Erinnerst du dich noch an deine Kindheit? Als die Zeit so oft nicht vergehen wollte? Als Zeit etwas scheinbar Unendliches war? Ich kann mich noch gut erinnern. Die Tage vor Weihnachten fühlten sich an wie Jahre, die Wochen vor dem Urlaub am Meer unter Palmen wie ein ganzes Leben. Warten … während sich die Uhr rückwärtszudrehen schien. Das Warten hat angehalten – auch in meiner Jugend. Warten auf die erste Party, den ersten Wochenendtrip mit Freunden, den ersten Kuss. Warten auf den Führerschein – und die langersehnte Unabhängigkeit. Ich habe auf so vieles gewartet. Und die Zeit lief weiter langsam. Natürlich. Als Teenager hat man schließlich noch sein ganzes Leben vor sich. Damals konnte ich nicht erwarten, was es alles für mich bereithalten wird. Noch immer meldet sich manchmal das ungeduldige, nörgelnde Kind in mir, dass so ungern wartet.
Allerdings hat sich heute etwas grundlegend geändert. Die Zeit hat Fahrt aufgenommen. Je älter ich werde, desto mehr merke ich, dass sie nicht unendlich ist. Vor kurzem habe ich meine Autoversicherung erneuert. Eine der Fragen lautete: Seit wann haben Sie Ihren Führerschein? Ich habe nachgerechnet – und konnte es nicht glauben. 13 Jahre. Ähnlich geht es mir, wenn ich in die großen Augen meines kleinen Mopses blicke. Ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen, als Mathilda bei mir einzog. Diese Handvoll Mops. Heute ist sie sechs Jahre alt … und wieder frage ich mich: Wo ist die Zeit hingekommen?
Auch die Zeit, die uns frei zur Verfügung steht, wird weniger. Wir haben Verpflichtungen, verbringen Tag für Tag Stunden in unserer Arbeit, koordinieren Termine, erstellen präzise Pläne, um allen Aufgaben gerecht zu werden. Und wir merken: 24 Stunden … sind oft nichts. Ich denke oft an meine Jugend, in der es nicht schlimm war, wenn der Wecker nicht um 6 Uhr morgens klingelte, sondern einfach stumm blieb und ich schlafen konnte, solange ich wollte. Warum auch nicht? Schließlich hatte ich keinen Zeitdruck. Bis mein „Leben in den Tag hinein“ schleichend von strikten Zeitplänen ersetzt wurde. Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Das gehört zum Erwachsenwerden dazu. Und es ist auch nicht schlimm. Wir übernehmen Verantwortung für uns und andere. Wir gewöhnen uns an neue Gewohnheiten, den täglichen Stress und lernen, mit der wenigen Zeit zu jonglieren. Du kennst das sicher, eine alltägliche Situation: Raus aus der Arbeit, schnell in den nächsten Supermarkt mit einer Einkaufsliste, die du dir kurz vorher hektisch zusammengeschrieben hast. Anschließend nach Hause, umziehen – und dann ab in die Stadt, um sich noch für eine Stunde mit Freunden zu treffen. Auch ich kenne das zu gut. Und den Gedanken, der mir dabei so oft in den Sinn kommt: „Kann bitte jemand die Zeit anhalten?“
Zeit ist etwas Wertvolles geworden. Wenn du mich fragst, was ich mir wünsche? Ganz klar. Mehr Zeit. Mit den Menschen, die mir wichtig sind. Zeit für schöne Gespräche, gemeinsame Abenteuer, für alles, was mich erfüllt. Wir können die Zeit nicht aufhalten, sie nicht entschleunigen. Auch das gehört zum Leben. Doch wir können uns unsere persönliche Zeit verschaffen. Die, die nur uns gehört. Momente, die frei von Druck, Hektik und dem permanenten Ticken der Uhr sind. Noch immer fühlt es sich manchmal fremd an, meine Freizeit strikt koordinieren zu müssen. Doch diese kleinen Freiräume, diese erholsamen Auszeiten sind wichtig. Deshalb habe ich feste Rituale entwickelt. Ich habe mir einen Tag in der Woche genommen, an dem der Zeitdruck nicht mich bestimmt, sondern ich die Zeit so nutze, wie ich es will. Stundenlang in der Sonne sitzen und Kaffee trinken, neue Waldlaufwege testen, in einem guten Buch versinken. Eben das, worauf ich gerade Lust habe. Jetzt frage ich dich: Erinnerst du dich noch an den Moment, in dem du dir nur Zeit für dich genommen hast? Nein? Das ist nicht schlimm. Dann ist genau jetzt die richtige Zeit dafür.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.