Was Geistliche und Politiker aus der Region über den Söder-Vorstoß denken: Kritik an Kreuz-Pflicht: "Kruzifix wird verstaatlicht"

26.04.2018 - 21:34 Uhr

Markus Söder will, dass in allen Landesbehörden künftig Kruzifixe an der Wand hängen. In Bayern formiert sich Widerstand, ein Regensburger Student startet sogar eine Petition. Aber was sagen eigentlich Geistliche und Politiker aus der Region zum Plan des neuen bayerischen Ministerpräsidenten?

So gefällt es Markus Söder: Der neue bayerische Ministerpräsident hängt ein Kreuz im Eingangsbereich der bayerischen Staatskanzlei auf. Bild: Peter Kneffel/dpa

Von Eva-Maria Hinterberger und Julian Trager

Weiden/Amberg/Regensburg. Das bayerische Kabinett hat am Dienstag beschlossen, dass ab Juni in allen bayerischen Behörden ein Kruzifix an der Wand hängen soll. Es ist ein Vorschlag, der vielen Bürgern nicht gefällt. In Regensburg zum Beispiel hat der Studentische Sprecher der Universität, Tarek Carls, eine Petition gegen die Anordnung gestartet. "Der Beschluss, in jeder öffentlichen Institution Bayerns ein Kruzifix aufhängen zu müssen, missachtet das Gebot der weltanschaulichen Neutralität des Staates", begründet Carls seine Petition auf der Plattform Change.org. Am Donnerstagabend hatte er bereits 29 000 Unterzeichner.

Siegfried Kratzer ist einer davon. Der Vorsitzende des Evangelischen Bildungswerks (EBW) Amberg würde von einem "Kreuz-Befehl" sprechen. Und: "Befehl und christliches Kreuz, das passt nicht zusammen." Er spricht von "Missbrauch und politischer Instrumentalisierung des Kreuzes". Das Kruzifix werde verstaatlicht und säkularisiert, die Botschaft banalisiert. "Das Kreuz ist nicht ein Symbol Bayerns."

Dass Kreuze für viele Menschen eine große Bedeutung haben, möchte Kratzer nicht bestreiten. "Es ist aber eine persönliche Angelegenheit und darf nicht eine staatlich angeordnete sein." Der Plan sei "eindeutig Stimmungs- und Abgrenzungsmache". Und natürlich gehe es auch um Stimmenfang im Blick auf die kommende Landtagswahl. Kratzer würde sich nicht wohlfühlen, wenn das Kreuz in allen staatlichen Räumen hängen würde. "Ich bin froh, dass wir hier in Deutschland Religionsfreiheit haben - und das sollte der Staat auch berücksichtigen."

Auch die Geistlichen in der Region sehen Söders Vorhaben eher skeptisch. "Ich finde, dass man das Kreuz nicht zur Kennzeichnung der Ausgrenzung von anderen nehmen sollte", betont zum Beispiel Herbert Sörgel , Pfarrer in der evangelischen Kirchengemeinde in Flossenbürg. Er sei zwar der Meinung, dass das Christentum die Leitkultur in Bayern sei und der Islam nicht zu Deutschland gehöre. "Wenn das Kreuz aber zur Ausgrenzung genutzt wird - und diesen Verdacht habe ich - halte ich das für Missbrauch", betont der Pfarrer.

"Unverständlich" ist Söders Aktion für den Pfarrer der evangelischen Gemeinde in Schwandorf, Arne Langbein. "Der Staat ist eigentlich neutral, und das Kreuz dient nicht der Tradition unseres Volkes oder Freistaats." Söders Aussage, das Kreuz sei kein religiöses Symbol, sondern ein Bekenntnis zur Identität, sei "theologisch völlig falsch". Es handle sich dabei um "das Symbol" des Christentums. "Wer ein Kreuz trägt, hat sich damit auseinandergesetzt."

Der katholische Pfarrer Martin Besold aus Erbendorf hingegen findet die Tatsache, dass in den Behörden Kreuze hängen sollen, grundsätzlich gut. Weniger gefällt ihm hingegen die Art, wie dies geschehen soll. "Ich würde es lieber sehen, wenn es sich dabei um etwas Freiwilliges handelt", sagt er. "Das muss von innen heraus kommen." Das Aufhängen eines Kreuzes anzuordnen, sei "ein bisschen schwierig", denn: "Weil es ein Glaubenszeichen ist, kann man das nicht anordnen. Das spricht gegen das Wesen von Glauben und Glaubensweitergabe."

Auch der Schwandorfer Dekan Hans Amann findet es eigentlich gut, wenn Kreuze in öffentlichen Gebäuden hängen. Der Glaube sei nicht nur etwas Privates, sondern sollte auch in der Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen. Der Katholik befürchtet jedoch, dass bei der Aktion "die Bedeutung des Kreuzes, die es vom Glauben her hat, zu kurz kommt". Es sei das Markenzeichen von Jesus. "Das Kreuz nur auf ein Kulturgut zu reduzieren, wäre mir zu wenig."

Für Johann Bauer, Geschäftsführer der Katholische Erwachsenenbildung (KEB) Amberg-Sulzbach, ist das Kruzifix "zunächst ein religiöses Symbol" - aber eben auch ein "gängiges Symbol unserer Kultur". Ein Großteil der Menschen verstehe das. Bauer sagt: "Grundsätzlich habe ich nichts dagegen." Trotzdem schließt er sich den kritischen Stimmen an. Für ihn kommt Söders Vorstoß überraschend. "Es gab keinen Anlass dazu, keinen vorausgehenden Diskurs."

Zum Kreuz verpflichtet sind laut Staatskanzlei nur die staatlichen Behörden Bayerns. Gemeinden, Landkreisen und Bezirken werde nur empfohlen, entsprechend zu verfahren. Im Landratsamt Schwandorf möchte man das Thema nicht zu hoch hängen. "Für uns hat das keine große Bedeutung", sagt Pressesprecher Hans Prechtl. In den Diensträumen würden sowieso schon Kreuze hängen. Und das werde sich auch nicht ändern. Auch in Amberg bleibt man gelassen. Harald Herrle, Pressesprecher des Landratsamt Amberg-Sulzbach, sagt: "Bei uns hängt der Herrgott schon seit Jahrzehnten - und runter werden wir ihn nicht nehmen."

Im Tirschenreuther Landratsamt schaut es ähnlich aus. Landrat Wolfgang Lippert (Freie Wähler) sagt: "Bei uns wird sich nichts ändern, in den öffentlichen Räumen hängen selbstverständlich sowieso schon Kreuze." Über Söders Plan sei aber durchaus diskutiert worden. "In der Haushaltssitzung ist durchgedrungen, dass es dann problematisch wird, wenn man das Kreuz als Symbol für Kultur hernimmt - und nicht als Symbol des Christentums." Im Büro des Landrats hänge ebenfalls ein Kreuz, sagt Lippert. Für ihn als Christ selbstverständlich. Problematisch sehe er den Faktor "Druck".

Der Neustädter Landrat Andreas Meier (CSU) möchte in der Debatte klarstellen, dass die neue Regelung nicht von Markus Söder bestimmt wurde, sondern vom Bayerischen Ministerrat beschlossen wurde. Ansonsten hält er sich zu diesem Thema bedeckt. Nur so viel: "Ich bin mit dem Kreuz ... aufgewachsen, es gehört insofern zu meinem ganz selbstverständlichen Alltag und auch zu meinem Glauben." Wie der Landrat mitteilt, gab und gibt es im Neustädter Landratsamt an vielen Stellen, ganz ohne Anordnung, Kreuze - und die werden dort auch nicht entfernt.

Imam Maher Khedr vom Deutschsprachigen Muslimenkreis Weiden ist ein bisschen zwiegespalten: "Auf der einen Seite will man die Trennung von Staat und Religion, auf der anderen Seite ist Bayern ein christlicher Staat." Der Imam habe nichts gegen Kreuze in den Behörden. Er fühle sich dadurch nicht gestört, denn: "Das Kreuz ist ein heiliges Symbol. Dafür empfinde ich Anerkennung und Respekt." Die Verpflichtung zum Kreuz findet er aber nicht so gut: "Das sollte eine freiwillige Geschichte sein."

Schule und Gericht

Streit um das Kreuz in öffentlichen Gebäuden gibt es seit Jahrzehnten. Die Diskussion entbrannte vor allem 1985 in Bayern, als ein Vater Beschwerde gegen das christliche Symbol in den Klassenzimmern seiner Kinder einlegte. Zehn Jahre später entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, Kreuze in staatlichen Schulen verstießen gegen die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit. Es hieß: "Das Kreuz ist Symbol einer bestimmten religiösen Überzeugung und nicht etwa nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur." Der Beschluss rief bei Katholiken weit über Bayern hinaus einen Sturm der Entrüstung aus. Ein danach vom bayerischen Landtag beschlossenes Gesetz schreibt zwar weiter Kreuze in Unterrichtsräumen vor - allerdings sollen sie entfernt werden, wenn Eltern oder Lehrer "ernsthafte und einsehbare Gründe" dagegen vorbringen.

Auch Kreuze in Gerichtssälen führen immer wieder zu Diskussionen. Nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1973 soll niemand gegen eigene religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen "unter einem Kreuz" einen Prozess führen. Der Richter des jeweiligen Verfahrens entscheidet. (dpa)

Wenn das Kreuz aber zur Ausgrenzung genutzt wird, halte ich das für Missbrauch.Pfarrer Herbert Sörgel aus Flossenbürg
Das Kreuz ist ein heiliges Symbol. Dafür empfinde ich Anerkennung und Respekt.Imam Maher Khedr aus Weiden
 
 

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