Bürgerspital-Jubiläum: Dr. Ludmilla Kvapilova referiert im Zehentstadel über Steinskulpturen: Kunstwerke in der Kirche

Nabburg
01.10.2012 - 00:00 Uhr

"Das Vesperbild in St. Johannes gehört zu den frühesten Beispielen überhaupt und stellt das erste Beispiel dieses Typus in seiner vollentwickelten Form in Bayern dar". Das resümierte Dr. Ludmilla Kvapilova am Ende ihres Vortrages über die Steinskulpturen aus der Entstehungszeit der Marienkirche, den sie zum Bürgerspitaljubiläum im Nabburger Zehentstadel hielt.

Bei einem kurzen Rundgang konnten sich die Teilnehmer einen persönlichen Eindruck von den Kunstwerken machen. Bild: aub

Diese Entstehungszeit datierte die Wissenschaftlerin aus Regensburg zwischen dem bekannten Testament von Pfarrer Johann Zenger von 1412 und jener Urkunde von 1423, in der Ulrich Tobhendl als Stifter einer Spitalmesse und Erbauer der Kirche bezeichnet wird. Im selben Zeitrahmen, 1400 bis 1430, bewegt sich auch die Fertigstellung der zugehörigen Skulpturen, von denen die Referentin insgesamt sechs mit thematischem oder baulichem Bezug zur Marienkirche näher untersuchte.

An erster Stelle platzierte Dr. Kvapilova die "Pieta" aus der Stadtpfarrkirche. "Der ursprüngliche Standort des Vesperbildes ist nicht bekannt. Heute steht es auf einem modernen Sockel aus Granit vor der Westwand des Eingangsbereiches". Früher, so ergab ihre Recherche, schmückte es die nördliche St.-Anna-Kapelle, ursprünglich aber könnte es für die Marienkirche bestimmt gewesen sein.

Zur Begründung: Dem Patrozinium nach favorisierte die Marienikonografie bereits seit 1300 diese figürliche Trauerszene mit ihrem Aufruf "Ir vrouwen, helfet mir ze klagen". Zudem harmoniert die Pieta in Stil, Typus und Entstehungszeit um 1415/1420 perfekt mit jener der Kirche, an der - drittens - identische Steinmetz- und Bildhauerzeichen wie in Amberg und Kastl zu finden sind - beides Orte mit vergleichbaren Bildwerken. Schließlich fand sich im Archiv noch eine schriftliche Quelle auf eine Schmerzhafte Muttergottes - also ein Vesperbild - das eventuell auch in der Marienkirche mit Option zur Friedhofskapelle bei Totenmessen den Altar "zierte".

Meister bleibt namenlos

Diesen Begriff verdient das Nabburger Kunstwerk wohl allemal. Neben anderen Beispielen sticht es in Punkto Darstellung der körperlichen Proportionen, der Mimik, Ausführung der Details wie etwa der Falten aber auch hinsichtlich der Intensität des Leidensausdrucks unter den von Dr. Kvapilova ausführlich gezeigten Oberpfälzer bis süddeutschen Vergleichsmotiven deutlich hervor. Das Ergebnis umfassender Stilanalysen, teils mit böhmischem Einfluss, grenzt zwar den Wirkungskreis und das Umfeld des Meisters und seiner Bauhütte ein, er bleibt jedoch weiter namenlos.

Dies gilt auch für den oder die Schöpfer der beiden Sandsteinfiguren. Im Herbst 2006 aus einer Nische der Marienkirche geborgen und heute beeindruckende - wenn auch leider kopflose - Exponate im Stadtmuseum, kann man ihnen mit dem "Hl. Leonhard von Noblac" (Attribut Kette) und vermutlich St. Johannes Evangelist (mit einem Buch) zumindest "Namen" und nach dem Inventarverzeichnis von Johannes Besalm von 1474 auch Altarpatrozinien in der Pfarrkirche zuweisen. Ihre Qualität ist zwar unterschiedlich, aber für die um 1350 bis 1390 geschätzte Entstehungszeit dennoch hervorragend.
"In Situ", so der Fachbegriff, befinden sich noch zwei Schlusssteine im Chor der Spitalkirche und ein weiterer, einst Teil des "alten" Kirchenschiffs, an die Fassade versetzter. Letzterer zeigt eine Rosette, die anderen eine Büste Christi, sein geneigtes Haupt und die Mundhaltung deuten eine Sprachgeste gegenüber den Gläubigen an, sowie ein Kreuz in Gottes Hand. Auch hier gelang es per überörtlichem Bild-Vergleich mit weiteren Sakralbauten ähnlich symmetrische Darstellungsweisen zu finden.

Kurze Führung

Um sich selbst noch einen persönlichen Eindruck von den Kunstwerken machen zu können, lud die Referentin zu einer kurzen Exkursion ein. Vor der Pieta in der Pfarrkirche, in der Spitalkirche und im Museum stand sie dem Publikum vor Ort für Fragen zur Verfügung.

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