Weiden/Amberg. Wie sich die Zeiten ändern. Vor wenigen Jahrzehnten haderte die Region mit Abwanderung und Jugendarbeitslosigkeit. In den depressiven Wintermonaten herrschte in weiten Teilen der Oberpfalz regelmäßig eine Arbeitslosenquote im zweistelligen Prozentbereich. Heute hat das "Jammern auf hohem Niveau" eine andere Intention: An allen Ecken und Enden - quer durch die Branchen - stellt der Fachkräftemangel das brennende Thema schlechthin in der Oberpfalz dar.
Nach jüngsten Aussagen vom Chef der Arbeitsagentur Weiden, Thomas Würdinger, weist die Nordoberpfalz noch "genügend Potenzial" auf, die Beschränktheit an Arbeitskräften selber zu stemmen. Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Arbeitsagentur Weiden wartet mit einer echten Sensation auf: Denn inzwischen hält sich die Zahl der Ein- und Auspendler in der Nordoberpfalz fast die Waage. Trotzdem arbeiten noch 18 000 Menschen auswärts, obwohl sie in Weiden-Neustadt-Tirschenreuth wohnen. In diesem Punkt sowie im jährlich steigenden Ausländeranteil (plus 30 Prozent seit 2005), in der unterdurchschnittlichen Frauen-Beschäftigungsquote und in der Tatsache, dass mehr als 10 000 "Erwerbspersonen" keine abgeschlossene Berufsausbildung besitzen, sieht Thomas Würdinger große Chancen für den heimischen Arbeitsmarkt.
BIP wächst enorm
Die Entwicklung seit 2013 untermauert diese Zuversicht: Seitdem stieg die Zahl der Einpendler und der Frauen-Beschäftigung um je 17 Prozent; 1500 Arbeitnehmer aus dem nahen Tschechien (plus 21,4 Prozent) und 13 Prozent mehr Ausländer (EU und Drittstaaten) sind in Arbeit. Obwohl die Nordoberpfalz seit 2005 um rund 10 000 Einwohner schrumpfte, entstanden mehr als 15 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze: Hier beträgt der aktuelle Zuwachs 3 Prozent, der Schnitt in Bayern liegt bei 1,9 Prozent. Würdinger: "Wir sind die Lokomotive." Wie die nördliche Oberpfalz prosperiert, zeigt auch das Bruttoinlandsprodukt (BIP); es stieg seit 2005 je Einwohner um 42,7 Prozent auf 34 187 Euro.
Die Arbeitnehmerschaft wird im Schnitt immer älter, so erhöhte sich der Anteil der "Beschäftigten 55plus" um 114 Prozent auf 18,2 Prozent. Im Gegenzug sank der Anteil der Auszubildenden in den Betrieben von 7,5 auf 6,1 Prozent. Würdinger appellierte an die Unternehmer, auch selber etwas zu tun, um sich als Arbeitgeber attraktiv aufzustellen.
Abwanderung gestoppt
Ein weiteres Mega-Thema scheint der Vergangenheit anzugehören: Früher wanderten 20 Prozent der Jugend - auf ein Jahrzehnt hochgerechnet - ab in die Ballungsräume: "Heute ist es 1 Prozent auf 10 Jahre", rechnet Bundestagsabgeordneter Albert Rupprecht vor. Besonders die Hochschule (OTH) Amberg-Weiden sorgte für eine Verdoppelung der Akademiker-Quote von vormals 2,5 auf heute 6,2 Prozent. Die Nordoberpfalz hinkt aber immer noch stark hinter München mit fast 25 Prozent Hochschulabsolventen und Regensburg mit 10,8 Prozent hinten nach.
Das Berliner Kelkheim Institut bezeichnete in einer Studie für Deutschland 2020 die Oberpfalz als eine von Technologie und Machbarkeits-Denken durchdrungene Region. In der Tat entwickelten sich zahlreiche Unternehmen in der mittleren und nördlichen Oberpfalz zu Weltmarktführern in ihren Branchen. Diese sogenannten "Hidden Champions" besetzen mit Hochtechnologie erfolgreich Marktnischen. Während andere von Industrie 4.0 noch als Vision reden, ist sie in der Region längst praktizierter Standard: ob bei Siemens in Amberg oder Kemnath, Baumann Automation (AM) oder BHS Corrugated (Weiherhammer, NEW) und IGZ (Falkenberg, TIR) oder Witron (Parkstein, NEW) und Hamm AG (TIR).
Firmen auf Weltniveau
Mit kluger, zukunftsweisender Innovation etablierte sich die Nordoberpfalz als der Standort in Deutschland für modernste Intra-Logistik. Mit den betriebswirtschaftlich hocheffizienten Lösungen für Material- und Warenflüsse platzierte sich die Region noch deutlich vor dem Ballungsraum Stuttgart. Auch für die Oberpfälzer Maschinenbauer gilt inzwischen das Prädikat "Weltniveau". Und nirgendwo sonst in Europa gibt es eine solche Konzentration von Hallenbau-Betrieben - mit derart optimierten Fertigungsprozessen.
Mühsamer Weg zur gemeinsamen "Marke"
"Bescheidenheit ist eine Zier, doch mehr erreicht man ohne ihr." Nicht nur für Dr. Wolfgang Weber, der die Grundsatzangelegenheiten und Hochschulentwicklung an der OTH Amberg-Weiden verantwortet, stellt die Zurückhaltung der Oberpfälzer einen Schönheitsfehler dar. Denn der großartige wirtschaftliche Erfolg der Region - bei hoher Lebensqualität und günstigen Lebenshaltungskosten - ist überregional weitgehend unbekannt. Die Gebietskörperschaften und Verbände suchen seit Jahren nach einem Weg zu einer gemeinsamen "Marke". Bei allem guten Willen, operieren sie dabei getrennt. (cf)
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