Niesen im Dialekt: Hatschi löst eine Kettenreaktion aus

Schwandorf
23.03.2018 - 20:00 Uhr

Das Geräusch, das beim Niesen produziert wird, wird in der Standardsprache mit "Hatschi!" zum Ausdruck gebracht. Im Englischen dagegen verwendet man dafür "Atishoo!" und im Französischen "Atchoum!", um nur zwei weitere Beispiele der diesbezüglichen sprachlichen Vielfalt zu nennen. In all diesen Fällen handelt es sich um ein lautmalerisches Nachahmen des Niesens.

Ein "Hatschi!" löst im Dialekt eine regelrechte sprachliche "Kettenreaktion" aus. Bild: slu

Wenn jemand ein solches Geräusch von sich gibt, dann wünscht man ihm in der Regel "Gesundheit!". Im Englischen lautet die Reaktion "God bless you!", im Französischen "A vos/tes souhaits!", und im Amerikanischen ist mitunter auch das deutsche "Gesundheit!" gebräuchlich. In manchen Klassenzimmern hat sich mittlerweile die (oft nicht unerheblich störende) Gewohnheit breit gemacht, dass bei eines Niesanfalls eines Klassenkameraden eine entsprechende vielstimmige Reaktion erfolgt.

Wie in vielen anderen Bereichen hat der Dialekt beim Niesen seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, auch wenn diese von den meisten Zeitgenossen nicht mehr gekannt beziehungsweise nicht mehr angewandt werden. Ein Niesgeräusch, das heißt wenn jemand "ãn Nejsserer doud", wird nämlich zum Beispiel im Nordbairischen mit einem "Hölfgod!" quittiert, auf das von Seiten des Niesenden ein "Göltsgod!" folgt, das wiederum mit einem "Sengsgod!" beantwortet wird.

Es liegt also hier eine dreifache Reaktion vor, bei der jedes Mal "Gott" mit einbezogen wird. Im ersten Fall soll er helfen, im zweiten soll er das Mitgefühl vergelten, und im dritten soll er sozusagen den Dank übermitteln. Manchmal wird bei "Hölfgod!" noch angefügt: "... dass woa is!" (dass es wahr ist). Bezüglich der Herkunft der ersten dieser Floskeln findet sich in dem Wörterbuch "Bairisches Deutsch" von Ludwig Zehetner eine äußerst interessante Erklärung: "Niesen war ein erstes Anzeichen dafür, dass sich jemand mit der Pest angesteckt hatte; daher empfahl man die niesende Person der besonderen Hilfe Gottes."

Trotz der Tatsache, dass man nach den neuesten Kniggeregeln das Niesen freundlich bzw. geflissentlich "überhören" und nicht mehr darauf antworten sollte, wäre es die dialektale Gepflogenheit wert, als kulturhistorisches und sprachliches Relikt aus längst vergangenen Zeiten so lange wie möglich erhalten zu werden. Dies gilt auch für den Kommentar, den jemand abgibt, wenn sein Gegenüber eine Niesattacke erleidet. Er lautet: "Schejne Laid raissts draimal!" Und wenn diese Attacke beschrieben wird, dann hört man: "Den raissts!" oder "Den hods grissn!"

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Die Serie im Internet:

www.onetz.de/themen/dialekt

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