Unser Ministerpräsident war in Sulzbach-Rosenberg. Markus Söder schaute sich die frisch sanierte Walter-Höllerer-Realschule an. Für die Sulzbach-Rosenberger Zeitung (SRZ) und die Amberger Zeitung (AZ) mit dabei: Redakteur Tobias Gräf. Er schrieb nicht nur über die Stippvisite, er kommentierte sie auch. Bericht und Meinungsbeitrag – sauber getrennt, so wie’s sein soll.
Gräf begann seinen Kommentar mit den Sätzen: „Wie sehr Markus Söder Medienprofi ist, beweist er dieser Tage mit einer irrwitzigen Diskussion um die Fortführung der Kernkraft in bayerischer Landesverantwortung. Beim Besuch in Sulzbach-Rosenberg spielten seine unrealistischen Atomforderungen zwar glücklicherweise keine Rolle, hier standen die 33 Millionen Euro schwere Generalsanierung der Walter-Höllerer-Realschule und der Neubau der Turnhalle im Fokus.“ Es sei zwar auch um Schule und Bildung oder Digitalisierung gegangen, merkte der Autor an, aber doch vorrangig um eines: Söder selbst. „Ihn interessiert vor allem die Landtagswahl am 8. Oktober“, befand Gräf. Für ihn war Söders Auftritt in erster Linie Wahlkampf.
Prompt bekam Tobias Gräf elektronische Post von einer Leserin aus dem Landkreis Amberg-Sulzbach. „Mit Verwunderung“, so teilte sie mit, habe sie seine Meinung zur Kenntnis genommen. Wörtlich hieß es in der Mail: „Man mag zu Herrn Söder stehen wie man will, das ist jedem selbst überlassen. Allerdings sollte gerade eine Zeitung neutral bleiben und auf die persönliche Meinung eines Mitarbeiters verzichten. Mich wundert es inzwischen nicht mehr, dass immer mehr Leser ihr Abonnement kündigen, was auch ich tun werde. Ihre persönliche Meinung können Sie im privaten Bereich gerne äußern, hat in einer Zeitung aber nichts zu suchen, schade, dass sich die Amberger Zeitung so entwickelt.“
"In der Zeitung nichts zu suchen"
Redakteur Gräf antwortete der Leserin unter anderem: "Das mit der persönlichen Meinung stimmt so nicht ganz. Ein Kommentar ist ein Meinungsbeitrag eines Redakteurs, er enthält von seinem Wesen her somit immer die subjektive Ansicht des Autors. Zudem soll er bewusst pointiert formuliert sein, um eine Debatte anzustoßen und den Leser anzuregen, sich eine klare, eigene Meinung zu bilden. Der Artikel selbst wiederum hat den Anspruch, neutral zu sein, aber möglichst auch keine relevanten Fakten zu verschweigen. Diesem Anspruch nachzukommen, habe ich mich bemüht."
Die Leserin ließ den Kollegen daraufhin wissen, sie sei "nach wie vor der Ansicht, dass die persönliche Meinung eines Redakteurs in der Zeitung nichts zu suchen hat, diese sollte neutral sein." Sie fügte noch hinzu: "Aber wie Sie schon schreiben, sie soll ein Denkanstoß für die Leser sein. Das hat geklappt, ich habe mein Abonnement umgehend gekündigt." Gräf wandte sich erneut an die Leserin und verdeutlichte dabei: "Es wird auch künftig Kommentare in unserer wie in jeder anderen Zeitung geben, sie gehören zu einer unabhängigen Berichterstattung dazu und sind der Wesenskern einer pluralistischen Debattenkultur. Selbstverständlich steht es Ihnen zu, diese Meinung zu teilen oder gänzlich anderer Ansicht zu sein. Das ist ja wie in jedem Gespräch oder jeder Lebenssituation - man stimmt zu oder ist dagegen. Allerdings kann man natürlich nicht erwarten, dass es fremde, anderslautende Meinungen nicht gibt, nur, weil man diesen selbst nicht zustimmt."
Kurz im Presserechts-Lexikon der Initiative Tageszeitung geblättert. Was sich dort unter dem Stichwort "Meinungsfreiheit" nachlesen lässt, finde ich im Zusammenhang mit der Korrespondenz des Kollegen Gräf und der Leserin erwähnenswert: "Meinungsfreiheit lässt sich zwar ohne Demokratie denken, nicht aber Demokratie ohne Meinungsfreiheit. Eine demokratisch pluralistische Gesellschaft braucht die Meinungsvielfalt und die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Meinungen."
"Verbreitetes Missverständnis"
Zum Thema passend erscheint mir auch, was die bekannte ZDF-Journalistin Dunja Hayali unlängst gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) in einem Porträt geäußert hatte. Es sei ein "verbreitetes Missverständnis", dass Journalisten "gefälligst auf einen eigenen Kompass zu verzichten hätten und alles andere unzulässige, volkspädagogische Übergriffigkeit sei". Selbstverständlich, betont Hayali, "ist es bei der Bewertung und Beleuchtung der Welt zulässig, eigene Moral ins Spiel zu bringen."
Besorgt sei sie über das Verschwinden der Streitkultur, erklärte Hayali gegenüber dem RND, "dass Menschen keinen Widerspruch mehr ertragen und glauben, wenn man ihnen ein Argument entgegenhält, wolle man ihnen gleich die Meinungsfreiheit nehmen. Es geht nur noch um rechts/links, entweder/oder, Gleichgesinnter oder Feind, Ideologie oder Moral. Was ist mit Grautönen, dem Konsens, dem Kompromiss? Wir müssen lernen, mit Mehrdeutigkeiten zu leben."
Beitrag zur Meinungsbildung
Ich wiederhole hier gerne das, was ich in den vergangenen Jahren bereits auf anderen Leseranwalts-Seiten über Zeitungskommentare geschrieben habe: Sie geben ausschließlich die Meinung des Verfassers oder der Verfasserin wieder, also weder die der Redaktion noch des Verlagshauses. Ein Kommentar darf durchaus einseitig sein, provokant formuliert, er darf ruhig mal überspitzen. Wenn ein Journalist einen Kommentar verfasst, dann wünscht er sich, dass die Leser sich mit seinen Ansichten auseinandersetzen und vor allem eines tun - sich eine eigene Meinung bilden.
Der Kommentar ist eines der wichtigsten Instrumente in der täglichen redaktionellen Arbeit. Er ergänzt ein Thema um die Gedanken und Eindrücke des Autors und will, wie bereits erwähnt, zum Nachdenken und zur Diskussion anregen. Damit erfüllt ein Kommentar eine überaus wichtige Funktion: Er trägt zur öffentlichen Meinungsbildung bei. Meinungsbeiträge in den Medien sind durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.
Übrigens, es gab auch zwei völlig andere Reaktionen auf den Kommentar von Tobias Gräf. "Respekt für die mutige Meinung zu Söders Stippvisite", schrieb ein Leser, der sich gleich "mehr solche Meinungsäußerungen" wünschte. Ein weiterer Leser machte prompt die Kündigung des Zeitungs-Abos rückgängig. Seine Worte lauteten: "Der Redakteur hat mich überzeugt! Respekt! Kommentator schreibt die Wahrheit über Söder!"
Hallo liebes Onetz,
die Welt ist nicht mehr so frei wie wir es noch vor 10 oder 20 Jahren hatten. Wir haben uns in eine Situation gebracht die man jetzt nur noch schwer auflösen kann.
Themen wurden totgeschwiegen oder gar als TABU stigmatisiert, z. B. Coronaimpfung Freiwilligkeit oder eben auch das man die laufende Migrationspolitik (seit 8 Jahren) nicht für gut heißen kann.
Leuten wurde ein Stempel aufgesetzt und das polarisiert. So wie im man in den Wald rein ruft so kommt es eben zurück, heißt es doch. Immer wenn die "Großen" Ihre Meinung manifestierten wurde ein Stück Freiheit getötet und das ist eben das Resultat.
Es liegt eben auch ein Stück an der Politik selbst sich neu zu denken oder wie man so schön sagt "mal das Gas raus nimmt und nicht ständig auf der Überholspur ist". Toleranz bedeutet eben auch einen Kompromiss zu finden sich von Fakten auch mal überzeugen zu lassen und nicht stur an einer Lobby hängt, siehe Cannabis - Alkohol - Diskussion.
Deshalb ist auch aktuell unser Ministerpräsident ein gutes Beispiel wie man polarisiert. Ob man das gut oder schlecht findet bleibt eben jeden selber überlassen, jedoch kann man seine Zustimmung oder Ablehnung im Wahllokal dieses Jahr lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Malzer
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