Im Beitrag "Die toten Russen von Oberlind" im Band 37 der "Streifzüge" hat der Heimatforscher seine Recherche-Ergebnisse zusammengefasst. Zunächst hatte Ochantel mehrere Zeitzeugen befragt. Demnach hatten SS-Soldaten im April 1945 oberhalb der Arnmühle zwei russische Kriegsgefangene erschossen. Sie waren vermutlich um 1944 aus einem Konzentrationslager geflohen. Beide Gefangenen "baten um Weiterleben", da sie Familien hätten. Sie wurden trotzdem getötet und am Waldrand bei Oberlind bei einem Birkenkreuz vergraben.
Ochantel hat weiter herausgefunden, dass es auch in Vohenstrauß ein Gefangenenlager gab, das frühere Ermo-Werk, später Blumen Jeschke. Dort waren unter anderem belgische und russische Kriegsgefangene. Verstorbene Russen wurden nicht auf dem Friedhof, sondern links daneben bestattet. "Dieser Platz heißt nach Mitteilung mehrerer Zeitzeugen Russengärtl." Russen arbeiteten unter anderem beim Pinter und beim Janner am Marktplatz.
Friedhof am Marktplatz
Am 23. April 1945 kamen die Amerikaner nach Oberlind. Sie durchsuchten alle Häuser nach versteckten Soldaten. Einen Tag später nahmen sie von Altenstadt aus Vohenstrauß ein. Im Juni 1945 trafen dann die Besatzungstruppen für Vohenstrauß und Umgebung ein. Die Militärregierung ordnete im Juni an, dass alle Gräber von gefallenen Soldaten und Kriegsgefangenen zu melden waren. Die Leichen mussten ausgegraben und in Pleystein wieder bestattet werden. Dort war mitten auf dem Marktplatz 1945 ein Friedhof angelegt worden, in dem auch die Gefangenen des Konzentrationslagers Flossenbürg beigesetzt wurden, die im Mai 1945 beim Marsch ins KZ Dachau umgebracht wurden.
Laut Anordnung mussten die betroffenen Gemeinden am 31. August 1945 bei der Firma Bausch, Pleystein-Pingermühle, die benötigten Särge abholen. Am 1. September sollten die Ausgrabungsarbeiten und die Einsargung erledigt sein. Auch die Leichname der beiden Russen aus dem Arnmühl-Hölzchen kamen nach Pleystein. Am 2. September wurden die Särge mit den Opfern der Gewaltherrschaft beigesetzt, 1949 wurde der Friedhof aufgelöst.
Die Körper der beiden erschossenen sowjetischen Kriegsgefangenen ruhen heute namenlos auf dem Ehrenfriedhof in Neunburg vorm Wald., informiert Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Er weiß allerdings nicht, ob es Russen, Weißrussen oder Ukrainer waren. Skriebeleit gab Ochantel schließlich den entscheidenden Hinweis, der Licht ins Dunkel des Falles brachte. Ende Februar 1945 wurden Teile von Adolf Hitlers SS-Leibstandarte aus dem Raum Köln nach Oberlind verlegt, darunter auch ein damals 19-jähriger Sachse. Im März kamen die beiden geflohenen russische Kriegsgefangene in ein landwirtschaftliches Anwesen nahe des Vohenstraußer Ortsteils. In Oberlind ergriffen sie die Flucht und liefen nach Norden in Richtung der sogenannten Lindwiesen.
Der Sachse nahm mit zwei weiteren SS-Männern die Verfolgung auf. Als sie die Russen sahen, gaben sie Schüsse ab. Die Russen blieben stehen und ergaben sich. Sie hatten keine Waffen bei sich, sie machten auch keinen Versuch, Widerstand zu leisten. Statt sie ins Dorf zurückzubringen, erschossen sie die Gefangenen am sogenannten Arnmühl-Hölzl. Die Leichen blieben am Waldrand liegen. Am folgenden Tag beerdigte sie ein serbischer Kriegsgefangener.
Ende März 1945 kam die SS-Einheit von Oberlind in den Raum Heilbronn. Der 19-Jährige wurde einen Monat später durch ein amerikanisches Panzergeschoss verwundet und kam ins Lazarett.
Im September 1945 wurde er aus der Kriegsgefangenschaft in seine Heimatstadt Leipzig entlassen. Am 5. Oktober 1948 nahm ihn die deutsche Kriminalpolizei fest. Die russische Militärbehörde verurteilten ihn wegen Erschießung der beiden Russen zu einer lebenslänglichen Strafe. Nach einer Amnestie durfte er am 28. Dezember 1955 das Gefängnis verlassen.
Wegen Mords verurteilt
Später zog er nach Gummersbach. Anfang Oktober 1959 kam er in Untersuchungshaft, im Mai 1960 verurteilte ihn das Landgericht Weiden wegen gemeinschaftlichen Mords an den beiden Russen zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren. Die frühere Haft wurde angerechnet, womit die Jugendstrafe verbüßt war. Heute gibt es an dem Russenhölzchen bei der Arnmühle übrigens kein Birkenkreuz mehr. "Vielleicht war auch niemals ein solches vorhanden?", fragt sich Ochantel.
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