Keine Frage, der Hallesche FC hat seine starken Momente – in den knapp 30 Minuten vor der Halbzeitpause drehen die Gastgeber auf, spielen sich einige Großchancen heraus. Jahn-Keeper Philipp Pentke rettet nicht nur bei der verunglückten Rückgabe von Oli Hein, als er sich um den Pfosten wickelt, um die Führung zu verhindern. Die kommt dann kurz vorm Pausenpfiff nach einer Verkettung ungeschickter Verteidigungsmaßnahmen – Andi Geipl verliert den Ball im Mittelfeld, Alex Nandzik kann den ballführenden Stürmer nicht abdrängen, Marvin Knoll lässt sich tunneln, und Benjamin Pinto verwertet seine dritte Chance mit dem Schlenzer ins rechte Toreck (45.).
Die ersten 20 Minuten des Spiels und fast die komplette zweite Hälfte aber gehören dem Gast: Vor allem nach Herrlichs mutigen Wechseln – erst zu zwei Stürmern, dann sogar zu drei – zieht Regensburg beim Heimtabellenführer der Dritten Liga ein starkes Powerplay auf. Haris Hyseni, Marco Grüttner und Marc Lais hätten schon früher den Ausgleich erzielen können. Nach Alex Nandziks unwiderstehlichem Solo über links wuchtet schließlich Marco Grüttner per Kopf die Kugel zu seinem neunten Saisontreffer in die Maschen (82.).
Herrlich: „Zweite Halbzeit dominiert“
„Die Freude überwiegt natürlich“, sagt Heiko Herrlich, nachdem er den Knopf fürs Mikro gefunden hat. „Ich denke, dass wir ganz gut ins Spiel gekommen sind die ersten 20 Minuten, wir haben zahlreiche Schüsse aufs Tor abgegeben, die aber leider das Ziel verfehlt haben.“ Mitte der ersten Halbzeit habe man das Match aus der Hand gegeben. „Ich mache das an dem Punkt fest, an dem Kolja Pusch den Kopfball-Zweikampf verloren hat und ein paar Minuten am Boden lag – da haben wir uns immer mehr den Schneid abkaufen lassen.“ Das Gegentor wäre zu verteidigen gewesen: „Da sind wir ein bisschen zu gierig und kriegen kurz vor der Halbzeit den Gegentreffer.“
Der Doppelwechsel zur Pause – Uwe Hesse und Haris Hyseni für André Luge und Kolja Pusch – habe für mächtig Schwung gesorgt. „Wir haben eigentlich die zweite Halbzeit phasenweise dominiert, alles nach vorne geworfen und wenig zugelassen – bis auf die Großchance, den Konter kurz nach der Einwechslung von Markus Ziereis, den ich dann noch als dritten Stürmer gebracht habe.“ Auf die Art und Weise, wie die Mannschaft den Ausgleich erzwungen habe, könne man stolz sein. „Sie hat sich den Punkt verdient.“
Schmitt: „Gegen eine der besten Mannschaften“
„Leistungsgerechtes 1:1 gegen einen starken Gegner“, bringt HFC-Coach Rico Schmitt die 90 Minuten auf den Punkt. „Eine der besten Mannschaften, die hier bei uns zu Hause gespielt haben. Sehr strukturiert.“ In den ersten 20 Minuten habe sein Team Schwierigkeiten gehabt, ins Spiel zu finden. „Da waren wir zu langatmig, da haben wir zu viel reagiert, statt zu agieren.“ Man habe sich dann reingearbeitet, die eine oder andere Möglichkeit erspielt. „Klasse Aktion das 1:0, vom Marvin vor allem, da auf den Hilal nochmal durchzustecken, und Benny dann bärenstark.“
Zur Halbzeit habe er den Jungs mit auf den Weg gegeben, dranzubleiben. „Mit den Wechseln ist es schwierig geworden, mit den zwei Stürmern, die Regensburg aufgeboten hat.“ Am Ende habe man 1:1 gespielt. „Das bedeutet für uns, Nerven behalten.“ Man solle jetzt auch nicht alles zerreden. „Wir haben einen Punkt geholt gegen eine sehr starke Mannschaft, eine Aufsteigermannschaft, die die anderen ärgern will.“ Man habe zwei starke Spieler ersetzen müssen, auch die Witterungs- und Platzverhältnisse seien nicht einfach gewesen. „Die Grundidee war, heute mit mehr Offensivpotenzial aufzutreten, das Ganze mit schnellen Leuten zu unterfüttern.“
Regensburg übernimmt das Zepter
Der SSV beginnt wie erwartet mit André Luge auf der Position von Jann George rechts außen und Kolja Pusch im zentralen Mittelfeld. Oliver Hein kehrt in die Viererkette zurück. Der Gast in Nachtblau mit einigen Farbakzenten will von Beginn an das Heft an sich reißen, anstatt sich hinten rein drängen zu lassen. Andi Geipl marschiert durch ein Trio des HFC und wird gefoult (3.). Thommy spielt die Hallensische Abwehrformation schwindelig, lässt dabei aber die Kugel am Weg liegen (4.).
Nandzik setzt Thommy mit einem Einwurf in Szene, der Leih-Augsburger zieht aus 25 Metern ab und zirkelt das Leder aufs Tordach (6.). Wieder versucht Thommy die Kugel in den Strafraum zu tragen, die Flanke bleibt an einem Bein hängen, Geipl verzieht den Abpraller (9.). Das hat der Jahn-Trainer wohl in der PK gemeint: Gesunde Härte, die manchmal übers Ziel hinausschießt: Florian Brügmann rutscht mit gestrecktem Bein in Thommy, Schiedsrichter Frank Willenborg (Osnabrück) mahnt zur Fairness (10.).
Fernschuss-Experimente
Die geräumte Schneepiste scheint den Regensburgern ein gutes Experimentierfeld für Warnschüsse aus der zweiten Reihe: Marc Lais versucht’s aus 20 Metern, das Ding segelt gut einen Meter am linken Pfosten vorbei (12.). Hein kurbelt über die rechte Außenbahn an, bringt die Flanke scharf in die Mitte, Thommy verpasst, Grüttner kommt am Fünfer an den Ball, aber ein Verteidiger und der Keeper haben das kurze Eck zugestellt. Und auch Hein fahndet nach seiner Schussform von Karlsruhe und visiert mit seinem Kracher die nahe gelegene Innenstadt an (16.).
Halle wagt sich erst nach einer guten Viertelstunde zielstrebig vors Gästetor. Ein erster Warnschuss flattert eine Torwartlänge am Pfosten vorbei (18.). Aber jetzt wird ernsthaft zurückgeschossen, Halle drängt den Jahn mehr und mehr in die eigene Hälfte zurück: Oli Hein versucht unter Druck am Strafraumeck einen Rückpass zum eigenen Keeper, das Ding wird länger und länger, Pentke hastet dem Ball hinterher, bekommt kurz vorm Pfosten den Fuß an den Ball und wickelt sich um das Aluminium – Dominique Fennell versucht vergeblich, die Kugel noch über die Linie zu stochern (23.)
Schlampige Bälle und ein Gastgeschenk
Halle kopiert jetzt, was der Jahn vorexerziert hatte – schnelles Umschaltspiel über die Flügel nach Balleroberung, Marvin Ajanis Querpass wird gerade noch abgefangen (28.). Ruppig, meine Herren: Kolja Pusch weiß jetzt, wie sich Stefan Kleinheisemanns Ellbogen anfüllt – der Hallenser sieht Gelb (29.). Das ist jetzt zu hektisch, zu unsauber, wie die Regensburger versuchen, sich aus der sächsisch-anhaltinischen Umklammerung zu befreien. Nachreiner, Geipl und auch Grüttner spielen schlampige Bälle, machen es dem Gegner leicht, den Schwitzkasten enger zu ziehen (38.).
Immer wieder suchen die heimischen Rot-Weißen Pintol: Nach einer Ecke kommt der deutsch-Bosnier frei zum Kopfball, Pentke reagiert glänzend auf der Linie (43.). Und dann bereiten die Gäste den Hausherren selbst das Gastgeschenk, das die aber auch gekonnt auspacken: Ballverlust im Mittelfeld, Ajani steckt für El-Helwe durch, der sich von Nandzik nicht irritieren lässt und Knoll tunnelt, Pintol schlenzt die Kugel an Pentke vorbei zum 1:0 ins Netz (45.).
Bankdrücker mit Sonderauftrag
Herrlich greift mit einem Doppelwechsel in die Vollen – André Luge und Kolja Pusch können ihre Blässe auf der Bank auskurieren, Haris Hyseni und Uwe Hesse bekommen mehr als die obligatorischen paar Minuten, um ihren Leistungsstand unter Beweis zu stellen. Hyseni, der in dieser Saison erst einmal gegen Fortuna Köln zum Last-Minute-Ausgleich traf, hat gleich die erste Chance auf dem Fuß – auf der linken Außenbahn von Grüttner freigespielt, hält er aus knapp 16 Metern halblinks drauf, der Ball streicht knapp am rechten Pfosten vorbei (49.). Lais bekommt den Ball am 16er, vertändelt umständlich, Hesse serviert den zweiten Ball auf Grüttners Kopf, der Ball segelt einen guten Meter am rechten Pfosten vorbei (50.). Der Jahn hat das Spiel wieder an sich gezogen, allein, es fehlt die Genauigkeit.
Dann bleibt Brügmann nach einem Zweikampf fünf Minuten liegen, der Jahn spielt nach langer Überlegung den Ball doch ins Aus – und Halle anschließend einfach weiter, sauber meine Herren, wo bleibt der Anstand (56.)? Der Regensburger Druck nimmt ständig zu. Flanke auf Hein am Elfer, der kleine Abwehrspieler wird unterlaufen, man kann auch sagen geschultert – er reklamiert heftig, das Spiel läuft weiter (58.). Erik Thommy konzentriert sich auf einen Freistoß aus gut 25 Metern, die präzise Fußarbeit des Feinmotorikers nimmt Fahrt auf, HFC-Keeper Fabian Bredlow boxt das Gerät vorsichtshalber aus dem Dreieck (63.).
Mutig: Dritter Stürmer für Innenverteidiger
Basti Nachreiner besteht auf den weiten Ball für Hyseni, dessen Birne etwas unter der Flugbahn bleibt – da wäre die einfache und kurze Variante auf Hein rechts außen besser gewesen (65.). „Andi, des Spiel dreh’ma“, schreit Heiko Herrlich von der Seitenlinie rein. Strukturierter Spielaufbau des SSV, obwohl Halle die Räume nach wie vor eng macht. Nandzik mit seinem obligatorischen Knaller aus 20 Metern in die Wolken (67.).
Klasse Balleroberung von Knoll, der sieht die Lücke, marschiert bis kurz vorm 16er und zielt dann genau auf den imaginären Punkt, den zuvor Nandzik im Himmel entdeckt hatte (69.). Herrlich bringt Markus Ziereis für Innenverteidiger Nachreiner, mutig, mutig (70.). Und genau in den Wechsel hinein läuft der erste Konter der Hallenser in Hälfte zwei – über Pinto auf Adjani, der übers Ziel schießt (71.). Im direkten Gegenzug serviert erneut der fleißige Hesse für Grüttner, der aus acht Metern keinen Druck mehr hinter die Kugel bekommt (71.).
Nandziks Aktion des Spiels
Aaah, Erik Thommy schickt nach feinem Ballgewinn Ziereis präzise an der Linie entlang, der aber flankt mit seiner ersten Aktion ins Nirwana und ärgert sich sichtlich (73.). Jetzt versucht nach vielen fruchtlosen Standards einmal Nandzik die Ecke, und siehe da, der Ball kommt exakt auf die Birne von Marc Lais, der knapp über die Latte köpft (79.). Schmitt setzt jetzt auf Beton, bringt einen zusätzlichen Verteidiger, Halle sorgt kaum mehr für Entlastung.
Und das rächt sich: Nach feiner Vorarbeit von Thommy kurbelt Nandzik sein Linksaußen-Programm herunter, sieht ein gegnerisches Duo zu langsam schalten, läuft zwischen ihnen hindurch und hat dann noch die Kraft für eine Maßflanke auf Marco Grüttners breite Stirn, der das Kunstleder damit am chancenlosen Bredlow vorbei in die Maschen zimmert – 1:1 (82.). Für solche Meisterstücke müsste eine neue Kategorie eingeführt werden: die Aktion des Spiels, die einwandfrei Alex Nandzik gebührt.
Hesses letzte Chance
Die erste Aktion der Gastgeber nach dem Ausgleichsschock: ein Freistoß aus dem Mittelkreis, eine Offensivkraft behauptet den Ball per Kopf am 16er, legt für Kapitän Klaus Gjasula auf, der im Fallen zum Drehschuss ansetzt – Pentke hat den Hasen gerochen und ist unten (85.). Schöner Judogriff gegen Nandzik, Gelb für Selim Aydemir – den kleinen Blonden wollen sie einfach partout nicht mehr laufen lassen (86.).
Thommys Freistoßflanke erreicht den arg bedrängten Ziereis, der sich im Kopfballduell dennoch durchsetzt, aber knapp daneben köpft (87.). Und auch Uwe Hesse hätte sich noch in die Jahn-Geschichtsbücher eintragen können: Nachdem Hein blind durch zwei in den Strafraum stürmen will, bekommt das blonde Gift den zweiten Ball irgendwie zu fassen und – halb zog es ihn, halb sank er hin – stolpert er per Vollspann aus 18 Metern das Spielgerät weit über die Latte (89.).
6 Punkte: Zu Platz 2 und Platz 18
Heiko Herrlich und Christian Keller zürnten zu Recht über die liegengelassenen Punkte – auch ohne Niederlage kann man in Nöte geraten. Nach dem Schlusspfiff stellt sich die Tabellensituation noch enger da als vor dem Spieltag. Obwohl der SSV bereits seit fünf Partien ungeschlagen ist, rücken die Kellerkinder dennoch näher: Nach dem erneuten Sieg von Zwickau (18./24 Punkte) beträgt der Abstand auf einen Abstiegsplatz nur noch sechs Punkte.
Gegen Zweitliga-Absteiger FSV Frankfurt (14./24) am kommenden Samstag, 14 Uhr, wäre der erste Sieg in der Rückrunde deshalb höchst willkommen. Zumal sich selbst Schlusslicht Mainz II (20./17) nach dem überraschenden Auswärtssieg in Osnabrück (2./36) noch nicht aufgegeben hat. Es bleibt dabei, die Dritte Liga will sich den Nimbus des engsten Wettbewerbs im deutschen Profifußball nicht nehmen lassen – Regensburg (11./30) hält mit sechs Punkten Abstand noch immer Äquidistanz zu Aufstiegs- wie Abstiegsplätzen.
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