Die Welt statt Waldershof oder Luhe-Wildenau: Konrad Dippel möchte für den Wahlkreis Weiden in den Bundestag, aber in zweieinhalb Stunden Pressegespräch spielt die Nordoberpfalz nur eine Nebenrolle. Für den 46-Jährigen geht es nicht nur um GA-Förderung, es geht ums Ganze, um Frieden, um Freiheit. Statt auf 4 ist Dippels Programm auf 400 Jahre ausgelegt. Und der Holzkaufmann meint es ernst. Er selbst nennt sich gerne einen "Spinner". Gerecht wird ihm das nicht, jedenfalls nicht völlig.
Auf einen Begriff reduzieren lässt sich Dippel nicht: Er lobt die CSU für "ganz gute Politik" und kritisiert sie für Filz und Machtmissbrauch. Er prangert den schlechten Einfluss des Geldes an und schwärmt vom Erfolg seines Unternehmens. Das Hobelwerk hat Dippel gerade verkauft, nachdem er "den Umsatz in den letzten drei Jahren verdreifacht" hat. Dippel kritisiert die Migrationspolitik, weil sie "unsere Ortsbilder so verändert". Aber er zeigt Mitgefühl auch für Wirtschaftsflüchtlinge. "Wir würden es doch auch so machen, wenn Deutschland arm und Afghanistan oder Aserbaidschan reich wären." Dippel verteidigt Wladimir Putin als Retter Russlands, obwohl er selbst dort wohl im Gefängnis säße, "wenn ich mich auch so aufführen würde".
Am ehesten lässt sich Dippel vielleicht in die Tradition bayerischer Rebellen und Freigeister einordnen, ein wenig Karl Valentin und etwas Hans Söllner. Großkopferte mag er nicht. In zweieinhalb Stunden philosophiert Dippel über Gott und die Welt. Immer wieder scheint sein Misstrauen gegen alles Große und Mächtige, gegen die USA, Konzerne, Politiker auf. Für Dippel ist es ganz einfach: Wer Reichtum und Macht anhäuft, ist verdächtig. "Nur wer rücksichtslos genug ist, schafft es nach oben."
Dippel ist überzeugt, dass das Unkrautmittel Glyphosat nur nicht verboten wird, weil es "den Konzernen" zum Geldverdienen dient. Dippel glaubt, dass SPD und Union sich längst auf eine Fortsetzung der Großen Koalition geeinigt haben. Sogar die offizielle Version zu den Anschlägen vom 11. September lässt Dippel nicht einfach gelten. Schließlich sei auch belegt, dass die USA von Japans Angriffsplänen auf Pearl Harbour wussten. "Ich hab das in einer Dokumentation gesehen. Die lief im ZDF."
Pfarrer widersprochen
Wenn Konrad Dippel so etwas denkt, muss er es auch aussprechen. Schweigen kann er nicht. Einmal sei er in Burkhardsreuth in der Kirche aufgestanden und habe dem Pfarrer widersprochen - bei laufender Sonntagsmesse. Was der in der Predigt erzählt hat, habe er einfach nicht stehen lassen können. Eine andere Predigt habe ihn 2005 zur ersten Kandidatur bewogen. Dippel erinnert sich an einen "schwachen" Wahlkampfauftritt Albert Rupprechts in Trabitz. "Das war nicht nur meine Meinung, alle haben das so gesehen." Aber allen war auch klar, dass Rupprecht die Wahl gewinnen wird. "Das wollte ich nicht hinnehmen", sagt Dippel. Deshalb habe er sich zur Kandidatur entschieden, im Glauben, eine Chance zu haben. "Rupprecht und Ludwig Stiegler hatten sichere Listenplätze. Mit mir hätte der Wahlkreis einen dritten Abgeordneten bekommen." Heute, sagt er, wisse er, dass Wahlen nur bedingt mit Vernunft zu tun haben, er wisse auch, dass er auch 2017 den Einzug wohl nicht schaffen werde. Und er wisse, dass er sich nicht entmutigen lassen wird. "Der Einzug bleibt mein Lebenstraum."
Mehr als Rituale
Er wolle damit ein Beispiel sein, beweisen, dass unabhängige Kandidaten in den Bundestag gehören. "Wenn ich den Einzug schaffe, dann können es andere auch." In Dippels Idealvorstellung stellen unabhängige Kandidaten 10 bis 15 Prozent der Abgeordneten. "Die Regierung müsste sich dann ihre Mehrheiten besorgen, indem sie diese Unabhängigen überzeugt." Dippel will ein Parlament, in dem Sitzungen mehr sind als Rituale. In dem um Entscheidungen gestritten wird, in dem Abgeordnete Vorschläge nicht nur ablehnen, weil sie vom politischen Gegner kommen. Dippel glaubt, mit seinem Einzug könnte er die Demokratie im Wortsinn zurück ins Parlament bringen. Ihm ist das ernst, so ernst, dass die Stimme laut und brüchig wird, wenn er davon spricht und dass sogar einige Tränen über seine Wange laufen.
Zur Person
Konrad Dippel hat die Geschichte seiner Familie bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgt: Damals zog ein Zimmermann aus dem Fränkischen als erster Dippel nach Pressath und hob dank seiner Erfahrung mit dem Fachwerkbau das Holzhandwerk auf ein höheres Niveau. Außerdem finden sich im Stammbaum pietistisch-protestantische Prediger. Dippel glaubt, dass sich beides in seinem Wesen wiederfindet: Begeisterung für Holz und fürs Predigen.
Zur Welt kam Dippel am 4. Februar 1971, 1987 folgte die mittlere Reife an der Wirtschaftsschule Eschenbach. "Meine Eltern meinten, ich soll nicht aufs Gymnasium, um das Arbeiten nicht zu verlernen." Dippel absolvierte eine Lehre als Holzkaufmann, später übernahm er die Leitung des elterlichen Hobelwerks mit Holzhandel in Pressath. Außerdem betreibt Dippel eine kleine ökologische Landwirtschaft. Den Betrieb haben er und sein Vater heuer verkauft, Dippel ist weiter in leitender Funktion dort beschäftigt. Er lebt unverheiratet in einer Beziehung, aus einer früheren Partnerschaft hat er zwei Söhne.
Seine Kandidatur ist der vierte Versuch, als erster parteiloser Bewerber in den Bundestag einzuziehen. 2005 erreichte Dippel 13,6 und 2009 14,1 Prozent der Erststimmen. Damit war er der erfolgreichste Einzelkandidat Deutschlands. 2014 fiel er auf 4,4 Prozent zurück, "weil ich praktisch keinen Wahlkampf gemacht habe", wie er sagt. Um zu belegen, dass er neben Visionen auch einen Sinn fürs Praktische hat verweist Dippel neben seiner Erfahrung als Geschäftsführer auf sein Engagement im Trabitzer Gemeinderat. (wüw)
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