Irfan Peci: V-Mann statt Salafismus: Von Weiden in den Dschihad

08.06.2015 - 00:00 Uhr

Von Alexander Pausch

Auch Irfan Peci wollte als Salafist in den Heiligen Krieg ziehen. Doch dann entschloss sich der Weidener, als V-Mann zu arbeiten. Ein langjähriger Freund aus der Oberpfalz, Mehmet C., hat dies dagegen umgesetzt. Er starb in Syrien, als Dschihadist. Peci hatte ihn mit dem Salafismus infiziert.

Die Aufnahme von Irfan Peci entstand im Jahr 2009 beim Prozess im Gericht in Weiden. Bild: wil

Irfan Peci war der Deutschlandchef der "Globalen Islamischen Medienfront" (Gimf). Die Propagandatruppe von Al-Kaida warb nicht nur für die Terrororganisation von Osama bin Laden, sondern auch für Ansar Al Islam und für Al-Kaida im Zweistromland. Die vom Jordanier Abu Mussab al-Sarkawi im Irak gegründete Terrorgruppe verbreitete schon vor mehr als zehn Jahren durch ihre Enthauptungsvideos Angst und Schrecken. Ganz wie ihre Nachfolgeorganisation, die sich zunächst Islamischer Staat im Irak und Syrien (Isis) nannte und heute als Islamischer Staat (IS) firmiert. Es gibt noch eine Parallele: So wie schon Sarkawis Gruppe der damaligen Al-Kaida-Führung suspekt war, so ist es heute auch deren Nachfolger IS.

Der Weidener hatte nach eigener Aussage die Leitung von Gimf übernommen, als deren Gründer, der Österreicher Mohamed Mahmoud, im September 2007 in Wien verhaftet worden war. Bereits im November 2007, ein Jahr bevor die Bundesanwaltschaft einen Haftbefehl gehen ihn erwirkte, präsentierte sich Irfan Peci unter dem Namen "Muhammad Omar" bei RTL als Verantwortlicher der deutschen Gimf-Sektion. Seither war er immer wieder in den Medien.

Seit Jahren berichtet

Auch unsere Zeitung hat zwischen 2008 und 2011 mehrfach über den Weidener berichtet, über die Durchsuchung seiner Wohnung in seiner Heimatstadt, den Haftbefehl der Bundesanwaltschaft, den Prozess und seine Verurteilung in Weiden wegen eines Überfalls auf einen Handy-Laden zu einer Bewährungsstrafe sowie seine Tätigkeit als V-Mann. Nun ist Irfan Peci ins Licht der Öffentlichkeit zurückgekehrt, mit einem Buch.

Zusammen mit den Stern-Journalisten Johannes Gunst und Oliver Schröm schrieb Irfan Peci "Der Dschihadist. Terror Made in Germany - Bericht aus einer Dunklen Welt". In dem 400-Seiten-Werk setzt sich der am 21. Februar 1989 in Novi Pazar im Sandschak (Serbien) geborene Peci und die Journalisten mit seiner Rolle bei Gimf und als V-Mann auseinander. Zudem gibt der 26-Jährige einen kleinen Einblick in seine Kindheit und Jugend in Weiden sowie seine Radikalisierung durch einen Cousin in Bosnien und vor allem über das Internet. Peci war zusammen mit seiner Familie im Jahr 1991 als Flüchtling nach Deutschland gekommen und hat inzwischen einen deutschen Pass. Doch das Buch zeigt noch etwas anderes: dass der Weidener Teil der salafistischen Szene war, die sich vom Balkan über Wien bis nach Berlin erstreckt.

Mehmet C. getötet

Im Buch enthüllt er, dass sein enger Freund Mehmet C. in Syrien als Dschihadist getötet worden ist. Der 1990 Geborene gehörte zuletzt zur Gruppe um den ehemaligen Berliner Gengsta-Rapper Denis Cuspert, alias Deso Dogg. Dieser kämpft seit April 2014 unter dem Namen Abu Talha al-Amani für Isis und wirbt mit seinen Naschids, seinen pseudo-religiösen islamischen Vokalgesängen für die Terrormiliz IS und den Dschihad, den Heiligen Krieg.

An der Seite von Denis Cuspert in Syrien war noch ein weiterer enger Vertrauter von Irfan Peci, sein Vorgänger an der Gimf-Spitze Mohamed Mahmoud. Der Österreicher mit ägyptischen Wurzeln war nach Verbüßung einer vierjährigen Haftstrafe wegen Bildung und Förderung einer terroristischen Vereinigung in Österreich im September 2011 nach Berlin gereist. Zu dieser Zeit war Irfan Peci schon seit gut einem halben Jahr als V-Mann aufgeflogen. Mohamed Mahmoud wurde schnell die uneingeschränkte Führungsfigur der extremistischen Salafisten-Gruppe "Millatu-Ibrahim" ("Gemeinschaft Abrahams") und zum engen Freund von Denis Cuspert. Die Gruppe, ein Nachfolger von Gimf, formierte sich im Jahr 2011 und wurde am 29. Mai 2012 durch den Bundesinnenminister verboten und aufgelöst.

Über Ägypten in den Krieg

Bereits im Juni 2012 reisten Mohamed Mahmoud und Denis Cuspert nach Ägypten, und Anfang 2013 weiter nach Syrien. Zunächst schloss sich Cuspert der islamistischen Junud al-Sham an. Im September 2013 wurde er offenbar bei einem syrischen Luftangriff schwer verwundet und danach in einem türkischen Krankenhaus versorgt. Seit dem Frühjahr 2014 scheint er wiederhergestellt.

Auch Mehmet C. ging über Ägypten nach Syrien, ganz wie Denis Cuspert. Das wird auch in seinem Umfeld und von seiner Familie erzählt. Er habe in Ägypten "Arabisch lernen wollen", heißt es. Einwände, dass dieser Weg die klassische Reiseroute für sich radikalisierende Salafisten in den Krieg ist, werden ignoriert. Von Ägypten habe er sich dann telefonisch gemeldet und gesagt, er wolle weiter nach Syrien reisen, um den Menschen zu helfen. An dieser Erzählung wird auch nach seinem Tod festgehalten - dabei bleibt offen, ob dies zum eigenen Schutz geschieht, oder weil es diejenigen, die über Mehmet C. sprechen, nicht besser wissen oder wissen wollen.

Auch die bayerischen Sicherheitsbehörden wissen schon seit längerer Zeit vom Tod Mehmet Cs. in Syrien, einer von sechs bekanntgewordenen Todesfällen aus dem Freistaat, bundesweit waren es wohl etwa 85. Bis zum April sind insgesamt rund 60 Salafisten aus Bayern ausgereist, bundesweit sind es knapp 700.

Mehmet C. war ein begeisterter Fußballer. Er war der Star seiner Mannschaft in einem Verein im Landkreis Neustadt/WN. Als der beliebte und geschätzte Mitspieler zu beten begann und sich einen Bart wachsen ließ, hat keiner verstanden, dass dies Anzeichen einer beginnenden Radikalisierung waren.

Irfan Peci spricht davon, dass sein Freund ebenfalls zu der von ihm in Weiden gegründeten Islamischen Jugend gehörte. Und er schreibt von den Spannungen, denen sich Mehmet C. ausgesetzt sah, sich zwischen "Dieseits und Jenseits" zu entscheiden: die Nacktheit beim gemeinsamen Duschen nach den Fußballspielen, selbst vor anderen Männern, mit der Freundin allein sein, sie gar berühren, die Feiern, Discotheken oder den Alkoholgenuss. Selbst die Freundschaft zu nicht-muslimischen Fußballkameraden oder Mitschülern legt der Salafismus negativ aus.

Mit Pierre Vogel überzeugt

Irfan Peci nutzte Mehmets innere Zerrissenheit: "Ich redete auf ihn ein und schickte ihm Vorträge von Pierre Vogel, dem berühmten Kölner Salafisten. Das zeigte Wirkung." - Selbst heute, in seinem Buch und zu einem Zeitpunkt da sein Freund tot ist, erkennt Irfan Peci offensichtlich nicht, dass Pierre Vogel keineswegs berühmt, sondern berüchtigt ist.

Ich redete auf ihn ein und schickte ihm Vorträge von Pierre Vogel, dem berühmten Kölner Salafisten. Das zeigte Wirkung. Irfan Peci über seine Versuche, Mehmet C. für den Salafismus zu begeistern

Doch Mehmet C. hatte nicht nur über Irfan Peci Kontakt zu Salafisten. Sein Stiefvater, seit Jahrzehnten ein konservativer Muslim, ist seit einigen Jahren der führende Kopf des Islamischen Zentrums in Weiden - nach Einschätzung des bayerischen Verfassungschutzes eine der salafistischen Hochburgen im Freistaat. Zudem haben sich weitere Mitglieder aus der Familie von Mehmet C. dem Salafismus zugewandt.

Mehmet C. überzeugte seine Freundin zu konvertieren und heiratet sie nach islamischen Regeln. Von Irfan Peci erhielt er Videos über Mudschahedin, die Gotteskrieger, und "bald reifte in ihm die feste Überzeugung, dass der beste Tod der Märtyrertod sei". Doch zunächst überfielen sie nachts amerikanische Soldaten, verprügelten sie und raubten sie aus. Zudem übten sie im Wald für den Dschihad und besuchten Vorträge von Pierre Vogel und Seminare des Leipziger Salafisten-Predigers Hassan Dabbagh, alias Abul Hussain.

Im Wahn nach Syrien

Auf einem Video von Denis Cuspert aus Syrien vom September 2013 entdeckt Irfan Peci dann seinen Freund Mehmet C. Und er sieht einen zweiten Videoclip. In diesem wird der enge Weidener Freund mit Kalaschnikow und der für Salafisten schon obligatorischen Tigerkatze gezeigt. Es ist das Abschiedsvideo für "Muhammed Turki", wie ihn seine Weggefährten nannten. Der Weidener ist gestorben, offensichtlich als dschihadistischer Kämpfer. Doch Mehmet C. ist nicht der Einzige, der vom Dschihad-Wahn infiziert worden ist. Wie er haben sich noch weitere Salafisten aus Weiden und Umgebung auf den Weg nach Syrien gemacht.

 
 

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