kloster erleichtern - deshalb werden sie vielfach Trösterlein genannt.
Prachtvoll ausgeschmückte Kinder sind auch in Italien bekannt. Allerdings wird dort nicht das Jesuskind dargestellt, sondern die Muter Gottes. "Sie heißt Maria Bambina", erklärt Helga Mauritz. Und noch einen Unterschied zum gefatschten Jesuskind gibt es: "Ihre Hände sind draußen, nur der Körper ist eingewickelt." Vor zehn Jahren hat Mauritz mit Frauen aus Luppersricht ein Fatschenkindl für die örtliche Kapelle angefertigt - vom Christfest bis Lichtmess im Februar, dem offiziellen Ende der Weihnachtszeit, ist es dort zu sehen.
Blüten aus Golddraht
Den Wachskopf gießen, Haare aufkleben oder aufs Köpfchen malen, den Leinensack für den Körper ausstopfen und diesen dann mit Holzstangen mit dem Kopf verbinden, die Wickel anbringen: All das macht sehr viel Arbeit. Nicht minder Zeit kosten die Verzierungen mit Borten (am schönsten ist Klöppelspitze), Rüschen und aus Golddraht geformten Bouillonblüten.
Fatschenkindln zählen zu den Klosterarbeiten, sind anmutige Miniatur-Erzeugnisse der Barockzeit. So mancher, der solch einen kleinen Schatz zu Hause hat, wird ihn an Heiligabend hervorholen - die Verehrung des gefatschten Christkindls hält bis heute ungebrochen an.
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