Gefeiert wird von Freitag bis Montag. Ihr Ruf ist legendär – der der Flosser Kirwa. Der ländliche Burschenverein Floß organisiert die Kirwa am Festplatz bei Oberndorf, auf die über das ganze Wochenende gut 10 000 Leute kommen, um zu feiern. "Das ist wie die fünfte Jahreszeit, wenn in Floß Kirwa ist", sagt Christian Kunz, der Vorsitzende des Burschenvereins. Insbesondere der Frühschoppen am Kirwa-Montag sei etwas Besonderes in Floß. Das ganze Dorf kommt zusammen und feiert gemeinsam. "Am Montag hat ganz Floß geschlossen, obwohl das ein normaler Arbeitstag ist", sagt Stefan Bodensteiner, Schriftführer des Vereins.
Zwar werde die Pflege von Bräuchen im ländlichen Raum höher gehalten, als in der Stadt, aber richtig bewusst sei den Gästen der christliche Hintergrund der Kirwa nicht, meinen die beiden Vereinsmitglieder. Den Brauch der Kirwa zelebriert in der Oberpfalz jede Gemeinde am Jahrestag der Weihe ihrer Kirche. Lediglich das Tragen von Tracht werde in Floß hochgehalten, erklärt Kunz: "Da fällt man eher auf, wenn man kein Dirndl und keine Lederhosen trägt." Kirwa-Bräuche, wie das Aufstellen vom Kirwabaum oder das "Austanzen" gibt es in Floß nicht, diese seien vermehrt im Raum Amberg verbreitet, erklärt Bodensteiner. Die Flosser Kirwa hat eher Eventcharakter.
Baum aufstellen von Hand
In Wernberg-Köblitz organisiert ein Kirwa-Verein die dortige Kirwa am Festplatz neben dem Wernberger Sportheim. "Der Verein ist eher so aus einer Gaudi heraus im Wernberger Sportheim entstanden", erklärt der Vorsitzende Max Geitner. Denn die Kirwa feierten die Wernberger früher in eben diesem Sportheim. Seit gut zehn Jahren wird die Wernberger Kirwa nun so gefeiert, wie heute noch. Rund 5000 Menschen besuchen die Kirwa über das Wochenende hinweg.
Seitdem der Marktplatz renoviert wurde, wird dort am Kirwasamstag der Kirwabaum aufgestellt. In Wernberg, wenn es das Wetter zulässt, noch von Hand. Außerdem wird der Baum vom Kirwaverein zurechtgeschnitzt und am Samstag mit einem Pferdegespann zum Aufstellen an den Marktplatz gebracht. Der Kirwaverein lege großen Wert darauf, dass Kirwa-Bräuche erhalten werden, sagt Geitner und so wird auch die Wernberger Kirwa gefeiert.
Hälfte kennt Herkunft des Brauchs
Auch das Austanzen des Baums von den Kirwapaaren steht in Wernberg noch im Fokus, geschuhplattelt wird ebenfalls. Während die Bräuche im Verein hochgehalten werden, schätzt Geitner, dass nur circa die Hälfte der Besucher weiß, worauf der Kirwa-Brauch zurückgeht. "Die Älteren wissen aber in der Regel schon, woher die Kirwa kommt", berichtet er und ergänzt: "Wir haben in Wernberg nicht nur junge Leute da, das ist komplett querbeet durch alle Altersgruppen." Am Kirwasonntag gibt es neben dem Austanzen einen traditionellen Festzug der Wernberger vom Marktplatz zum Festzelt, wo dann anschließend der Zeltgottesdienst stattfindet.
In der Oberpfalz werden weit über 200 Kirwafeste zelebriert, erklärt Manuel Trummer von der Universität Regensburg. Das Wort "Kirwa" kommt von eben dem Wort Kirchweihe und hat sich durch den Oberpfälzer Dialekt weiterentwickelt. In anderen Teilen Bayerns spricht man deshalb auch nicht von der Kirwa, sondern von der Kärwa, der Kirta oder der Kirb.
"Eigene Kirwa ist die schönste"
Im Landkreis Amberg-Sulzbach wird der Brauch der Kirwa mit am stärksten zelebriert – und am traditionellsten. Über 100 Kirwafeste gibt es alleine im Landkreis. "Die Kirchweihen im Landkreis sind so herausragend, weil es eben so viele gibt", erklärt Kreisheimatpfleger Dieter Kohl, der sich vor allem um Kirchweihen und Volkstänze kümmert. Eines ist ihm wichtig: "Es gibt keine schönste, wichtigste und bedeutendste Kirwa im Kreis, die eigene Kirwa ist immer die wichtigste und die schönste." Denn das schaffe eine lokale Identität und Selbstbewusstsein. So sind sowohl die Flosser stolz auf ihre "Event-Kirwa", als auch die Wernberger auf ihre traditionellere Kirwa.
Kirchweihen gibt es seit dem vierten Jahrhundert in ganz Europa. Die erste Weihe in Deutschland ist aus dem 10. Jahrhundert in Mainz bekannt. Über die Zeit entwickelte sich der Brauch der Kirwa immer weiter, hin zu Märkten und schließlich hin zu Feiern. "Die heutige Kirchweih hat wenig mit der mittelalterlichen zu tun", stellt Manuel Trummer, Kulturwissenschaftler der Uni Regensburg, fest. Selbst die traditionellen Kirwafeste, wie die Wernberger Kirwa, haben also wenig mit dem Ursprung der Kirwa zu tun. Allerdings mehr als zum Beispiel die Flosser Kirwa. Die heute gefeierte Kirwa geht auf die bayerische Kirchweihtradition zurück, die sich im 19. und späten 20. Jahrhundert entwickelte. Vor allem in der Zeit des Zweiten Weltkriegs zelebrierten die Menschen den Brauch kaum mehr. Dafür gab es anschließend einen regelrechten Kirwa-Boom, da die Heimatpflege sich vermehrt darum bemühte, den Brauch der Kirchweihe wieder auszugestalten.
Gottesdienst ist "Gesetz"
Der Brauch entfernte sich ein Stück von seinen christlichen Hintergründen, ohne vollständig säkularisiert zu werden, betont der Kulturwissenschaftler. So ist der Kirchweihgottesdienst immer noch ein zentraler Punkt des Brauchs. "Egal, wie hart am Abend davor gefeiert wird, der Kirchweihgottesdienst ist ein ungeschriebenes Gesetz", betont Trummer. Selbst in Floß gibt es am Sonntag in der katholischen und der evangelischen Kirche jeweils einen Gottesdienst. "Es geht heute viel mehr um das Zusammenkommen von ganzen Dörfern und von Familien." Für viele Gemeinden sei die Kirwa das wichtigste Fest im Jahr. Regional gibt es bei den Kirwan unterschiedliche Bräuche und Traditionen, was das Fest auch besonders macht. Deshalb unterscheiden sich auch die Wernberger und die Flosser Kirwa so deutlich in puncto Bräuchen.
Außerdem sei der Brauch der Kirwa ein sehr lebendiger und entwickele sich stetig weiter. "Das ist ein Brauch, der sich von unten entwickelt hat und nicht von irgendwelchen Wissenschaftlern und Intellektuellen auf die Gesellschaft gesetzt wurde", unterstreicht der Kulturwissenschaftler. Auch die Flosser und die Wernberger Kirwa entwickeln sich kontinuierlich weiter und wachsen. Denn insbesondere nach zwei Jahren Kirwa-Pause ist das Interesse an den Kirchweihfesten wieder groß – egal ob mit Kirwabaum, Austanzen und Kirwaliesel oder ohne.
Auswahl an Kirwa-Traditionen
- Kirwabaum: Aufstellen am Kirwa-Samstag, Austanzen des Baums von Kirwa-Paaren
- Kirwaliesel: schön dekorierter Bierkrug, meist Zwei- oder Drei-Liter-Krüge
- Kirwabär: geht von Tür zu Tür und bekommt Schnaps; wird "gejagt"
- Kirwasau: Kirwajunge, der während der Kirwazeit am meisten Bier getrunken hat
- Küchl/Ausgezogne: Gebäck aus Hefeteig, in Butterschmalz ausgebacken, mit Puderzucker bestreut, rund oder eckig
- Kirwa ausgraben/beerdigen:Schnapsflasche wird ein- /ausgegraben
- Geldbeutel waschen:nach Kirwawochenende leerer Geldbeutel wird in Trog gewaschen
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