Ihre rostroten Haare sind zu einem Ballettdutt hochgesteckt. Eine goldene Brille auf ihrer Nase untermalt die blauen Augen. Sie glänzen. Am Abend vor dem Inthronisationsball im Januar ist die Aufregung groß. Nach drei Jahren Pause sind die Abläufe dennoch routiniert. Beim Akkord-Schminken drückt Alessa Förster (22), die Trainerin der Prinzengarde, mit spitzen Fingern die Wangen eines Mädchens zusammen. Eine von vielen. "Puh, ich bekomme noch Muskelkater von dem ganzen Rumstreichen", sagt sie und kleistert weiter. Nicht ruppig, aber bestimmend. Mit einem Schwamm trägt sie orangefarbenes Make-up in mehreren Schichten auf die noch jugendlichen Gesichter auf. Die Mädchen der Prinzengarde stehen in einer Reihe vor ihrer Trainerin. In einem Raum vollgepackt mit Schminkkoffern, Perücken und Kostümen, freuen sie sich darauf, durch die Schminke erwachsener zu wirken. Grimassen schneidend deutet Förster den Gardemädchen an, welche Gesichtszüge als nächstes übermalt werden müssen. Immer wieder huscht ihr ein Lächeln über die Lippen: "Wie lange wir darauf gewartet haben. Ich bin so aufgeregt." Dieser Satz fällt am Abend der Generalprobe, vor Beginn der offiziellen Auftritte, mehrmals.
Doch von Aufregung ist in den routinierten Bewegungsabläufen kaum etwas zu erkennen. Wie Kunstwerke reichen die drei Trainerinnen die Mädchen der Garde weiter. Eine macht das orangefarbene Make-up, die Nächste formt mit Puder und Rouge die Feinheiten und zu guter Letzt schminkt eine die Augen, bis sie zum stechenden Mittelpunkt der Gesichter werden. Anfangs scheinen die Gesichter individuell, im Nachhinein gleichen sie allesamt Barbie-Puppen. Als seien sie aus der gleichen Produktion entsprungen.
Workouts über Zoom
Drei Jahre trainierte die Prinzengarde des Neustädter Faschingsvereins ohne Perspektive. Die Pandemie hat das Vereinsleben zwar hinsichtlich öffentlicher Auftritte lahmgelegt, doch die Trainingseinheiten gehörten nach wie vor zum Alltag der Mädchen. Workouts über Zoom sicherten die Grundfitness. Und nun, am Abend vor dem Inthronisationsball, bebt die Decke über den Umkleiden im Kellergeschoss vom Bass der Musik. Es quetschen sich unzählige überglückliche Personen aneinander vorbei und suchen sich im Getümmel einen Platz zum Mitsingen und Verkleiden. Förster steht im letzten Raum. Davor befinden sich zwei weitere überfüllte Räume.
Die Aufregung vor dem Auftakt
Seit 15 Jahren gehöre dieser Moment zu einem ihrer liebsten. Die Aufregung vor dem Auftakt. Das Training sei diesmal länger und intensiver gewesen. "Durch die große Lücke steigt die Aufregung noch einmal mehr. Und dieses Jahr stehe ich zum ersten Mal nicht auf der Bühne, sondern ziehe hinter den Kulissen die Fäden." Sie versuche das Beste aus ihrer Garde zu holen. Als sie 14 ist beginnt sie mit Herzblut mit der Prinzengarde zu trainieren. Eigentlich dürfe man das erst ab 16. Doch sie lebt seitdem sie ein Kleinkind ist, für die Momente im Rampenlicht. Auch der Showtanz erfüllt sie. "Die ausgefallenen Kostüme - einfach wunderschön", sagt sie mit einem Funkeln in den Augen, das womöglich nur Faschingsfreunde nachempfinden können. "Man lebt das ganze Jahr für den Fasching. Die meisten wirken verdutzt, wenn ich sage, dass eigentlich nur die Fastenzeit eine faschingsfreie Zeit ist", sagt sie. In dieser kurzen Zeit rekapituliere sie die vielen Eindrücke der Feiern. Und jedes Jahr wieder empfinde Förster Vorfreude, wenn sie an den Start der neuen Saison denke.
Der Moment, der die Liebe entfachte
Eigentlich habe sie anfangs als Kind keine Lust gehabt, in einer Garde zu tanzen. Obwohl ihre Mutter stets darauf bedacht gewesen sei, denn in Neustadt ist der Fasching etwas ganz Besonderes. Es gebe einen Moment, der die Liebe dann doch entfacht habe. Sie war bei ihrer besten Freundin. Diese habe kurz zuvor begonnen, bei der Kindergarde zu tanzen. Förster sah das Kostüm, fand es schön. "Am Anfang wollte ich es nicht anziehen. Ich stand mit tränenüberströmtem Gesicht vor einem Spiegel. Betrachtete mich. Noch während ich schluchzte, wollte ich nichts sehnlicher als zu tanzen und diese Kleider tragen."
Die schwarz-weiß-roten Garde-Outfits der 13 Mädchen schmiegen sich wie maßgeschneidert an die Oberkörper und stoppen abrupt unter dem Po. Die Stumpfhosen darunter: blickdicht und reißfest. Man spürt das Adrenalin in dem stickigen Kellerraum. Die Gardetrainerin ist von 13 Mädchen umgeben, die sich wegen ihrer Perücken, der Schminke und den Kostümen kaum unterscheiden lassen. Sie singen in ausgelassener Stimmung und schwingen mit den Hüften.
Fasching im Blut
Ob als Kinderprinzessin oder Teil verschiedener Tanzgruppen, der Neustädter Fasching fließt seit frühester Kindheit in Försters Adern. Der Verein prägt sie wie kaum eine andere Sache im Leben. Über Jahre hinweg haben sich Freundschaften gefestigt. "Man gehört zu einer Gruppe. Jede Altersgruppe hat ihre Aufgabe. Ich habe früh gelernt, meine Rolle einzunehmen. Und weiß, was es bedeutet, sein Gardelächeln einzusetzen", sagt sie. Eine wichtige Eigenschaft, die ihr in so mancher Situation weitergeholfen habe.
Der Traum jedes Mädchens
Schüchtern blicken kleine Mädchen der Kindergarde aus dem Nebenraum herüber. Die Münder geöffnet, die Augen groß. "Irgendwann dürft ihr auch in diesem Raum stehen", sagt Förster und bückt sich zu den Kleinen hinunter. "Die Prinzengarde ist der Traum eines jeden Mädchens. Es ist eine Ehre dabei zu sein, und ich darf sie trainieren." Die Vorbereitungen haben sich gelohnt. Nun beginne die schönste Phase im Jahr für die Trainerin. Man lebe das ganze Jahr über für diese Zeit. Förster verschwindet nach dieser Schwärmerei in der Menge. Zu viele bekannte Gesichter. Gespräche über Erinnerungen und darüber, was nach den Jahren ohne Auftritte nun endlich alles passieren wird.
Verein Neustädter Faschingszug
- 14. Februar 1878: Maskenumzug als erstes bekanntes Event
- 1934: Vereinsfahne mit dem Schwarzen Kater
- 15. November 1950: Vereinsgründung
- Heute: Knapp 500 eingetragene Mitglieder
- faschingsverein-neustadt.com
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