„Ich versuche das Spiel unabhängig vom Ergebnis zu analysieren“, beginnt Jahn-Trainer Heiko Herrlich mit einem Kunstgriff. „Ich bin mit der Leistung heute im gesamten Spiel – erste und zweite Halbzeit – sehr zufrieden, weil wir sehr aggressiv waren gegen einen starken Gegner.“ Man müsse aber auch ehrlich sagen: „Hier auf meinem Blatt stehen 4:0-Torchancen für Chemnitz in der ersten Hälfte – dass wir hier in der einen oder anderen Situation Glück hatten und den Philipp Pentke, sonst wären wir in den Rückstand geraten.“ Trotzdem: „In der Art und Weise wie man arbeitet, kann man sich das Glück auch erzwingen – Glück, das uns in letzter Zeit gefehlt hat.“
Wer Grüttner rühmt, muss auch Pentke loben
In der zweiten Hälfte sieht der SSV-Coach ein Chancenverhältnis von 2:2: „Nach dem 0:2 hatten wir dann natürlich weitere Kontermöglichkeiten.“ So sei am Ende das Ergebnis von 0:3 zustande gekommen. „Einen hervorzuheben ist immer schwer“, ziert sich Herrlich beim vorbehaltslosen Schwärmen, „auch heute war’s wieder eine Team-Leistung.“ Wenn man Marco Grüttner hervorhebe, müsse man auch Philipp Pentke herausstellen. „Mit dem Marco sind wir sehr zufrieden, schon die ganze Saison, auch wenn er nicht immer getroffen hat – er hat in den letzten Spielen immer etwas Abschlusspech gehabt.“
Man sei trotz Ergebniskrise auch mit Blick auf die Tabelle ruhig geblieben. „Jetzt muss das Ziel sein, diese drei Punkte nächsten Samstag zu veredeln – nächste Woche gegen Preußen Münster nochmal konzentriert nachlegen: mit der gleichen Leistung, mit der gleichen Begeisterung, mit der gleichen Leidenschaft, dann sind wir zufrieden.“
Sven Köhler: „Nach dem 0:2 vogelwild“
„Natürlich sind wir enttäuscht“, sagt Sven Köhler, „einmal vom Ergebnis und dann auch von der zweiten Halbzeit.“ Er habe eine ausgeglichene erste Halbzeit gesehen, vielleicht sogar mit Chancenvorteilen für Chemnitz. „Aber das gehört im Fußball dazu, die musst du machen, wenn du Spiele gewinnen willst.“ Nach dem 0:2: „So ehrlich muss man sein, haben wir vogelwild gespielt, gerade was das Defensivverhalten anbetrifft.“
Dadurch hätten die Regensburger ihre Konterchancen bekommen – und auch das 0:3, „als Marco Grüttner den Ball auf den Rücken kriegt und erst relativ spät merkt, dass der Ball im Tor ist“. Man habe seinen Teil dazu beigetragen. „Insgesamt enttäuschend, weil’s ein Spiel war, wo viele Zuschauer da waren, weil’s ein Spiel war, wo wir’s nicht geschafft haben, über beide Halbzeiten eine starke Leistung zu bringen.“ In der zweiten Hälfte sei man klar schwächer gewesen, „so dass der Sieg der Regensburger auch in Ordnung geht“.
Der CFC drückt aufs Tempo
Ein gutes Hundert Regensburger Fans sehen eine Anfangsformation mit den erwarteten Änderungen: Heiko Herrlich hatte den Einsatz von Benedikt Saller für den Gelb gesperrten Andi Geipl prophezeit. Und dass Uwe Hesse auf Dauer den stärkeren Jann George verdrängen würde, war auch nicht zu erwarten.
Der CFC will von Anfang an deutlich machen: An uns Fußballern liegt es nicht, wenn der Verein Insolvenz anmelden muss. Die Gastgeber drücken sofort aufs Tempo, holen den ersten Eckball in Minute 1 – Marc Lais klärt bei seinem alten Club am Fünfer per Kopfabwehr. Der SSV versucht das Spiel ebenfalls schnell zu machen. Marco Grüttner bekommt die Kugel auf der rechten Seite, steht aber im Abseits (2.). Sichtbar gemachter Wille: Jann George nervt CFC-Keeper Kunz solange, bis er die Kugel ins Seitenaus drischt.
Zweimal Jahn-Gelb nach fünf Minuten
Was nicht gefällt: Das Regensburger Mittelfeld ist zu passiv, so dass der letzte Rot-Weiße immer wieder riskant klären muss – der nächste Freistoß für die Hausherren und nach fünf Minuten sind Grüttner und Bastian Nachreiner bereits Gelb verwarnt. Chemnitz versucht es immer wieder mit dem langen Ball aus dem Mittelfeld, da steht die Abwehr der Oberpfälzer aber bisher relativ sicher (6.).
Trotz Altweibersommer gefällt das Geschehen Heiko Herrlich am Seitenrand gar nicht – aufgeregt bellt er Kommandos und wird von Schiedsrichter Pascal Müller (Löchgau) zurückgestampert (9.). Herrlichs Masterplan ist dennoch erkennbar: Saller mit dem Ballgewinn im Mittelfeld, weiter auf George, der Thommy bedient – doch am Elfer ist Schluss mit lustig (10.). Schon wieder fängt Saller eine Kugel ab, patzt aber beim anschließenden Pass (12.).
Führung aus dem sagenhaften Nichts
Gutes Verständnis zwischen der 9 und der 15: George setzt Grüttner in Szene, der lässt einen aussteigen, legt sich den Ball aber zu weit vor, CFC-Keeper Kevin Kunz hat den Braten gerochen und krallt sich die Kugel (18.). Jetzt brennt es erstmals lichterloh im Regensburger Strafraum: Daniel Frahn völlig frei beim Kopfball, dann darf’s auch noch Anton Fink versuchen, geblockt und vorbei, Ecke (19.).
Aus dem sagenhaften Nichts die Führung der Gäste: Der fleißige Saller bedient Grüttner im Chemnitzer Strafraum, der holt sich den Ball traumwandlerisch sicher runter und knallt die Kugel via Unterkante Latte ins Netz, 0:1 (25.). Aufgepasst: So schnell kann man sein Kapital auch wieder verspielen – im direkten Gegenzug schafft es Frahn, die Kugel aus drei Metern drüberzuziehen (27.).
Ballgewinn und Ballverlust nah beieinander
Auch der Jahn bekommt mal einen Freistoß: Thommy versucht es aus 25 Metern direkt, Kunz faustet den Flatterball ins Seitenaus (31.). Was wedelt da Wastl Nachreiner – will er ausgewechselt werden? Es scheint weiterzugehen. Und nochmal Gelb für Chemnitz: Jamil Dem foult Pusch an der Mittellinie (32.). Wieder dasselbe Spiel wie gegen Erfurt: Jann George mit dem Ballgewinn und dem Ballverlust im selben Moment – dann bleibt ihm nur das Foul (35.). Thommy versucht Reinhardt zu überlisten, steckt ihm die Kugel durch die Beine. Das findet der gar nicht lustig, Thommy fällt, der Schiri kann kein Foul erkennen (38.).
Freistoß für die Sachsen, kurz ausgeführt, Jopek versucht’s aus 25 Metern – drüber (42.). So stark Pentke auf der Linie ist, so vorhersehbar sind seine Abschüsse: postwendend zurück an Himmelblau (43.). Grote mit der Flanke von links, wieder gefährlich, wieder Glück für den Jahn – man darf gespannt sein, wieviel Glücksdrops den Regensburgern für die zweite Hälfte bleiben (47.).
0:2 aus dem blauen Himmel
Erik Thommy eröffnet der Partie zweiten Akt mit einem Ball aufs Tordach. Dann hat George so viel Raum, dass er ungestört in den Strafraum marschieren darf – da kann man auch mal mehr daraus machen: Die Kugel segelt über die Latte (48.). Freistoß Chemnitz: wieder die lange Flanke, Dem am Fünfer köpft Zentimeter am Pfosten vorbei (52.). Aufregung im Regensburger Strafraum, Fink mit der Riesenchance, erst haut er in den Boden, dann fällt er, will den Elfer, das Publikum schäumt, das Spiel läuft weiter, Pusch muss die Kugel an den völlig freien George weiterspielen – tut er aber nicht, so viel zum Projekt „Zweite Liga“ (58.).
Da ärgert sich der hellblaue Anhang: Nachreiner verhindert vor Frahn mit der Grätsche die Ecke, die Zuschauer wollen den Freistoß oder mindestens die Ecke – bekommen sie aber nicht (61.). Das gibt es ja gar nicht: Schon in Hälfte eins das Tor aus dem Nichts, jetzt aus dem völlig blauen Himmel: George schickt Grüttner, der ist völlig nackt und für das Gefühl der Gastgeber im Abseits – der Schiri sieht’s anders und Grüttner verdient sich Herrlichs ewiges Vertrauen mit dem Doppelpack zum 0:2 (65.). Nach seinem Assist darf Jann George in den wohlverdienten Feierabend – André Luge will Herrlichs Worte bestätigen, dass er der Mann für den schnellen Konter ist (67.).
Stabilisator Nachreiner
Wastl Nachreiner mit einer sehr soliden Vorstellung: Langsam kommt wieder mehr Stabilität in die Hintermannschaft, weil das Regensburger Urgestein mit gutem Auge und Stellungsspiel manches Tempodefizit ausgleicht (70.). Und da ist der erste Arbeitsnachweis von Luge, schneller Tempogegenstoß, schwacher Abschluss – man müsste Andrés Dynamik mit Koljas Füßchen kreuzen (72.).
Alex Nandzik sorgt jetzt auf seiner Seite für Sicherheit: die perfekte Grätsche vor Türpitz, der auf und davon gewesen wäre. Wenn es mal läuft, dann geht auch wirklich alles: Pusch auf Nandzik, Flanke auf Grüttner, Kunz unterläuft die Flanke, Grüttner bekommt die Kugel am kurzen Pfosten auf die Schulter, plopp und das Ding hüpft zum 0:3 ins Netz (74.). Muss der Jahn jetzt noch das Werbemotto der Arena hier beherzigen: Beton ist unser Element? Nein, die Gäste spielen weiter auf Torverhältnis, Luge passt auf, ja wen wohl … Grüttner mit dem Seitfallzieher – knapp zwei Meter drüber (76.).
Beste Leistung: Chemnitz‘ Zwölfter Mann
Es ist nicht so, dass sich Chemnitz schon aufgegeben hätte, auch wenn sich hier die ersten Sonntagsfans auf den Weg machen – aber wie soll man sich bei einem 0:3 noch ernsthaft motivieren? Reinhardt verfehlt die Flanke, und da lässt er den ganzen Frust raus mit den Stollen gegen den Pfosten. Marcooo Grüttner darf sich den Szenenapplaus abholen und tauscht mit Haris Hyseni den Platz (80.).
Marvin Knoll rettet vor Frahn in letzter Sekunde – an mangelnden Chancen liegt es nicht, dass das Ergebnis so klar auf die Seite der Regensburger hängt. Die beste Leistung auf Seiten der Chemnitzer aber liefern die Fans ab, die hier tapfer weitersingen, während Uwe Hesse für Erik Thommy auf den Platz trottet (83.). Die nächste Ecke für Chemnitz, schwach ausgeführt von Grote, Hesse rennt, was das Zeug hält und holt die Ecke auf der anderen Seite.
6-Punkte-Spiel gegen Münster
Freistoß Chemnitz vor der Eckfahne: Flanke, Pentke wird behindert, der Jahn in Ballbesitz (88.). So, Marc Lais holt sich auch noch ein Kärtchen ab. Anton Fink macht sich bereit für den wahrscheinlich letzten Freistoß 20 Meter zentral, Pentke ist unten im linken Eck und holt das Ding raus (90.). Nach 92 Minuten pfeift der Schiri ab, das Ergebnis ist ein glänzendes Vorweihnachtsgeschenk – sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das hier eine engere Kiste war, als es das Ergebnis suggeriert. Das hier hätte anders ausgehen können, wenn die Himmelblauen ihre Chancen verwertet hätten.
Am kommenden Samstag, 14 Uhr, muss der SSV Jahn (12./24 Punkte) gegen Preußen Münster (15./21) diese himmelblaue Kür in der Pflicht gegen eine Mannschaft aus dem hinteren Tabellendrittel bestätigen – und die Benno-Möhlmann-Elf hat nach einer kleinen Siegesserie durch die 0:1-Heimniederlage gegen den bisherigen Drittletzten mit dem SC Paderborn (17./21) einen weiteren Mitkonkurrenten im Abstiegskampf wieder richtig stark gemacht.
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