Leser missfällt Berichterstattung über Mordversuch in Weiden

Oberpfalz
30.09.2022 - 08:14 Uhr

Schockmomente in der Altstadt von Weiden: Eine Frau attackiert drei Männer mit einem Degen. Ein Leser nennt die Berichterstattung in den Tagen danach „sensationsgeil“. Liegt er damit richtig?

Ein Bild vom Polizeieinsatz in der Weidener Innenstadt nach der Degen-Attacke vom 23. August.

Ein Leser aus Hahnbach, seit Jahrzehnten der AZ beziehungsweise SRZ treu, hat sich ziemlich geärgert "über die sensationsgeile Berichterstattung meiner Zeitung", wie er mir schrieb. Er habe sich "so geärgert, dass ich am liebsten kündigen würde, ja, wenn ich diese, ,meine' Zeitung nicht für unentbehrlich halten würde".

Per Mail teilte der Hahnbacher mit: "Was mich so auf die Palme bringt, ist die nicht nur einmalige, sondern wiederholte Berichterstattung zu dem ,Degenanschlag' in Weiden. Nicht nur seitenlange Berichte zwei Tage hintereinander, sondern auch noch zusätzliche ,Informationen' über das Onetz (das habe ich mir erspart zu lesen) hält die Redaktion für erforderlich, um das sensationslüsterne Publikum auf dem Laufenden zu (unter)halten. Schon nach dem ersten ganzseitigen Artikel habe ich mich an einen Mord(s)bericht aus den 1970ern (?) in Sulzbach-Rosenberg erinnert, in dem auch das Tatmesser abgebildet war, und habe mich gewundert, dass diesmal nicht wenigstens der Degen gezeigt wurde. Prompt wurde dieses ,Versäumnis' dann in der Folgeausgabe (wieder fast ganzseitig) wettgemacht und nicht nur der Degen gezeigt, sondern in einem Kasten auch noch die verschiedenen Formen beschrieben. Es wurde allerdings versäumt, wenigstens auch noch ein paar Blutstropfen oder den noch blutigen Degen zu zeigen."

Leser fordert "sachlicheren Stil"

Er frage sich, so formulierte der Leser weiter, "wofür halten Ihre Redakteure ihre Leser? Für informationsbedürftige Bürger oder für sensationsgierige Voyeure, die diese Art von ,Information' eben brauchen?" Der Hahnbacher Abonnent kritisierte: "In meinen Augen ist das ganz billiger Sensationsjournalismus im Stile der Bild-Zeitung. Der Stil Ihrer Zeitung hat sich in den letzten Jahren ohnehin deutlich in diese Richtung hin ,entwickelt'."

Der Leser schloss mit den Worten: "Weil ich Ihre persönlichen Bemühungen um einen guten Zeitungsstil sehr schätze, meine Bitte, mit Ihren Möglichkeiten auf einen sachlicheren Stil hinzuwirken."

Meine Antwort nachfolgend im Wortlaut: Bei allem Verständnis für Ihren Standpunkt, ich kann Ihre Meinung leider nicht teilen. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es Aufgabe der Medien und in diesem Fall unserer Zeitung ist, die Öffentlichkeit über ein solches Geschehen zu informieren. Es gibt bei den Lesern ein großes Interesse an einer ausführlichen Berichterstattung und journalistischen Einordnung. Zumal es sich, wie am dritten Tag der Berichterstattung Kollege Wolfgang Würth nochmals unterstrichen hatte, um einen Mordversuch handelte, um eine außergewöhnliche und schwere Straftat, die zudem auf offener Straße begangen wurde. Die Frau (65), die am 23. August um die Mittagszeit in der Weidener Altstadt mit einem Degen drei Männer attackiert und zwei davon verletzt hatte, steht laut Staatsanwaltschaft unter dem dringenden Tatverdacht des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Das bedeutet: Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die 65-Jährige ihre Opfer tatsächlich töten wollte.

Die Kollegen, die mit der Berichterstattung befasst waren, haben nach meinem Dafürhalten immer versucht, möglichst nur gesicherte Erkenntnisse weiterzugeben und nicht zu spekulieren - auch im Interesse der Opfer. Die Redaktion ist insgesamt, auch das möchte ich an dieser Stelle betonen, durchaus zurückhaltend vorgegangen. Sie hat gewissenhaft recherchiert, sie hat mit der Polizei gesprochen, sie hat Zeugen zu Wort kommen lassen, sie hat den 23-Jährigen Weidener interviewt, der die 65-Jährige überwältigen konnte und damit womöglich Schlimmeres verhindert hat. Welche Dimension die Tat hatte, unterstreicht auch die Entscheidung der Weidener Kripo, eine 30 Beamte umfassende Sonderkommission (Soko) zu bilden.

Tatwaffen können gezeigt werden

Die Redaktion hat keine Bilder gezeigt, auf denen Spuren der Taten zu erkennen waren. Ein von der Kriminalpolizei zur Verfügung gestelltes Foto des Degens zu veröffentlichen, die Waffe, mit der die Frau die drei Männer angegriffen hatte, ist absolut in Ordnung. Auch in anderen Fällen waren in der Vergangenheit Bilder von Tatwaffen in der Zeitung, solche Aufnahmen sind fester Bestandteil der Berichterstattung.

Es sind auch deshalb mehrere Artikel erschienen, weil es täglich neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Tat gab und es nicht nachvollziehbar gewesen wäre, wenn die Redaktion sie den Lesern vorenthalten hätte.

Wir sind - auch unseren Lesern gegenüber - in der Verpflichtung, entsprechend zu berichten, sowohl in der gedruckten Zeitung als auch im Onetz, in dem Format, das für den jeweiligen Kanal angemessen ist. In der Zeitung sind das Texte und Fotos, im Netz können auch Videos dazukommen. Dabei orientieren wir uns streng am Pressekodex, in dem es unter anderem heißt: "Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden."

Redaktion hat es richtig gemacht

Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, so steht es außerdem im Pressekodex, "wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch." Das haben die Kollegen meiner Meinung nach im Fall Weiden getan. Sie haben über diese Tat sachlich, in angemessener Weise und im notwendigen Umfang informiert. Das war weit entfernt von Sensationsjournalismus.

Deutschland und die Welt17.09.2021
 
 

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