Von ganz normaler Hektik und dem Trick mit den Handschuhen: Sechs mal den Lachs... und dann?

Illschwang
08.09.2017 - 03:30 Uhr

(Von Michaela Süß)

Es lebe das durch Bücher und TV-Shows seit Jahrzehnten geschulte Vorurteil: Köche sind doch allesamt freilaufende Irre, die bestenfalls nur durch die Küche schreien und ansonsten mindestens mit Messern werfen... Aber ist das tatsächlich so?

Illschwang. Um die Antwort gleich vorweg zu nehmen: nein, ist es natürlich nicht. Auf der Suche nach Antworten auf die Frage „Was wäre wohl aus mir geworden, wäre ich nicht Journalist geworden?“ habe ich einen Tag lang in den Beruf der Köchin hineinschnuppern dürfen. Und im Landhotel Weißes Roß in Illschwang konzentrierte Kreativität statt freilaufenden Irrsinn erlebt.

Morgens halb neun in der Küche: Ausgestattet mit Schürze und Touchon (ein ungemein hilfreiches Handtuch, das seitlich an der Schürze befestigt wird und mit dem sich beispielsweise heiße Töpfe und Bleche wunderbar sicher anfassen lassen) heißt es erst einmal, den beiden Auszubildenden bei ihren Arbeiten zu helfen:

Lukas Nossner schneidet Kräuter für die Beilagensalate zum Mittagessen und Anna-Lena Delling bereitet gerade Snacks für eine Tagung vor, die an diesem Tag im Hause stattfindet. Es gibt Bruschetta und Lachsschnitten. Also schneide ich Baguettescheiben, verteile Tomatenstückchen und arrangiere Lachsstücke. So weit, so gut. Das klappt und ist auch nicht anders als zu Hause in der heimischen Küche. Auch die Vorarbeiten für den Kartoffelsalat gehen der einigermaßen geübten Hausfrau ganz gut von der Hand.

Dass man sich bei den Profis immer wieder den einen oder anderen Trick für besagte heimische Küche abschauen kann, ist ein wunderbar angenehmer Nebeneffekt des Tages in der Restaurantküche.

Nimmt man beim Zwiebelschneiden zum Beispiel immer nur zwei Lagen der großen Gemüsezwiebel, werden die Würfelchen wunderbar gleichmäßig. Und beim Kartoffelschälen leisten die leichten Baumwollhandschuhe unter den dünnen Einmalhandschuhen unschätzbar gute Dienste in Sachen Hitzeschutz. Das werd’ ich mir merken.

Während ich noch gemeinsam mit Lukas an den Salat-Vorbereitungen arbeite, Kresse abschneide, Kerbel und Fenchel in kleine Stückchen verarbeite und den Feldsalat putze, richtet nebenan Art Director Christian Fleischmann mit Anna-Lenas Hilfe eine faszinierende Köstlichkeit an. Es gibt ein Stück Eierlikörtorte – aber was für eines…

Das Tortenstück bekommt eine Deko vom Feinsten: Crunch-Stücke und Rhabarber-Gel kommen ebenso dazu wie eingelegter Rhabarber, Shiso-Kresse und Veilchenblätter. Zum Schluss noch einige Stücke Blattgold drauf und ein Gläschen fermentierter Rhabarbersaft dazu – fertig ist das Dessert. Und das Beste daran: Ich darf es hinterher aufessen! Ein Schnuppertag als Köchin hat ganz eindeutig seine Vorteile.

Zwischenzeitlich ist es kurz nach 11 Uhr geworden und an die beiden Azubis ergeht die Order: „Schaut mal, dass ihr jetzt eure Posten herrichtet!“ Anna-Lena und Lukas sind für den Vorspeisen-Posten zuständig und für sie heißt das, sie müssen beispielsweise dafür sorgen, dass beim „Mise-en-place“ alle Zutaten für die Salate in den ausreichenden Mengen bereitstehen, damit später beim Anrichten im größeren Mittagsstress nichts ausgeht.

Während die Azubis sich dann weiter mit den Vorbereitungen fürs Dessert beschäftigen – es gibt Blutorangenmousse mit allerlei Beeren als Begleitung – geht es für mich weiter bei Küchenmeister Thomas Eckl in der Warmküche. Er schneidet Lachs, der heute beim Seminar auf der Tageskarte steht, und brät daneben schon mal einen Tafelspitz an, der dann im Gemüsebad garziehen darf.

Und dann geht’s mit Art Director Christian Fleischmann zum Shopping. Was das Fleisch angeht, genießen er und seine Kollegen hier einen Luxus, den es nicht in jeder Hotel- und Restaurantküche gibt. Sieben Metzger sorgen beim „Weißen Roß“ dafür, dass die Köche die besten Stücke direkt aus eigener Schlachtung auswählen können: 15 bis 18 Schweine die Woche, ein Bulle und alle zwei Wochen ein Kalb werden verarbeitet.

A propos Verarbeitung: Zurück in der Küche heißt es für mich gemeinsam mit Küchenmeister Thomas Eckl Kalbsschnitzel klopfen und noch ein paar Tomaten schneiden, die dann später zusammen mit weiterem Gemüse und Geflügelstreifen in Asia-Soße angebraten werden und auf den großen Salattellern landen.

Während der Service die ersten Mittagsgerichte ordert, lassen die für 12.30 angekündigten Teilnehmer der Tagung auf sich warten... Die Chefin seufzt: Jetzt müssen alle länger bleiben. Die Arbeiten laufen derweil ruhig weiter, alles greift Hand in Hand. Keine Messer fliegen und geschrien wird nur, wenn eine neue Bestellung reinkommt. Schließlich muss ja jeder hören, was bestellt worden ist.

Endlich finden sich um 13.30 Uhr auch die Seminarteilnehmer im Restaurant ein. Und schlagartig verwandelt sich die Küche in einen Ort, der stark an einen Ameisenhaufen erinnert: Für den Außenstehenden wirkt es chaotisch, aber der Küchenirrsinn hat Methode.

Die Chefin Susanne Nägerl und Tochter Katharina servieren die fertig angerichteten Bärlauchsuppen, die Azubis richten die Beilagensalate fertig an und daneben brutzeln zwei Köche samt Chef Hans-Jürgen Nägerl, was die Pfannen und Töpfe hergeben. Ich selbst bemühe mich, inmitten von alldem einfach nicht allzu sehr im Wege zu stehen und staune…

Vor allem über die Gedächtnisleistung, die es in einer hektischen Küche braucht: Sechs Portionen Lachs waren das, oder? Und dann noch die Sonderwünsche der Gäste dazu – ein laktosefreies Gericht, also auf jeden Fall ohne Kartoffelpüree, zweimal Risotto und Salat als Beilage, einmal lieber das Frühlingsgemüse.... Das kann sich im Ernst doch kein Mensch merken, oder?
Doch, die Köche versichern mir das Gegenteil: Sie können das. Alles eine Frage der Übung. Nun, ich will ihnen mal glauben.

Und auf einmal ist schlagartig die Anspannung weg und die hellen Wärmelampen am Pass sind aus. Was ist passiert? Ach so, das letzte Hauptgericht ist raus. Zeit, tief durchzuatmen und Bilanz zu ziehen:

Köchin wäre schon was. Ein Job, bei dem man auch kreativ sein kann und gleich das Ergebnis seiner Arbeit sieht. Und die Sache mit dem Gedächtnis? Nun, da müsste ich wohl noch sehr, sehr heftig trainieren.

Wissenswertes

Köche lernen drei Jahre im dualen System im Ausbildungsbetrieb und der Berufsschule. Für unsere Region sind die nächsten Schulen in Wiesau sowie darüber hinaus in Regensburg und Nürnberg.
Neben einem Quali sollten Bewerber etwas Talent für Mathe mitbringen, schließlich müssen in einer Küche ständig irgendwelche Mengen angepasst und umgerechnet werden. Und ein gutes Gedächtnis schadet auch nicht…

Motiviert und zuverlässig – so wünscht sich Küchenmeister Hans-Jürgen Nägerl angehende Köche. „Sie sollten Lust auf guten Geschmack haben und Spaß bei der Arbeit“, sagt er.

Auszubildende verdienen seit dem 1. Mai 2017 im 1. Lehrjahr 755 Euro, im 2. Lehrjahr 850 Euro und im 3. Lehrjahr 950 Euro. Die tarifliche Vergütung nach der Lehre beträgt ca. 1.900 bis 2.200 Euro brutto. (mia)

 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.