Das ist zwar selten, aber es kommt vor. Nicht selten, sondern vielmehr die Regel ist es, dass Pflegekinder, die ihre leiblichen Eltern nicht kennen, sich irgendwann auf die Suche nach ihren Wurzeln machen. "Spätestens in der Pubertät ist es so weit", sagt Evi Fink. Die Sozialpädagogin am Jugendamt Weiden betreut Pflegefamilien. Ihr dringender Rat: "Man sollte den Kindern von klein auf sagen, dass sie Pflegekinder sind. Natürlich auf altersgerechte Weise, spielerisch. Dann wird es später leichter." Denn - so die Erfahrung der Fachfrau - spätestens in der Pubertät plagt die Jugendlichen die Frage nach der Herkunft. Sie wollen wissen, wer ihre leiblichen Eltern sind.
Kontakt zu leiblichen Eltern
"Warum habe ich braune Augen und eure sind blau?" "Warum habe ich schwarze Haare und eure sind blond?" Solche Fragen stellen schon kleine Kinder. "Sagen Sie dem Kind ruhig, dass es die Augen und die Haare von der leiblichen Mutter hat", rät Fink den Pflegeeltern. Noch besser wäre es natürlich, wenn es Fotos von Mutter und Vater gäbe, wenn deren Namen und Adressen bekannt wären. Dann würden die Experten auch für einen regelmäßigen Kontakt mit den leiblichen Eltern plädieren.
Mit sechs Jahren endet die erste Phase der Sozialisation. "Bis dahin sollten diese Fragen schon angesprochen sein", sagt Fink. "Nicht überzogen. Am besten so, dass es für das Kind ganz normal ist." Hilfe bieten hierbei neben den Experten vom Jugendamt auch Kinderbücher wie "Du gehörst dazu" oder "Alles Familie", von denen in den letzten Jahren immer mehr auf den Markt kommen.
Wenn aber nun die leiblichen Eltern nicht bekannt sind? Dann unterstützt das Jugendamt bei der Suche nach ihnen. "Das gehört zu unseren Aufgaben. Wir schreiben die Meldebehörden an und versuchen, die aktuellen Adressen von Vater und Mutter herauszufinden." Sofern es Anhaltspunkte gibt. Wie zum Beispiel im Fall des heute 17-jährigen Florian (Name geändert). Der suchte allerdings nicht seine Mutter, sondern seine Oma, bei der er die ersten drei Lebensjahre verbracht hatte. Dann hatte ihn seine Mutter in die Oberpfalz geholt. Doch die Mutter-Kind-Beziehung funktionierte nicht gut. Der Junge kam zu Pflegeeltern. Die Mutter verriet nicht, wo die Großmutter lebt. Trotzdem gelang es Evi Fink schließlich, die Oma ausfindig zu machen. Die besuchte dann ihren Enkel, den sie schmerzlich vermisst hatte, in Weiden. Beide halten bis heute engen Kontakt. In diesem Fall gab es also ein Happy-End.
Meist nur Briefkontakt
Das ist nicht immer so. "Es kommt ab und zu vor, dass eine sogenannte Teeniemutter ihr Kind abgibt und 12 bis 14 Jahre später eine neue Familie gründet. Wenn wir vom Jugendamt dann schreiben, dass ihr erstes Kind Kontakt zu ihr aufnehmen möchte, gibt es öfter mal Probleme", sagt Evi Fink. Die meisten dieser Mütter möchten nach ihren Erfahrungen nur Briefkontakt und nach ein bis zwei Antwortschreiben bleiben selbst die oft aus.
Aber, so Fink: "Manchmal genügen den Pflegekindern schon ein oder zwei Schreiben, einfach um ihre Fantasien zu überprüfen. Vor allem, wenn sie in die Pflegefamilie gut eingebunden sind." Zum Beispiel, wenn die leibliche Mutter erklärt, dass sie sich in einer schwierigen Situation befunden habe und ihr Kind nicht einfach allein zurückgelassen habe, sondern in der Obhut von Ärzten und Krankenschwestern.
Pflegeeltern könnten durch die sogenannte Biografiearbeit wichtige Vorarbeit leisten, indem sie schon dem kleinen Kind Schritt für Schritt die Familiensituation altersgerecht erklären. Denn, so weiß Evi Fink: "Wenn das gut funktioniert, spielt die Herkunftsfrage später meist nur kurz eine Rolle."
Hintergrund
71 Pflegekinder betreut das Jugendamt Weiden aktuell. Davon befinden sich 64 Kinder auf Dauerpflegeplätzen und 7 in Bereitschaftspflege. "Wir suchen aber noch weitere Eltern, die bereit sind, diese spannende, aber auch herausfordernde Aufgabe zu übernehmen", sagt Sozialpädagogin Evi Fink. Das Jugendamt steht den Betroffenen bei allen Fragen zur Seite und hält auch viele Ratschläge parat. Zum Beispiel: Die Pflegeeltern sollten den Tag der Ankunft des Kindes in der Familie als besonderen Tag begehen. Sie sollten eine Art Familienbuch anlegen, in dem sie wichtige Ereignisse, aber auch Dokumente aus dem Leben des Pflegekindes festhalten. "Das gilt vor allem, wenn es sich um eine Dauerpflege handelt." Auch Fotos von den leiblichen Eltern oder vom Vormund sollten ins Familienbuch eingeklebt werden. All diese Dokumente bilden hilfreiche Anhaltspunkte für das Kind, wenn es sich auf die Suche nach seiner Identität begibt. Über die Anforderungen an eine Pflegefamilie informiert der neue Flyer "Lust auf eine spanndende, anspruchsvolle und vielseitige Herausforderung?", der im Neuen Rathaus erhältlich ist.
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