Von Elke Summer
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Erinnern Sie sich? An den Juli vergangenen Jahres. Der weiß-blaue Himmel strahlte mit Ihrem bayernblauen E-Bike um die Wette, als Sie mit dem Füracker Bertl (Finanzchef) und dem Herrmann Flori (Staatskanzleichef) von Lupburg nach Kallmünz radelten. „On Tour durch die Oberpfalz“, wie Sie damals bei Facebook posteten. Sie hatten viel Spaß bei Ihrer sportlichen Extratour, im Urlaub dahoam. Und die Oberpfälzer waren ein klein wenig stolz darauf, dass ihre Heimat die medienwirksame Kulisse für Ihren Radlausflug stellen konnte. Einen kurzen Tag lang hat Bayern auf die Oberpfalz geschaut, auf den geographischen Mittelpunkt Europas – und auf Ihre schicke Radler-Kluft.
Hallo, liebe Freunde im Rest des Freistaats,
Nett, dass Ihr mal anruft und fragt, wie es uns geht? Es geht so. Im Osten nichts Neues. Seit Monaten verharren wir im strengen Lockdown, treffen keinen, gehen um 7 Uhr morgens einkaufen, um niemandem zu begegnen. Abends gilt natürlich die strenge Ausgangssperre. Mit den Kollegen konferieren wir nur noch über Teams oder schreiben uns Mails mit Smiley. Und jeden Morgen lähmen die aktuellen Corona-Zahlen: wieder ganz vorne dabei, wieder ein Tag wie jeder andere, wieder keine Hoffnung auf irgendeine Perspektive. Natürlich können wir in der schönen Oberpfalz wandern, radeln, gärtnern, lesen, basteln, kochen und spazieren gehen. Aber auch wir möchten irgendwann mal wieder mehrere Freunde treffen, ins Theater oder Kino gehen, heiraten, shoppen oder im Café sitzen. Dann könnten wir dem Rest der Welt auch wieder berichten, wie liebens- und lebenswert die Oberpfalz ist.
Grüß Gott, Herr Söder,
Nach Ihrer privaten Radltour haben wir Sie in beruflicher Funktion oft wiedergesehen. Im Fernsehen. Im Gespräch mit Talkgästen. Im Kanzlermodus, wie manche sagen. Und immer wieder haben Sie den Eindruck vermittelt, dass Sie als fürsorglicher Landesvater auch die Kinder liebhaben, die nicht unbedingt die pandemischen Musterschüler im Freistaat sind. Die Stadt Weiden zum Beispiel hatte es zwischenzeitlich auf Platz zwei der Spiegel-Bestenliste mit den höchsten Inzidenz-Fällen in Deutschland geschafft. Auch der Landkreis Tirschenreuth kommt nicht heraus – aus den roten Zahlen. Vielleicht können Sie uns da helfen?
Liebe Verwandte und Bekannte aus anderen Landesteilen,
Wie bitte? Ihr kriegt in München, Ingolstadt, Augsburg oder Würzburg gar nicht mit, wie prekär unsere Situation ist. Woher auch? Wir sind aus den Schlagzeilen verschwunden. Oberpfalz, wer? Oberpfalz, langweilig? Oberpfalz, unsexy? Wenn Markus Söder bei Maybritt Illner kurz etwas über die Grenzlandkreise zu Tschechien sagen will, schneidet ihm die ZDF-Talkmasterin pseudo-munter das Wort ab – und keinem fällt’s auf. Uns schon. Wir freuen uns über jedes Wort aus München, nachdem wir von unseren gewählten Volksvertretern vor Ort wenig hören. Nein, liebe Leute, wir wissen nicht, ob die Stadt Weiden mal in München um zusätzliche Schnelltests und Impfdosen für unsere Stadt bittet? Nein, wir können uns auch nicht erklären, warum der CSU-Fraktionschef Benjamin Zeitler zwar Tests und Impfungen für die Stadträte fordert – aber nicht für uns. By the way – ja, genau, das war dieser selbstlose Kämpfer für die regionale Coronahilfe im Kommunalwahlkampf...
Liebe Nachbarn in der Oberpfalz,
Wie geht’s? Heute schon die alles entscheidende Website mit dem sperrigen Namen gelesen?
www.verkuendung-bayern.de
Dort verkündet die Staatsregierung ganz offiziell, dass sich der Wirtschaftsstandort Nördliche Oberpfalz mit all seinen Gastronomen und Einzelhändlern wohl noch gedulden muss. Lockerungen? Nicht bei uns. Nicht in absehbarer Zeit. Im Freistaat Sachsen, der ebenfalls unter hohen Inzidenzen leidet, wird jetzt die Priorisierung beim Impfen geändert. Im Freistaat Bayern auch? Wir funken deshalb nach München: drei kurz, drei lang, drei kurz. SOS – save Oberpfalz soon.
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