Gastronomen wollen Rinder "von der Nase bis zum Schwanz" auf den Teller bringen: Die ganze Kuh verwerten

Neustadt an der Waldnaab
27.02.2018 - 11:38 Uhr

Sagt der Bauer zum Wirt: "Meine Kuh geht von der Nase bis zum Schwanz." Darauf der andere: "Die koche ich ganz." Unter dem Schlagwort "von der Nase bis zum Schwanz" wollen einige Wirte auch in der Region alle Teile von geschlachteten Tieren auf den Teller bringen. Das Projekt hat mehr als eine kulinarische Dimension.

Jürgen Füssl, Robert Drechsel und Karlheinz Böhm freuen sich auf das Fleisch der Rinder von Landwirt Matthias Lukas (von links), die sie komplett von der Nase bis zum Schwanz auf den Tisch bringen wollen. Peter Siller, der vierte im Bund, war beim Fototermin erkrankt. Besonders stolz ist Lukas auf seinen Wagyu-Zuchtbullen (rechts). Bilder: Schönberger (2)

Neustadt/Weiden. Der Weidener Wirt Robert Drechsel hat mit der Komplettverwertung von Rindern bereits gute Erfahrungen gemacht. Für ihn ist Bio bei dem, was auf den Teller kommt, zwar nicht abgeschrieben, aber auch nicht mehr die Nummer eins. "Regionalität ist in unserer Ecke wichtiger als das Biosiegel." In der Praxis nutze er schon sehr lange vom Hoden bis zum Kopf alle Teile von Schlachttieren. Wenn Drechsel von der langfaserigen Flanke schwärmt, erfährt man, dass es neben dem Filet gut gereift noch ganz andere leckere Stücke gibt.

Problem: "Ein Ochsenschwanz ergibt nur zwei bis drei Portionen. Das ist zu wenig für die Speisekarte." Der Wirt vom Alten Schuster hat sich deshalb mit Kollegen vom Hotel Böhm in Grafenwöhr, von "D'Wirtschaft" in Altenstadt und Peter Siller von der Stadthalle Neustadt zusammengetan. Gemeinsam wollen sie vier Wagyu-Rinder aus Theisseil schlachten und zubereiten.

Damit passen die vier auch zur Aktion "Wirt sucht Bauer" des bayerischen Ernährungs- und Landwirtschaftsministeriums. Die Idee dahinter ist die Förderung der regionalen Vernetzung. Zusammen mit der Komplettverarbeitung von Schlachttieren ist das nicht immer einfach. Peter Gach vom Amt für Landwirtschaft Weiden: "Das setzt die Kunst des Kochs voraus."

Jürgen Füssl spricht von einer Herausforderung, Innereien und kreative Alternativen auf die Speisekarte zu bringen. Die Komplettverwertung ist für den Wirt von "D'Wirtschaft" in Altenstadt nichts neues und bietet ganz nebenbei die Chance, Lehrlingen Trends nahezubringen. Bei Wild aus eigener Jagd praktiziert er das seit Jahren. Bei ihm gibt es Leberknödel vom Wild und Wurst aus dem eigenen Revier - eingeschweißt auch zum Mitnehmen. "Aus den Knochen kochen wir Soßen und Suppen." Tipps zur Verwendung vieler Stücke zu Hause gibt Füssl auf Videos, die bei Youtube auf bis zu 10 000 Klicks kommen.

https://www.youtube.com/watch?time_continue=23&v=uMPYrYXiK6M

Was genau bei ihm im Aktionszeitraum vom Wagyu-Rind in Topf, Pfanne und auf den Teller kommen wird, weiß Füssl noch nicht. "Eventuell Krenfleisch, Wurst mit Kraut und Püree oder Beinscheiben als Ossobuco auf die Tageskarte." Für Füssl und seine Kollegen bedeutet das Ganze ein Umdenken. "Es ist nicht so, dass wir eine Speisekarte herausbringen und dann bestellen wir, was wir dazu brauchen, sondern wir schauen erst einmal, was wir haben und wie wir das verarbeiten", beschreibt Drechsel den Weg des Fleisches von der Weide auf den Teller.

Kontakt halten

Das Hauptaugenmerk liege im direkten Kontakt zum Hersteller. "Wir profitieren in der Gastronomie von unseren Schätzen", meint der Dehoga-Kreisvorsitzende. Besonders gut sei die Situation beim Rindfleisch. Drechsel zahlt nach eigener Aussage dem Bauern 10 bis 20 Prozent mehr, als im normalen Einkauf. "Aber das ist es mir wert und immer noch so günstig, dass es jede gastronomische Sparte hergibt." Das ganze Geschäft auf die Komplettverwertung abzustellen, gehe nicht. "Aber als Sonderaktion ist es lohnenswert."

65 bis 70 Stück Rinder stehen bei Matthias Lukas in Theisseil. "Bei mir gibt es verschiedene Rassen und mir gefällt es, dass nicht alle gleich aussehen." Mitten in der internationalen Schar tummelt sich ein Wagyu-Zuchtbulle. Er hat zum Decksprung die Wahl unter Französinnen, Engländerinnen und Bayerinnen. Für den Landwirt ist es das einfachste, wenn die Wirte ihm ganze Tiere abkaufen. "Die machen dann mit dem Metzger aus, wie sie es haben wollen." Außerdem begrüßt er es, dass die Rinder in der Region vermarktet werden und der Preis seine Bemühungen um außergewöhnliches Fleisch honoriere. Hauptabnehmer derzeit ist die Allgäuer Bio- und Regionalmarkt-Kette Feneberg.

Für Christian Witt ist die Nase-Schwanz-Idee schwieriger zu realisieren. "Mit 16 Rouladen kann ich keine Speisekarte schreiben." Das sei nur in Gemeinschaft sinnvoll zu verwirklichen. "Für uns ist die regionale Schiene wichtiger", sagt der Metzgermeister und Koch. Einen Pool zu schaffen, in dem sich Wirte und Erzeuger treffen wie auf der Online-Plattform wirt-sucht-bauer.de, ist für den Juniorchef des Hotels am See in Weiherhammer ein gutes Modell. Problematisch sei es manchmal, kontinuierlich die Mengen und geforderte Qualität zu bekommen.

Spagat für Anbieter

Witt nennt Produzenten wie den Brunnerhof bei Weiden für Spargel, Erdbeeren und Schweine oder das Forstamt Flossenbürg, von denen er aus der Region Waren bezieht. "Es ist immer ein Spagat zwischen Preis und Leistung." In der Gastronomie sei das Konzept der Komplettverwertung und Regionalität leichter und in der Metzgerei schwieriger zu verwirklichen. "Dem Oberpfälzer geht es nicht schlecht, aber der Spruch 'Geiz ist geil' hat im Lebensmittelsektor viel zerstört." Ein zehn Prozent höherer Endpreis würde allen vom Erzeuger über den Veredler bis zum Verkäufer gut tun.

"Wir klopfen derzeit im Landkreis mögliche Lieferanten ab", sagt Witt, der das Hotel in Weiherhammer und eine Verkaufsstelle der Metzgerei betreibt. "Normalerweise können von der Regionalität alle nur gewinnen vom Schnapsbrenner bis zum Obstsafthersteller und Imker."

Dem Oberpfälzer geht es nicht schlecht, aber der Spruch 'Geiz ist geil' hat im Lebensmittelsektor viel zerstört.Christian Witt
Wir profitieren in der Gastronomie von unseren Schätzen.Robert Drechsler
 
 

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