Jens Peter Maintz legt die „Bibel der Cellisten“ aus: Ein Bach, ein Maintz, ein Cello

Weiden in der Oberpfalz
13.03.2017 - 17:12 Uhr

Recht selten wagt sich ein Cellist an die Herkulesaufgabe, die sechs Solosuiten Bachs von 1720 am Stück zu spielen, alle 42 Einzelsätze auswendig. Jens Peter Maintz macht sich an die Auslegung der "Bibel der Cellisten" und meistert die Herausforderung brillant.

Jens Peter Maintz brilliert beim Konzert im Gustav-von-Schlör-Saal mit Tönen von champagnerschäumender Freude bis tiefschwarzer Friedhofsnacht. Bild: Kreuzer

Maintz spielt ein rund und präsent klingendes Grancino-Cello von 1697. Dessen trotz Modernisierung weder forcierter noch aufgedunsener, sondern vom C bis zum g2 klar zeichnender und hochsensibel ansprechender Ton erweist sich als wunderbar geeignet für Bachs Musik. 1994 gewann er den Internationalen Musikwettbewerb der ARD. Seit 2004 ist er Professor an der Universität der Künste Berlin. Am Sonntag spielt er in der Weidener Max-Reger-Halle ein Sonderkonzert zugunsten des Förderkreises für Kammermusik. Es wird zum rundum beglückenden Highlight.

Tänze mit Vorspiel

Alle sechs Suiten beginnen mit einem Präludium, das in improvisatorisch freiem Stil auf die Themen und Affekte der nachfolgenden Sätze hinführt. Alle Präludien eröffnen mit einer knappen ausbaufähigen Geste: Einem G-Dur-Arpeggio, einem steigenden d-Moll-Dreiklang oder einer C-Dur-Tonleiter. Den Präludien folgen fünf verschiedene Tanztypen, sie beginnen stets mit seriöser Bodenhaftung (Allemande) und enden leichtfüßig-beschwingt (Gigue). Menuette oder Bourréen treten stets im Paar auf. Ihr Thema heißt Kontrast, meist wird er mit Dur-Moll-Wechsel unterstrichen. Im Zentrum steht aber der aristokratischste aller Tänze, die langsame Sarabande. Getanzt wird sie mit einer ungewöhnlichen Aufwärtsbewegung der Tänzer auf der Zählzeit eins. Sie hat das größte emotionale Potenzial. Maintz leuchtet es aus, ohne dabei je in effekthascherisches Vibrato-Schmachten abzuirren. Maintz ist ein Freund geistreicher, schlagfertiger Kommunikation mit wendigen Gedankengängen - seine geschwinden, nie pomadig pappigen Tempi zeigen es.

Glasklarer Bach

Die unaufwendige doch hocheffektive Bogentechnik und die akrobatisch sichere linke Hand sind zuverlässiges Handwerkszeug für souveränes schweißtropfenfreies Spiel. Den Cembalo-Kollegen hat er die Kunst der Verzierung, der Triller und der improvisierten Variation abgehört, nur wenigen Cellisten gelingt dies so überzeugend. Maintz lässt sich von Bach führen, zwingt der Musik nie seinen eigenen Willen auf. Er entschlüsselt die in einstimmigen Melodien verborgene Mehrstimmigkeit. Er kostet Dissonanzen aus. Grandios: Erst stellt er die extrovertierte Seite eines Satzteils vor, um bei der Wiederholung dessen tieferes Seelenleben zu offenbaren.

Einige Schlaglichter gemäß der Reihenfolge des mehr als zweistündigen Programms, in welches Maintz wegen der Komplexität der Stücke eine einstündige Pause einbaute: Cembalo-glasklar prickelnde Töne in der G-Dur-Courante. Das Es-Dur-Präludium angesiedelt nicht auf der Orgelempore, sondern im Lauten-Land, die Kadenzen fegen einher wie Wirbelwinde.

Flammenfeuer-Freiheit

Tiefschwarze Friedhofs-Nacht in der minimalistischen c-Moll-Sarabande. Von Nachdenklichkeit zur Tragik verminderter Akkorde im d-Moll-Präludium. Champagnerschäumende Lebensfreude in der C-Dur-Courante. Überirdische Freiheit in der D-Dur-Allemande. Kontrolliertes Flammen-Feuer in der finalen D-Dur-Gigue.

 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.