LEO Blog: Los, sei du selbst

Oberpfalz
06.12.2021 - 11:50 Uhr

Wer bist du? Nein, ich will keine äußerliche Beschreibung hören. Ich will wissen, wer du wirklich bist. Welche Eigenschaften dich ausmachen, dich einzigartig machen? Eine schwere Frage? Keine Sorge, mir ging es vor einiger Zeit genauso ...

Warum verstellen, wenn es doch so schön sein kann, einfach du selbst zu sein.

Erst einmal stand ich vor der Frage, warum es mir so schwerfällt, mein Innerstes zu definieren. Das, was mich ausmacht, zu formulieren. Die Antwort darauf ist einfach. Weil wir schon unser Leben lang gewohnt sind, uns anzupassen, um gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Vorgeschriebenen Schönheitsidealen, Rollenklischees. Wir alle schwimmen im Strom der scheinbar erwünschten Gleichheit und Identitätslosigkeit. Schein dominiert das wahre Sein. Doch das ist falsch.

Natürlich liegt es in der menschlichen Natur, gefallen zu wollen. Gemocht zu werden. Anerkannt zu sein. Auch ich schätze das. Aber nicht mehr um jeden Preis. Ich erinnere mich an meine Kindheit. An das Gefühl, völlig frei zu sein. Die Zeit, in der ich nicht darüber nachgedacht habe, welche Kleidung ich anziehen sollte, um zu gefallen, wie ich mich verhalten darf, um nicht kritisiert zu werden. In der ich keinen Gedanken daran verschwendet habe, wie ich auf andere wirken könnte. Das änderte sich in meiner Jugend. Schulzeit, viele Freunde, die ersten Verpflichtungen – und die Erkenntnis, dass der perfekte Schein in der Gesellschaft dominiert. Plötzlich war es wichtig, welche Klamotten ich trage, ob ich mich angemessen verhalte, wie ich Erwartungen möglichst perfekt erfülle. Meine Freiheit wich Ansprüchen wie „Mach das nicht. Was sollen denn die anderen von dir denken“ und „Zeig dich von deiner besten Seite. Du willst doch Erfolg haben“. Bekannte Sätze, nicht wahr? Ich habe angefangen, in Rollen zu schlüpfen. Viele verschiedene, um genau dem Bild zu entsprechen, das gerade von mir erwartet wurde. Die eifrige Schülerin, die immer gut gelaunte Freundin, das püppchenhafte, charmante Mädchen, das stundenlang an ihrem Make-up gearbeitet hat. Ich habe mich angepasst und dabei verlernt, mich zu hinterfragen. Ich war damit nicht alleine.

Als ich erwachsen wurde, veränderten sich diese Rollen. Doch sie blieben. Und mit ihnen die Unsicherheit. Du kennst das sicher: Wie oft lassen wir uns durch Blicke anderer und unbedachte Äußerungen verunsichern? Wie oft zweifeln wir an uns – aus Angst, scheinbare Angriffspunkte zu bieten? Wir legen Wert auf die Meinung anderer und stellen nie in Frage, wie egal sie uns doch sein könnte. Setzen falsche Prioritäten und lassen uns von Scheinwelten blenden. Ich kenne das zu gut. Ich erinnere mich, dass ich mich oft gefragt habe: Wie musst du sein, um erfolgreich zu werden? Um in der Gesellschaft zu bestehen? Am Ende stand immer das Ergebnis: Anpassung. Also habe ich meine Rollen weitergespielt. War in Situationen ernst, in denen ich gerne lauthals gelacht hätte. Habe meine Emotionen für mich behalten, weil alles andere doch scheinbar unangebracht gewesen wäre. Sagte viel zu oft ja, wobei ich eigentlich sagen wollte: Nein. Ich denke, so geht es vielen von uns.

Heute ist das anders. Ich habe die Rollen hinter mir gelassen. Warum? Ich war es leid, jedem ein erwartetes Bild von mir zu zeigen. Ich habe gemerkt, dass ich zu viel Bedeutung in die Meinung anderer gelegt habe, die, objektiv betrachtet, keine Rolle für mich gespielt haben. Und ich habe Menschen kennengelernt, die mich schätzen, wie ich bin. Die hinter meine Fassade blicken. Denen meine Loyalität, mein Wesen und mein Humor wichtiger sind als scheinbare Makellosigkeit. An denen auch ich kleine Schwächen ebenso schätze wie ihre wunderbaren Charaktereigenschaften. Auf deren Meinung ich vertraue, weil ich weiß, dass sie ehrlich ist. Bei denen ich ganz ich selbst sein kann. Es wird Zeit, dass wir uns von Menschen distanzieren, die uns auf Äußerlichkeiten reduzieren. Die sich keine Mühe geben, wirklich herauszufinden, wer wir im Innersten sind. Es wird Zeit, dass wir uns von inszenierten Schönheitsidealen und einer Welt voll Selbstdarstellung und Filter abwenden und endlich wieder zu uns selbst finden. Das macht uns frei. Ich hoffe, du hast jetzt eine Antwort, wenn ich dich noch einmal frage: Wer bist du wirklich?

Oberpfalz30.11.2021
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