Ring-Raser geben Gas und haben Spaß

Amberg
20.07.2018 - 16:20 Uhr

Es ist kurz nach 20 Uhr an einem Freitagabend. Maximilian Köckritz und sein Kollege stehen auf einem Parkplatz gegenüber der Trimax-Halle. Innerhalb weniger Minuten zählt das Messgerät bereits fünf Geschwindigkeitsüberschreitungen.

Es ist nur der Bruchteil einer Sekunde, der aber richtig teuer werden kann. Dank modernster Kamera-Technik entwischt kein Tempo-Sünder.

Wenn die Tachonadel knapp über 60 Stundenkilometer steht, reagiert der Blitzer. In der ersten halben Stunde der Überwachung passiert viel, dann flaut es ab. Längst hat sich in diversen Facebook-Gruppen herumgesprochen, dass geblitzt wird. Auch in der Amberger Zeitung gab es eine Ankündigung. "Unser Hauptziel ist es abzuschrecken. Prävention durch Repression", sagt Maximilian Köckritz, Geschäftsstellenleiter des Zweckverbands kommunale Verkehrssicherheit (ZVKVS). Deswegen machen die Zuständigen kein großes Geheimnis aus der Aktion.

Stark auftreten

An drei weiteren Stellen stehen je zwei Kollegen: in der Sulzbacher Straße und zwei Mal an der B 85. Der personelle Aufwand sei groß, doch das sei es wert. "Wir bewirken etwas. Die Verstoßquote war zu Beginn unserer Arbeit bei 30 Prozent. Jetzt liegt sie unter zehn Prozent." Zwischendurch schauen zwei Verkehrsüberwacher der Stadt Amberg vorbei. Sie gehen den Ring um das Altstadt-Ei zu Fuß ab. Ihre Aufgabe ist es, die Bushaltestellen frei zu halten. Da stehen die Jugendlichen gerne mit ihren Autos. Die Polizei ist auch verstärkt unterwegs. In Zivil und im Dienstauto. Bisher sei es ruhig, versichern die Kollegen, als sie ebenfalls Halt bei Köckritz machen.
Auffallend oft fahren die selben sportlichen Autos mehrmals vorbei. Doch keiner davon zu schnell. Im Gegenteil. Aufreizend langsam geht es Richtung Malteser. Die Autofahrer, sind um die zwanzig Jahre alt, manche jünger, manche älter. Sie schauen direkt zum Überwachungswagen. Winken, grinsen und geben dann Gas, wenn sie am Blitzer vorbei sind. Die Motoren heulen lauter auf, als sie es sollten. Viele der Autos sind tiefergelegt, das Motorengeräusch wurde bei vielen verstärkt. Wenn nicht gerade Blitzermarathon ist, treffen sich die Stadtrunden-Fahrer um Rennen abzuziehen. Das Ziel ist, auf kurze Distanz schnell zu beschleunigen. Das macht Lärm. Die Beschwerden der Anwohner seien massiv. Der Ring um die Altstadt eignet sich wohl perfekt: zweispurig, kurze Distanzen zwischen den Ampeln zum Gasgeben und der weitläufige Kreis zum Rundendrehen. Sehen und vor allem gesehen werden. Die Gäste von Rossini, Portofino, Queens und anderen Lokalen mit Außenbereich bekommen eine Gratis-Show - wenn auch nicht ganz freiwillig.

Fahrer machen Druck

In einer Parkbucht am Straßenrand steht einer, der weiß, was die Jugendlichen so fasziniert. Er selbst hat auch der Ring-Raser-Szene angehört. Jetzt ist er 45 Jahre alt und laut eigener Aussage zu alt für so etwas. Er und seine Frau lehnen am Auto, ein blauer Seat der ganz neu sei und 300 PS habe, wie später stolz verkündet wird. Das Saisonkennzeichen verrät, dass das Auto nur in den wärmeren Monaten gefahren wird. Wo und wann geblitzt wird, haben sie sich schon denken können. "Es ist Freitagabend, wann denn sonst?", sagt die Frau. Das wollten sie sich nicht entgehen lassen, und entschlossen sich zu einer kleinen Ring-Spritztour. Für den Berufsfahrer ist die ganze Aktion eigentlich "ein Schmarrn". "Gegen die Raser lasse ich mir das ja eingehen. Aber es trifft immer nur den Otto-Normal-Fahrer, der mit 63 km/h geblitzt wird." Und das sei eine Frechheit. "Wenn man im fließenden Verkehr wirklich 50 fahren würde, wäre man ja eine Verkehrsbehinderung", sagt seine Frau, die von Beruf Taxifahrerin ist. Sie fühlt sich von den anderen Verkehrsteilnehmern sehr unter Druck gesetzt, wenn sie sich exakt an die Geschwindigkeitsbegrenzung hält. Dabei können schon wenige Stundenkilometer entscheidend sein, entgegnet Köckritz. "Wird ein Fußgänger von einem Pkw mit 50 km/ h erfasst, überleben acht von zehn Menschen. Bei 65 km/h sterben acht von zehn", bezieht sich Köckritz auf eine Statistik des ZVKVS.
Die Zeit habe sich gewandelt. Früher sei man als 18-Jähriger froh darüber gewesen, sich eine alte Rostlaube für ein paar hundert Mark herzurichten. Das war der ganze Stolz und das ganze Vermögen, das darin steckte. Jetzt würden immer mehr Fahranfänger hochmotorisierte Autos haben die sie leasen, abbezahlen oder von den Eltern leihen. Das sei ein Problem. In diesem Punkt sind sich Köckritz und der Seat-Fahrer einig.

Mit über 90 geblitzt

Mit 19 sei der Berufsfahrer mit seinem Auto mit 94 in der 50er-Zone erwischt worden. Das war nach einer Nachtschicht, da hätte er aber wirklich schnell heim gemusst. Der Lappen war erstmal weg, und eine Geldstrafe gab es auch. Vergangenes Jahr beim Blitzermarathon schaffte das ein anderer Verkehrssünder - 200 Euro Strafe, zwei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot gab es dafür. Blitzerwarnungen halten sie für richtig. Auch, einem entgegenkommenden Fahrzeug aufzublenden. "Wir müssen doch alle unsere Kohle zusammenhalten", argumentiert die Frau des Autofans.
Ob der Kraftfahrer schon oft geblitzt worden sei? "Naja, was heißt oft?", gibt er als Antwort. Mit dem Messtechniker vom Zweckverband ist er per Du. Der habe ihn schon mal erwischt. Heute lachen die beiden darüber. "Ich war halt in Gedanken", rechtfertigt sich der 45-Jährige.
Es ist mittlerweile kurz vor zehn Uhr abends. Für das Ehepaar geht es nach Haus. Auch Köckritz und sein Team wollen langsam abbauen. "Heute passiert nichts mehr so lange wir da sind."

Ergebnisse:

Insgesamt wurden an diesem Abend 287 Verstöße erfasst. Die höchste Geschwindigkeit lag bei 87 Stundenkilometern, erlaubt waren 50. Der Raser erhält ein einmonatiges Fahrverbot, zwei Punkte und ein Bußgeld von 160 Euro. Über die erwischten Tempo-Sünder kann sich Maximilian Köckritz, Geschäftsstellenleiter des Zweckverbands kommunale Verkehrssicherheit (ZVKVS), nicht wirklich freuen. "Trotz Ankündigung, Berichterstattung in den Medien und entsprechenden Posts in Internet-Foren kam es zu diesen Verstößen. Von einem Erfolg möchte ich hier nicht sprechen. Vielmehr scheint mir der Bedarf an Überwachung leider gegeben", sagt Köckritz. (anv)

Amberg17.07.2018
Die Lichtschranke gibt das Signal für den Blitzer.
Der Messtechniker des Zweckverbands für kommunale Verkehrssicherheit bekommt die Geschwindigkeit jedes Fahrzeuges, das den Blitzer passiert, angezeigt. Schon nach einer Dreiviertelstunde hat er zehn Fahrzeuge mit Geschwindigkeitsüberschreitungen aufgezeichnet.
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