FSV Zwickau blamiert Jahn Regensburg mit 4:0: Verzwickt und zugeballert

Regensburg
21.09.2016 - 00:58 Uhr

Heiko Herrlich hatte gewarnt: Der Boxer an der Wand … man müsse aufpassen, sich nicht auffressen zu lassen von der Härte der Zwickauer. Hart haben die Sachsen dann tatsächlich gespielt, so dass Jahn Regensburg zum Schluss mit zehn Mann am Platz stand. Doch wie heißt es so schön: Die Revolution frisst ihre eigenen Kinder – aufgefressen haben sich die Oberpfälzer heute selber mit der bislang schlechtesten Performance der noch jungen Saison.

Bedröppelter Verlierer: Jahn Regensburg geht mit 0:4 in Zwickau unter und beendet das Match mit zehn Spielern - sächsische Härte dezimierte das Team.

4350 Zuschauer, darunter einige Hundert aus Regensburg, sehen bei guten äußeren Bedingungen eine nervöse Partie mit vielen Fehlpässen, bei der vor allem Regensburg das Gegenteil von dem praktiziert, was sich die Oberpfälzer vorgenommen hatten: Von Rückenwind nach der Aufholjagd gegen Köln war nicht ein Hauch zu spüren. Im Gegenteil: So ungewohnt wie die blau-roten Auswärtstrikots kommt der gesamte uninspirierte Auftritt der Gäste daher.

Nichts zu sehen von der Aggressivität, mit der der SSV Interimstabellenführer Lotte in deren Stadion gleich zu Beginn in die Defensive zwang. Nichts zu sehen, von kreativen Lösungen, mit der nach den seltenen Ballgewinnen über die schnellen Flügel Druck ausgeübt werden kann. Symptomatisch für den Spielverlauf: Gleich zweimal stehen sich Jann George und Haris Hyseni gegenseitig auf den Füßen und beschweren sich übereinander. Von einer Abwehrleistung zu sprechen, ist blanker Euphemismus: Bei allen vier Toren erweisen sich Jahn-Spieler als Geburtshelfer.

„Zwickau hat uns den Schneid abgekauft“

„Das ist eine bittere Niederlage für uns, die aber absolut in Ordnung geht“, fällt nicht einmal Jahn-Phisosoph Heiko Herrlich eine tiefschürfende Erklärung für den blutleeren Auftritt der Regensburger ein. „Um eine Phrase zu dreschen: Zwickau hat über den Kampf in das Spiel gefunden und hat uns wirklich auch den Schneid abgekauft, gerade in der zweiten Halbzeit.“ Chronologisch habe der Mannheimer sein Team erst nach 20, 30 Minuten ins Spiel kommen sehen – mit Angriffen, die man gut ins letzte Drittel gebracht habe. „Wir hatten auch die erste Großchance, konnten die nicht machen – und im Gegenzug fällt das 1:0.“

Es gäbe im Spiel immer so Momente, wo man ihm eine Richtung geben könne. „Die Chance haben wir da verpasst.“ Nach dem 1:0 habe abermals Erik Thommy eine sehr gute Möglichkeit verpasst, mit der der Jahn vielleicht mit einem 1:1 in die Halbzeit gehen hätte können. „Der Treffer direkt nach der Pause hat uns natürlich wehgetan. Zwickau ist immer stärker geworden, wurde immer selbstbewusster – wir konnten heute der Härte nichts entgegensetzen.“

Erster Heimdreier

Torsten Ziegner feiert den ersten Heimdreier mit Understatement: „In der Situation in der wir uns befanden oder befinden, ist es notwendig, dem Gegner wenig Raum zum Fußballspielen zu lassen, selber super aktiv gegen den Ball zu sein, immer wieder Zweikämpfe gewinnen zu wollen“ Das 1:0 sei dann der Knotenlöser gewesen. „Das habe ich schon in der Halbzeitpause gesehen, dass eben dieses Selbstverständnis wieder da ist, erfolgreich sein zu können.“ In der zweiten Halbzeit habe man dann gesehen, wozu Zwickau auch fußballerisch in der Lage sei: „Auch wenn man sagen muss, dass Regensburg natürlich nach dem 2:0 uns mehr Räume geben musste, weil sie mehr riskieren mussten.“
Ziegner wisse, dass man diesen Sieg nicht zu hoch bewerten dürfe, „ähnlich wie wir die Niederlagen nicht komplett als Weltuntergang bezeichnet haben“. Man habe erfahren, wie schwer das sei, Woche für Woche und Spiel für Spiel erst mal wieder reinzufinden, um Punktgewinne zu erzielen. „Und das gilt es jetzt zu konservieren, dieses Selbstvertrauen, das wir heute tanken konnten, mit an die Ostsee zu nehmen, gut zu regenerieren und im perfekten Fall dort wieder was Zählbares mitzubringen.“

Jahn nach vorne ohne Befund

Nervöses Abtasten in der Anfangsphase. Ronny König darf nach Flanke von Christoph Göbel das erste Mal aufs Regensburger Tor köpfen – einen guten Meter links vorbei (8.). Der SSV zu Beginn zwar bemüht, aber nach vorne ohne Befund. Erik Thommy wagt mal den Antritt, aber durch die Wand aus fünf, sechs Zwickauern ist kein Durchkommen (9.). Jann George verliert im Mittelfeld unnötig den Ball, versucht ihn zurückzuholen, wird aber zurückgepfiffen (13.). Weite Flanke fast von der Mittellinie, der Ball springt am Elferpunkt auf, Philipp Pentke muss sich das erste Mal strecken (14.).

Die erste Ecke für den SSV: Originelle Variante, alle Mann auf den Keeper, dann löst sich George, nur dass die Flanke ohne Fremdberührung auf der anderen Seite ins Aus trudelt (15.). Wieder ein Ballverlust in der eigenen Hälfte, Zwickau kann quer auf Patrick Göbel legen, der sich den Ball etwas zu weit vorlegt – Alex Nandzik mogelt sich an der Grundlinie dazwischen, aber Christoph Göbels Brüderchen trifft nur ans Außennetz (17.).

Herrlichs Direktabnahme

Jetzt mal ein Standard für Regensburg, Pusch mit Freistoßflanke auf einen Zwigger-Kopf, der zweite Ball geht in die Regensburger Fankurve (18.). Auf der anderen Seite ist König schon im Strafraum, verheddert sich dann aber in der Regensburger Abwehr (20.). Das ist schon recht mau, was beide Mannschaften hier bisher abliefern – das einzige, was einigermaßen funktioniert, sind die engen Räume, ansonsten überbieten sich beide mit Ungenauigkeiten.

Erste Chance für den Jahn: Rücklage auf Haris Hyseni, der aus zehn Metern halblinks gut zwei Meter drüberzirkelt (29.). Die aufregendste Szene bisher: Knoll wird im Luftkampf umgenietet, König tritt ihm auf die Hand, das Spiel läuft weiter – nochmal foulverdächtiger Einsatz, aber der Abschluss reicht nicht mal zum Warmmachen für Pentke (31.). Herrlich auch das: Heiko mit Direktabnahme an der Seitenlinie muss sich nun auch noch mit Schiri Tobias Reichel (Sindelfingen) auseinandersetzen.

Bär gibt volle Sohle

Zwickau macht seinem Ruf alle Ehre: Mit gestreckter Sohle rutscht Marcel Bär in Oli Heins Beine – Gelb für die Zwickauer 9. Ungeschickter geht‘s nimmer: da gerät Erik Thommys Chance aus zehn Metern zur besseren Rückgabe, und dann begleiten die Regensburger den Gegenangriff pomadig bis vors eigene Tor, wo Patrick Göbel den Ball für Sohlen-Bär quergelegt, der nur noch unbedrängt links unten einschieben muss, 1:0 (37.).

Jetzt pressiert‘s natürlich: Ecke Pusch, Hyseni steigt am höchsten und köpft mit dem Scheitel ins Leere (39.). Mann, George und Hyseni behindern sich nach Thommy-Pass gegenseitig (41.). Das macht Thommy jetzt allerdings richtig Klasse – erst nimmt er den Freistoß vom Mittelkreis fein runter, lässt zwei stehen, und schließt ab. Keeper Johannes Brinkies muss sich allerdings kein Bein ausreißen, um die Kugel zu schnappen (44.). Welche Therapie hat Meister Herrlich in der Pause anzubieten?

Feuerwerk nur in der Fankurve

Die zweite Hälfte beginnt mit einem Feuerwerk – allerdings nicht auf dem Rasen, sondern in der Jahn-Fankurve. War‘s das jetzt schon? Marcel Bär lässt Oli Hein alt und den Rest der Abwehr deplatziert aussehen und schlenzt die Kugel ins rechte Eck zum 2:0 (47.) – dennoch eine feine Einzelleistung des 24-jährigen Gifhorners. Die Jahn-Abwehr heute ein Desaster: Nandzik fehlt links hinten, wedelt aber im Rückwärtsgang beidhändig, als könne er den Ball wegcurlen – den Pass fängt dann Pentke unaufgeregt runter (49.).

So gut Thommy das im Aufbau macht, im Abschluss fehlt der Killerinstinkt: Nach Sallers Gestochere am Strafraumrand hat er zum dritten Mal die Gelegenheit im Strafraum und verschenkt auch sie. Déjà-vu-Gefühle? Wie schon vor dem 0:1 folgt auch jetzt die quittung postwendend. Nandziks Stockfehler im Mittelfeld, Bär geht mit dem Ballgeschenk auf und davon, legt die Kugel vorbei und netzt zum dritten Mal ein (54.) – für den Jahn gerät dieser Dienstagabend zur peinlichsten Vorstellung seit Aschaffenburg.

Knoll am Boden

Meine Herren Gesangsverein, heute misslingt wirklich alles: Vor dem Strafraum springt Pusch der Ball vom Fuß, Saller einen Schritt dahinter glänzt mit dem Distanzschuss übers Gehäuse (54.). Das sieht nicht gut aus für den angeschlagenen Tripleschützen: Bär humpelt und muss runter. Was Zwickau aber nicht daran hindert, die nächste Chance rauszuspielen: Der glücklose König köpft aus fünf Metern drüber – wäre auch abseits gewesen. Ein Unglück kommt selten allein: Marvin Knoll am Boden, es geht nicht weiter. Herrlich muss doppelt wechseln. Markus Ziereis kommt nach Plan, Robin Urban für den verletzten Notverteidiger.
Symptomatisch für die Leistung heute: Jann George wirft sich irgendwie rein ins Strafraumgetümmel und stochert den Ball aus der Luft drei Meter daneben (83.). Noch peinlicher sieht das aus: Der Pass kommt zur Abwechslung genau auf Ziereis‘ Birne, aber der bricht sich frei am Fünfer fast die Nase beim Kopfballversuch.

Demontage auf ganzer Linie

Sinnbild für den den ganzen Abend, die Genese des nächsten Treffers: Zunächst gelingt die Unterbindung eines Konters – schwacher Freistoß, der Jahn im Ballbesitz. Geipl gelingt der Fehlpass am eigenen Strafraum – aber noch nicht einmal diese Einladung nehmen die Gastgeber an. Erst suchen die Zwickauer einen langen Umweg, bis endlich ein umständlicher Pass den völlig freien Jonas Nietfeld erreicht – der kann nicht umhin, das Ding aus nächster Nähe in die Maschen zu jagen, 4:0 (82.).

Was ist das heute für eine Demontage? Jetzt humpelt auch noch Andi Geipl angeschlagen vom Platz – nicht, dass es schlachtentscheidend wäre, aber nun müssen die Regensburger auch noch ein paar Minuten zu Zehnt durchhalten. Zum wiederholten Mal stehen sich Hyseni und George gegenseitig im Weg – und fuchteln mit den Armen, anstatt sich mit den daran befindlchen Händen an die eigene Nase zu fassen (87.). Unschöner Schlusspunkt: Ohne Not ein heftiges Foul des eingewechselten Moritz Schröter an Nandzik im Mittelkreis – der krümmt sich noch, als der Schiri das Trauerspiel abpfeift.

Saller und Pusch erklären das Unerklärliche

„Ich glaube, wir haben das 1:0 auf dem Fuß“, versucht sich Benedikt Saller als Katastrophenerklärer, „kriegen dann im Gegenzug das 1:0 gegen uns.“ Das habe die Mannschaft aus dem Tritt gebracht. „Wir haben uns gar nicht getraut, Fußball zu spielen.“ Viel zu oft habe man lange Bälle gespielt, wo es gar nicht hätte sein müssen, und dann sei man auch noch unglücklich in die zweite Halbzeit gestartet – „letzte Woche ging‘s andersrum, wo wir gleich das Tor machen können. So war‘s fast schon ein Genickschlag mit dem 2:0.“ Man habe es bis zum bitteren Ende versucht, aber heute sei einfach nichts geglückt. „Wir können es am Samstag nur besser machen.“

Ein restlos bedienter Kolja Pusch will zum Spiel gar nichts sagen, ehe er sich die Bescherung am Video reingezogen hat. So bleibt nur der Blick in die nahe Zukunft: „Wir müssen uns gut regenerieren, das ist eine englische Woche, wir müssen topfit sein, Paderborn ist ein guter Gegner – wir müssen uns im Training gut vorbereiten, alles reinhauen, dann sieht die Welt wieder anders aus, dann geht‘s wieder um drei Punkte und die wollen wir natürlich holen.“

Die Oberpfälzer Fans, die die knapp 300 Kilometer auf sich nahmen, um die Blamage ihres SSV live zu erleben würden sich jedenfalls bedanken, wenn die Regensburger am Samstag, 14 Uhr, gegen den Ex-Bundesligisten Paderborn dieses Alesia vergessen machen würden: „Einzelkritik möchte ich mir sparen“, schreibt Sokrates, der dabei war, im Forum, „aber unsere Viererkette hinten war heute definitiv nicht drittligatauglich. Bin gespannt wie diese am Samstag aussieht. ...“

 

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