Das Haus, das es nicht mehr gibt, war rund 500 Jahre alt. Im Kern natürlich. Denn immer wieder wurde hier umgebaut, erweitert und gestückelt. Mit Hilfe der Dendrochronologie, der Altersbestimmung des Holzes, lässt sich aber zweifelsfrei sagen, dass die Bäume, aus denen der Dachstuhl gezimmert worden ist, im Winter 1533/34 gefällt worden sind. Erstaunlich, dass es das Haus noch gibt - oder besser gab.
Die Oberpfalz war sehr oft Kriegsgebiet. Allein im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) zogen hier in regelmäßigen Abständen die marodierenden Truppen der Kaiserlichen und der Schweden durch. Die Dörfer waren danach weitgehend entvölkert, die Höfe zerstört. In Obermainshof im heutigen westlichen Landkreis Amberg-Sulzbach überstand ein Bauernhaus diese Wirren. Generationen von Menschen lebten hier danach, bewirtschafteten ihre Felder und hielten das Haus mehr oder weniger gut in Schuss.
1977 war Schluss
Im Jahr 1977 war dann Schluss. Die Eigentümer bauten sich nebenan ein neues Haus, das alte hatte seinen Zweck erfüllt und war von nun an dem Verfall preisgegeben. Gut 20 Jahre später, so erzählt es die Besitzerin, die namentlich nicht genannt werden will, kam die Überlegung auf, es zu renovieren und wieder zu bewohnen. Aber schon damals sei es ein Fass ohne Boden gewesen. "Allein für die Außenrenovierung hätten wir 900 000 Mark gebraucht - und dann hast du innen noch gar nichts." Zu viel Geld für einfache Arbeiter, so sagt sie. Erneut wurde neben dem alten Haus neu gebaut.
An dieser Stelle scheiden sich zum ersten und nicht zum letzten Mal die Geister. War der Verfall im Jahr 2015, als die Frau zum ersten Mal den Abbruch beantragte, tatsächlich schon soweit fortgeschritten, dass es praktisch keine Alternative mehr gab? Ja, sagt die Eigentümerin, und verweist auf eine gefährliche Wölbung der Außenmauern in Richtung Straße, die zu dieser Entscheidung förmlich gezwungen habe. Ein engagierter Denkmalschützer, der ebenfalls anonym bleiben will, widerspricht heftig: Keinesfalls sei eine Einsturzgefahr gegeben gewesen, ein Spezialist habe seiner Kenntnis nach sogar eine sehr gute Substanz festgestellt.
Hier beginnt der Zwist, der auch nach Abriss des Hauses nicht enden will. Auf der einen Seite die Eigentümerin, die mit der Baufälligkeit und Perspektivlosigkeit des Gebäudes argumentiert. Auf der anderen diejenigen, die der Familie unterstellen, den Abriss nur beantragt zu haben, um diesen "Schandfleck mitten im Dorf" endlich los zu sein. Die ein wertvolles Kulturgut auf den Schutthaufen der Geschichte geworfen habe, nur weil es ihre Ästhetik störte.
An dieser Stelle kommt der offizielle Denkmalschutz ins Spiel, der sich natürlich ebenfalls mit der Angelegenheit befasst hat. Das Landesamt für Denkmalpflege und die Untere Denkmalschutzbehörde - sprich das Landratsamt - hatten über den Antrag auf Abriss zu befinden. Kreisheimatpfleger Mathias Conrad war einer der Männer, die eine Stellungnahme zu dem Objekt abgegeben haben. Er hat durchaus Verständnis für die Position der Eigentümer, wie er sagt. "Eine Nutzung hat sich nicht ergeben", so räumt er ein.
Trotzdem hätte er das Haus gerne erhalten gesehen. Wenigstens den historischen Dachstuhl. "Der war nämlich noch einwandfrei. Ich habe selten so einen gut erhaltenen Dachstuhl aus dieser Zeit gesehen." Ihn verwundert die so plötzlich erstellte Genehmigung ein bisschen. "Von Abriss war überhaupt keine Rede." Zunächst weder vom Landesamt für Denkmalpflege noch der Unteren Denkmalschutzbehörde. Dass dann das Landratsamt die Maßnahme trotzdem erlaubt hat, wundert ihn. "Ich gehe davon aus, dass das dann am Ende die Politik so entschieden hat." Den Namen des Landrats nennt er an dieser Stelle nicht.
Zumal es die Möglichkeit einer Notsicherung gegeben hätte. Einen Aufschub, eine Frist, in der alle Beteiligten Zeit gehabt hätten, zu überlegen, was mit diesem historischen Kleinod geschehen soll. Das Landesamt für Denkmalpflege bestätigt auf Nachfrage, es habe in diese Richtung Gespräche und schließlich ein Angebot an die Eigentümer gegeben: "Ein sehr großzügiger Zuschussbescheid ist von uns rausgegangen", so heißt es aus München. "Er ist aber nie abgerufen worden."
Landesamt zahlt 90 Prozent
Nach Informationen unserer Zeitung war das Landesamt bereit, 90 Prozent der Kosten für eine Notsicherung zu übernehmen. Die Besitzer hätten rund 4000 Euro bezahlen müssen, um dem Haus zehn oder 15 Jahre zu geben, in denen von der Sanierung bis hin zum Abbau und der Rekonstruktion an anderer Stelle viel hätte passieren können. Das wollte die Familie nicht. Eine Aktion ohne Sinn, wie die Eigentümerin meint. Letztendlich hätte doch irgendwann saniert werden müssen, so sagt sie. "Ohne Dach wären das etwa zwei Millionen Euro gewesen. Das hätte uns ruiniert." Also doch Abriss.
Das Landesamt für Denkmalpflege sieht das anders und wurde wohl irgendwann ziemlich penetrant. Die Eigentümerin fühlte sich regelrecht verfolgt von den Beamten aus München und nahm sich einen Anwalt. Das Amt erhob die Auflage, das Gebäude zum Kauf anzubieten. Vielleicht würde sich ein Liebhaber finden, der bereit ist, viel Geld und Ausdauer in das alte Haus zu stecken. "Ein halbes Jahr haben wir es für einen Euro in Ebay angeboten, gemeldet haben sich nur Grundstücksspekulanten", so erzählt die Frau. Sie aber wollte weitgehend ohne Grund verkaufen.
Sie habe nichts unversucht gelassen, um das Elternhaus ihrer Mutter irgendwie zu retten. "Ich habe mehrmals in Perschen (gemeint ist das Oberpfälzer Freilandmuseum Neusath-Perschen) angerufen. Dort hat man mir gesagt, sie hätten keinen Platz für das Haus." Bei dieser Aussage geht dem anonymen Denkmalschützer der Hut hoch. Völlig unkoordiniert sei das Ganze vor sich gegangen, so klagt er. So existiere beispielsweise im mittelfränkischen Freilandmuseum in Bad Windsheim eine Mittelaltergruppe, die sich seiner Ansicht nach gerne des Hauses angenommen hätte.
Genehmigung über Nacht
"Aber es wurde ja nicht miteinander geredet, es wurde schnell abgerissen." Das ist der gravierendste Vorwurf, den der Mann erhebt: Dass praktisch über Nacht das Landratsamt die Abrissgenehmigung erteilt habe - und die Bagger praktisch schon in den Startlöchern standen, damit der Abbruch nicht mehr aufgehalten werden konnte. Ohne Not und Eile zu haben. Sie habe lange genug gewartet, wehrt sich die Eigentümerin. "Mir hat das auch leid getan", so beteuert sie. "Aber was blieb uns denn übrig?"
Sie fühlt sich alleine gelassen von den professionellen Denkmalschützern mit ihrem Problemhaus: "Wenn es wirklich historisch so wertvoll war, dann finde ich doch eine Möglichkeit, um es zu erhalten", sagt sie in Richtung der Münchner Behörden. Aber da liegt das Haus schon auf der Bauschuttdeponie.
Das sagt das Landesamt dazu
Es war das älteste bisher bekannte Bauernhaus der nördlichen Oberpfalz. Das stellten die Mitarbeiter des Landesamt für Denkmalpflege fest. Und zumindest der historische Dachstuhl war äußerst gut erhalten. Umso größer war die Verwunderung, als die Kunde vom Abriss des Hauses die Runde machte. Entsprechend fällt die Stellungnahme des Landesamts für Denkmalpflege aus: "Das Haus war aufgrund des nicht ausreichenden Bauunterhalts in einem schlechten Zustand. Es wäre allerdings, unter anderem aufgrund der guten Holzqualität, instandsetzungsfähig gewesen. Aufgrund der außergewöhnlichen Bedeutung des Hauses hat sich das BLfD stets für den Erhalt ausgesprochen und für eine "Notsicherung" Fördergelder in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt.
In einem solchen Zuschussverfahren ist immer ein Eigenanteil erforderlich; er wäre in diesem Fall sehr gering gewesen. Zweifellos waren noch nicht alle Möglichkeiten zur Erhaltung des Bauernhauses Obermainshof 1 ausgelotet." Das Landratsamt, das letztendlich dem Abbruch des Hauses in Obermainshof zugestimmt hat, geht in seiner Stellungnahme weitestgehend mit den Aussagen der Eigentürmer konform: „Das Gebäude befand sich in einem extrem baufälligen Zustand. Aufgrund des Leerstands und des damit verbundenen mangelnden Bauunterhalts über mehrere Jahre hinweg war die Bausubstanz des Anwesens massiv geschädigt“, so heißt es. Weder habe es eine realistische Nutzung gegeben, noch sei ein Käufer in Sicht gewesen, teilt die Behörde schriftlich mit.
„Insofern wurde – wie gesagt nach gründlicher Abwägung der konkreten Umstände in dieser Angelegenheit und unter Einbeziehung der Stellungnahmen von Gemeinde und Kreisheimatpfleger – vom Landratsamt Amberg-Sulzbach die Abbrucherlaubnis für das Baudenkmal Obermainshof 1 erteilt.“
Ich habe selten so einen gut erhaltenen Dachstuhl aus dieser Zeit gesehen.Kreisheimatpfleger Mathias Conrad
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