Wanderlesung der Regensburger Autorin Gerda Stauner im Freilandmuseum Neusath-Perschen: Mehr Zeitkolorit geht nicht

Nabburg
09.05.2017 - 20:00 Uhr

Der Nagel steckt noch, an dem das Hitler-Bild hing: Gerda Stauner blendet bei einer Wanderlesung aus dem Roman "Grasmond" im Freilandmuseum Neusath-Perschen zurück in den April 1945.

Gerda Stauner (links) liest aus ihrem zeitgeschichtlichen Roman "Grasmond" vor. Die Geschichte spielt zu wichtigen Teilen in einem Bauerndorf nördlich von Regensburg am Ende des Zweiten Weltkriegs - da bot sich das Freilandmuseum für die Lesung geradezu an. Bild: Dobler

"Wos is dou los, wos wiad dou g'schpüit? / Im ganzn Haus koa Hitlabüid!" ("Was ist hier los, was wird hier gespielt? / Im ganzen Haus kein Hitlerbild!"). Dieser früher so oft geäußerte Spruch bezieht sich auf den sozialen Druck, der während der NS-Herrschaft in den Dörfern auf jene ausgeübt wurde, die sich der gängigen Gesinnung nicht anschließen wollten. Wer ein solches Bild zu Hause aufgehängt hatte, war unverdächtig. In öffentlichen Gebäuden oder Wirtshäusern waren Hitler-Konterfeis ohnedies obligatorisch. Im der Schankstube des wiederaufgebauten Schallerhofs im Freilandmuseum Neusath-Perschen ist noch der Original-Nagel eingeschlagen, an dem in der Zeit des Dritten Reichs eben jenes obligatorische "Hitlabüid" hing. Auch das Bild gibt es noch, es ist im Fundus des Museums - und es kam Sonntagnachmittag noch einmal für ein paar Minuten zur Geltung als Wandschmuck.

Grund war eine sogenannte Wanderlesung der Regensburger Autorin Gerda Stauner (44). Sie hat einen zeitgeschichtlichen Roman mit dem Titel "Grasmond" geschrieben - ein alter Ausdruck für den Monat April. Im April, genauer im April 1945, also gegen Ende des Zweiten Weltkrieges, spielen die Szenen des Buches, aus denen Stauner vorlas.

Die Zuhörer folgten der Autorin an verschiedene Orte auf dem Museumsgelände, die dem Szenario des jeweiligen Romanabschnitts ähneln, der vorgetragen wurde. Da die Geschichte von "Grasmond" zum Teil in einem Bauerndorf am Ende des Zweiten Weltkriegs handelt, bot sich das Freilandmuseum geradezu an. Mehr Zeitkolorit geht fast nicht.

Rebellion einer Familie

Und so ging es auch in die Schankstube des Schallerhofs, einer früheren Bierwirtschaft, deren Interieur - Tische, Bänke, Herrgottswinkel - mit einem gerahmten Hitlerportrait komplettiert wurde. Natürlich hat man das Konterfei des "Führers" nach der Lesung wieder abgenommen - nicht, dass noch jemand der anderen Besucher irritiert würde.

Im vorliegenden Fall aber passte die Nazi-Devotionalie gut zum Text, der von der mehr oder weniger offene Rebellion der Familie des Bauern Anderl gegen die verordneten und mit mörderischer Konsequenz exekutierten Durchhalteparolen der örtlichen Nazis erzählt. Dabei sind die amerikanischen Panzer schon kurz vor dem Dorf, das im Roman nördlich von Regensburg angesiedelt ist. Momente der Anschaulichkeit steuerte auch Florian Eckert bei. Er tauchte hier und dort als stumme Personifizierung des Bauern Anderl auf, an dem die Autorin die Gewissensnot, die Verzweiflung und den Mut der Menschen deutlich macht, die sich damals (im Buch und in echt) entscheiden mussten zwischen Kadavergehorsam und heimlicher Hoffnung auf die Befreiung durch die nahenden amerikanischen Truppen.

Schauplatz Regensburg

1973 spielt die restliche Geschichte von "Grasmond", wobei es um die Altstadt von Regensburg geht. Sie ist zu jener Zeit extrem sanierungsbedürftig und die kommunale Politik sähe es gerne, dort alles Alte wegzumodernisieren. Dem stellte sich damals der Verein Altstadtfreunde entgegen, der das erste Regensburger Bürgerfest organisierte.

Das wiederum öffnete den Domstädtern die Augen für die verborgene Schönheit der Stadt, die es herauszuarbeiten gelte - statt sie zu zerstören. In beiden kritischen Situationen - auf dem Dorf und in der Stadt - waren schließlich jene Menschen erfolgreich, die mit Mut, Einfallsreichtum und Einsatzbereitschaft eine verfahren scheinende Situation zum Besseren wendeten.

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Gerda Stauner: "Grasmond - Zeitgeschichtlicher Roman", 208 Seiten, 14,90 Euro, Süd-Ost-Verlag 2016.

 
 

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