Sie wühlen und stöbern im Stroh, wälzen sich am Boden, schütteln die Halme im Maul und halten ihre Ringelschwänze stolz in die Höhe: Reinhard Brunners rosa Mastschweine demonstrieren dem Besucher höchstes Wohlbefinden. Landwirte aus ganz Deutschland und Ministeriumsvertreter begutachten das Modellprojekt in Weiden-Neubau.
"Wie oft das Schwanzbeißen auftritt, ist ein guter Indikator für das Wohlbefinden der Schweine", sagt Gundula Jahn vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (Fibl). Sie betreut ein Projekt des Bundeslandwirtschaftsministerium (BLE), bei dem als einziger Ferkelbetrieb in Bayern Biobauer Reinhard Brunner beteiligt ist. "Wer es wie Herr Brunner schafft, Tiere mit Schwänzen zu halten, ohne dass sie sich beißen, der macht ziemlich viel richtig."Blutig gebissen
Ist der Ringelschwanz erst einmal blutig gebissen, entstehen eiternde Wunden, die Entzündung wandert in manchen Fällen die Wirbelsäule hinauf - ein Gefahr, die die Intensivlandwirtschaft durch die "Schwanz ab"-Methode bannt. Ziel der Regierung ist es, nicht nur die Schweinehalter davon zu überzeugen, dass sich Tierwohl und Wirtschaftlichkeit miteinander vereinbaren lassen: "Alle Schwänze und Schnäbel sollen dran bleiben", fordert Jahn.Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) startete im September 2014 die neue Initiative für mehr Tierwohl. Brunner ist einer von neun schweinehaltenden Demonstrationsbetrieben in ganz Deutschland, die zeigen sollen, dass man das Phänomen "Schwanzbeißen" in den Griff bekommen kann, ohne den Ferkeln nach der Geburt das geringelte Schmuckstück wegzubrennen. Nach Recherchen der Tierschutzorganisation Pro Vieh werden in Deutschland und anderen EU-Staaten neun von zehn Ferkeln das Schwänzchen durch die v-förmige, glühende Kerbe eines Kupiergerätes gezogen - dabei wird es abgetrennt und die Wunde verödet.
Eigentlich verbietet seit 2003 eine EU-Richtlinie das routinemäßige Kupieren. "Das läuft alles über Ausnahmen", erklärt Dorothe Heidemann, Referentin im BLE. Es sei nur zulässig, wenn "andere Maßnahmen" gegen Kannibalismus erfolglos geblieben seien. "Wenn die Tiere Stress haben, sich nicht wohlfühlen, kauen sie auf den Schwänzen der anderen Schweine rum", sagt Heidemann. "Das ist wie bei uns Nägelkauen." Eine schottische Untersuchung habe 70 Faktoren identifiziert, die diese Verhaltensstörung begünstigt:
Bespaßung: Schweinen, die im Stroh wühlen können, wird nicht so schnell langweilig - ein Grund, warum sie beginnen, am Ringelschwanz des Artgenossen herumzuknabbern. Von der Decke baumelnde Spielzeuge sorgen zusätzlich für Ablenkung.
Satt und zufrieden: Eine stressreduzierte Mulitphasenfütterung sorge für satte und zufriedene Tiere. Zudem lassen sich Verdauungsprobleme vermeiden und die Tröge sind immer sauber.
Prima Klima: Innovative Lüftungssysteme statt schlecht schließender Vorhänge verhindern Zugluft, zu hohe Temperaturen, erhöhte Luftfeuchtigkeit und hohe Staubentwicklung.
Von wegen Ringelpitz mit Anfassen: Bio-Landwirtschaft ist nicht nur ein Knochenjob, sondern auch eine Produktionsmethode mit wissenschaftlicher Begleitung: Georg Hagl, Student an der Hochschule Weihenstephan, präsentiert seine Analyse: Seine Verbesserungsvorschläge etwa zu Stallklima, Fütterungsoptimierung, Schaffung neuer Klimazonen oder den Einbau einer Niedrigdruckkühlung führt zu konkreten Verbesserungen am Brunner-Hof.