Von Rudolf Barrois
Dies gilt auch und gerade für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Dr. Pia Dornacher, Leiterin des Museums Lothar Fischer in Neumarkt, ist es zu danken, dass sie für vier Monate 65 Exponate aus einer der bedeutendsten Privatsammlungen im süddeutschen Raum in die Oberpfalz holen konnte. Werke berühmter Leute wie Pablo Picasso, Henry Moore, Andy Warhol und Sean Scully werden so erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Den Titel der Ausstellung, die bis zum 15. Februar auf der kompletten Ausstellungsfläche des Museums zu sehen ist, lautet "Wir sind, was wir sammeln" und betont die Rolle des Sammlers, seine Erfahrung, seine Wahrnehmung und Motivation, ist im übrigen entlehnt aus der Schrift "Logik der Sammlung" von Boris Groys. Das Thema ist im übrigen immer wieder auch von der Literatur aufgegriffen worden. Der Herr von Risach beispielsweise in Adalbert Stifters Roman "Der Nachsommer" und der alte Herr Drendorf in demselben Buch identifizieren sich seitenweise über die Kunst, die sie zusammentragen.
1945 freilich galt es, der ungegenständlichen Formensprache als Mitarbeiterin einer neuen Gesellschaftsordnung eine Basis zu verschaffen. Die Auseinandersetzung mit dem Werk des spanischen Jahrhundertmalers Pablo Picasso ist Thema des ersten Raumes der Ausstellung. Der Bleistiftzeichnung "Femme et enfant" (Mutter und Kind) von 1969 steht gegenüber Renato Guttusos "Das Gastmahl", das wie eine Homage Motive aus Picassos Werken um ein Porträt des Künstlers versammelt.
Mit Willy Baumeister endet das Spektrum. Er trieb wie der ebenfalls zu Beginn der Ausstellung gezeigte Jean Fautrier die gegenstandslose Kunst voran, versuchte eine Lösung des Problems zu finden, wie die durch die Geschichte aus den Kopf gestellte Welt in der Kunst repräsentiert werden kann.
___ Auch einfache Mittel
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In der Neumarkter Ausstellung ist dieses Bemühen auch durch unterschiedliche Künstler wie Serge Poliakoff, Emil Schumacher, Jean Paul Riopelle, Henri Michaux, Antoni Tapes oder später durch Walter Stöhrer vertreten. Der Betrachter erfährt, mit welchen Mitteln beispielsweise Figur und Form abstrahiert worden sind. Schumachers Werke "Tarquinia" (1961) und Anguillara (1967) dokumentieren, wie durch Material Mischung (Öl mit Sand oder Asche) Landschaft verändert wird. Andere, wie Georg Baselitz, haben zu einem einfachen Mittel gegriffen. Sie stellten die Dinge auf den Kopf.
Wiederbelebung von Farbe und Form zeigen Bilder von Mitgliedern der Gruppe "CoBrA" (1948 bis 1951) wie Ansgar Jorn oder Karel Appel. Sie sind auch für die Gründung der Gruppe "SPUR" durch die Lothar Fischer und seine Freunde bedeutungsvoll.
Die größte Ausstellungsfläche wird von dem irischen Maler Sean Scully und dem britischen Bildhauer Anthony Gormley beansprucht. Das großformatige Tryptichon "Music" von Scully ist ein Auftragswerk für das Sammlerehepaar und zeigt den Aufbau von Kombinationen von vertikalen und horizontalen, sich überlagernden Farbfeldern. Das Gegengewicht dazu ist Gormleys hohe Metallplastik aus 8-mm-Stahl, die den menschlichen Körper zum Thema hat und vom Künstler selbst als Wächter in dem sie umgebenden Raum begriffen wird.
Der Sammler interessierte nicht nur für Gemälde, sondern auch für Bildhauerei: Davon legen Zeugnis Plastiken und Zeichnungen von Henry Moore, Mario Marini und Fritz Koenig ab. Von Moore ist beispielsweise "Reclining Figure" von 1938 zu sehen, von Fritz Koenig Pferde-Motive. Bei allem Bemühen um aussagekräftige Abstraktion von Gegenständlichem spielt die Natur, Landschaften, Tiere, - und immer wieder auch der Mensch eine wichtige Rolle. Ein ganzer Saal ist Werken von Lothar Fischer, Roy Lichtenstein, Andy Warhol, Sigmar Polke und Gerhard Richter gewidmet. Gezeigt werden Warhols berühmtes Beethoven-Porträt (1987) und Lothar Fischers von der Pop-Art beeinflusste Tonplastiken.
___ Intensive Freundschaft
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Unter den bedeutenden Einzelarbeiten der Ausstellung nimmt Niki de Saint Phalles "Nana ange" eine besondere Rolle ein. Die Künstlerin, die sich mit aufsehenerregender experimenteller Kunst einen Namen machte, steht die poppig-üppige Figur als Bild einer selbstbewussten, modernen, nicht zuletzt erotisch orientierten Frau gegenüber. Der Sammler hatte sie 1960 bereits zu einem Happening nach München eingeladen und zu ihr eine intensive Künstlerfreundschaft gepflegt.
Zu denen, die den Sammler schätzten und regelmäßig kontaktierten, gehörte auch Lothar Fischer, dessen Werk in die von der Sammlung repräsentierte Entwicklung moderner Kunst nach 1945 passt. Fischer hätte, so glaubt die Museumsleitung, diese neue Unternehmung des Museums, das vor allem bei jungen Leuten zunehmend Freude findet, gefallen.
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