Der Oberpfälzer schildert im Podcast die Ereignisse der Tatnacht und den schleichenden Prozess der Posttraumatischen Belastungsstörungen
"Jeder fiebert im Krimi mit, aber selber in der Situation will keiner sein", sagt der Mann aus der Oberpfalz, als er seine Geschichte erzählt. Es ist eine Geschichte, in die er unfreiwillig geraten ist und in der er sich später selbst verlieren wird. "Ich möchte anonym bleiben, um zu viel Trubel um meine Person zu vermeiden", sagt er. Ihm gehe es um die Sache. Er möchte aufklären und mit seinem Schicksal anderen Betroffenen vielleicht eine Hilfe sein. Aber so viel sei verraten: Der Mann stammt aus dem direkten Verbreitungsgebiet von Oberpfalz-Medien.
Seine Geschichte beginnt Anfang Juli im Jahr 2020, als die Corona-Beschränkungen weiter gelockert wurden. "Wir haben die Zeit genutzt", sagt der Mann. Er meint damit sich und seine Freunde. Zusammen waren sie in Weidens Altstadt unterwegs, es war ein typischer Sommerabend. Eine halbe Stunde vor Mitternacht ging es für den Oberpfälzer dann heim. Der Mann hatte noch Hunger, er machte sich in der Küche etwas zu Essen und blätterte etwas in einer Ausgabe von "Der neue Tag". Und plötzlich: Geräusche. Hatte er sich nur geirrt? Stille. "Dann waren die Geräusche wieder da." Sie kamen aus dem Wohnzimmer. Er ging ihnen nach.
"Tür auf, Licht an, dann ist da wer." Ein Mann war im Wohnzimmer, ein Fenster aufgebrochen: Ein Einbrecher, ertappt auf frischer Tat. "Er war im ersten Augenblick verwirrter als ich", erinnert sich der Oberpfälzer. Der Täter sei nicht maskiert gewesen, wirkte eher planlos. Im Gang will der Hausbesitzer die Polizei anrufen, gibt dem Einbrecher damit gleichzeitig die Möglichkeit zu flüchten. Doch dieser suchte nicht das Weite, sondern die Konfrontation.
"Voll auf Angriff"
Beide standen sich nun im Gang gegenüber. Circa zweieinhalb Meter entfernt. Als der Oberpfälzer zu wählen begann, erklang ein Tastenton. In diesem Moment schnappte sich der Täter eine Schere von einer Kommode und drohte zuzustechen. Nun folgten Sekunden, die das Einbruchsopfer in den kommenden Monaten noch sehr beschäftigen sollten. "Ich kann jetzt nicht abhauen, zum Schluss haut er mir die Schere in den Rücken", war einer der vielen Gedanken, die dem Oberpfälzer in diesem Moment durch den Kopf schwirrten. Er fühlte sich in die Ecke gedrängt, beschreibt diese Sekunden als völligen Kontrollverlust. Alle Schalter seien gefallen. Also ging nun das Einbruchsopfer "voll auf Angriff" und stürmte auf den Eindringling zu. Dieser erschrak und entschied sich doch für die Flucht. Der Tastenton erklang noch zwei weitere Male. Der Hausbesitzer hatte nun die 110 gewählt.
Die Geschichte hat ein vermeintliches Happy-End. Die Polizei konnte den Täter noch in dieser Nacht festnehmen. "Ich bin gut aus der Sache rausgekommen, rein materiell und körperlich betrachtet", sagt das Opfer. Der Sachschaden wurde von der Versicherung übernommen. Der Täter wurde im November 2020 vom Amtsgericht Weiden wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in Tateinheit mit versuchter Nötigung und Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. "Aber das ist nicht alles", erklärt das Einbruchsopfer.
Der Oberpfälzer ist eigentlich ein Mann, der voll im Leben steht. Er arbeitet im technischen handwerklichen Bereich – löst Probleme ganz pragmatisch, er denkt eben logisch. Und so versuchte er auch dieses Ereignis zu verarbeiten. Er war zum Tatzeitpunkt Ende 20, hatte gerne Menschen um sich. Grillen, Feiern, gemütliches Kochen. Doch er sollte sich verändern.
Es begann schon in den Nächten danach. Er hörte Geräusche in seinem Haus. Ihm wurde schnell klar: Er bildet sie sich ein. Er versuchte, das Problem pragmatisch zu lösen. Seine Schussfolgerung: Die ganze Sache arbeitet einfach noch in mir. Mit dieser Erklärung konnte er wieder beruhigt einschlafen. "Aber eigentlich hätte es mich vorwarnen sollen, auf das, was da noch kommt."
Diagnose nach elf Monaten
Was noch kam, war ein schleichender Prozess. Der Mann stand immer mehr neben sich. Wenn er an die Tatnacht erinnert wurde, arbeitete es in ihm. Gespräche mit dem Gutachter oder der Prozess seien richtige Tiefpunkte gewesen. Er wurde unkonzentriert, war ständig abgeschlagen, müde, gestresst. Er hat funktioniert – gerade noch so. Elf Monate nach der Tatnacht kam die Diagnose: Der Mann leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund des Einbruchs.
Diese Gedanken, die in einem arbeiten, seien Nachhall-Erinnerungen, sagt Felix Buchner. Er ist Psychologe und Psychologischer Psychotherapeut bei der Caritas-Beratungsstelle für seelische Gesundheit in Weiden. Man dürfe sie sich aber nicht als reine Erinnerungen vorstellen. "Das ist schon eine Schippe mehr." Buchner spricht von "impulsiven Erinnerungen". Sie werden durch Trigger verursacht, die einen Zusammenhang zum Auslöser-Erlebnis haben. Diese Trigger können theoretisch alles sein – auch Gerüche oder Kleidungsstücke.
"Man versucht immer, zu kommunizieren", sagt das Einbruchsopfer. Doch er sei auf Unverständnis gestoßen. "Die Leute können einem nicht wirklich folgen, weil sie diese Situation noch nicht hatten." Das sei auf der einen Seite natürlich gut, dennoch fehlten ihm deswegen die Gesprächspartner, die nur ansatzweise verstehen konnten, wie er sich fühlte.
Zur Orientierung: Im Jahr 2020, in dem es in dieser Geschichte geht, registrierte die Polizei 288 Wohnungseinbrüche in der Oberpfalz. "Bei der Hälfte aller Fälle (143) scheiterte bereits der Versuch. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Wohnungseinbruchs zu werden, ist in der Oberpfalz damit besonders gering", erklärten die Ermittler in ihrem Fazit.
Der Oberpfälzer ist sicher: Es hätte ihm geholfen, wenn er früher Experten aufgesucht hätte. Doch rund sieben Monate habe es erst einmal gedauert, bis er überhaupt wusste, was mit ihm los sei. Und mindestens genauso lange habe es gebraucht, bis es wieder besser geworden ist. Nun geht es ihm wieder gut. Aber der Mann zieht ein trauriges Fazit: "Ich habe über ein Jahr von meinem Leben verloren."
Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
- Belastende Gedanken: Das Trauma wird von den Betroffenen immer wieder durchlebt. Oft kommen sehr deutliche Erinnerungen hoch, die sich nicht verdrängen lassen.
- Übererregbarkeit: Menschen mit einer PTBS sind oft in einer Art ständiger Alarmbereitschaft. Sie schlafen schlecht, können sich nicht gut konzentrieren, sind reizbar und impulsiv. Außerdem reagieren sie sehr stark auf Reize, die sie an das Geschehene erinnern, wie bestimmte Gerüche, Geräusche oder Bilder.
- Vermeidungsverhalten: Die betroffenen Menschen vermeiden unter anderem Situationen, Orte oder Menschen, die mit dem Erlebten in Verbindung stehen. Das betrifft auch bestimmte Aktivitäten, Gedanken oder Gespräche. Manche Menschen mit PTBS ziehen sich zurück.
- Negative Stimmungen: Bei vielen Betroffenen ist das Vertrauen in sich und andere erschüttert. Ihr Selbstwertgefühl nimmt oftmals stark ab, sie empfinden sich als schwach und ohnmächtig.
Quelle: IQWiG
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.