Weiden/Erbendorf. Zwischen Bahnlinie und Bundesstraße "zwängt" sich in Weiden der Hauptstandort des Familienunternehmens. Den "kompletten Innen-Umbau" der Hallen, die zum Teil seit 1910 Porzellangeschichte schreiben, bestätigen Inhaber Christian Seltmann und Geschäftsführer Josef Kallmeier. "Die Modernisierung umfasst alle Abteilungen. Optimierte Arbeitsprozesse mit schnelleren Lieferzeiten und einem noch höheren Qualitätsstandard sind unser Ziel", betont Seltmann. Die Investitionen summieren sich insgesamt - über mehrere Jahre - auf einen zweistelligen Millionenbetrag.
Wo bis vor kurzem die Mitarbeiter manuell in Knochenarbeit das Geschirr in Regalen stapelten, summen jetzt fast lautlos Gabelstapler, um die zerbrechliche, unverpackte Ware vorsichtig auf sechs Ebenen, in 100 Meter langen "Schneisen", in die Schwerlast-Regalfächer zu hieven oder zu entnehmen: "Und direkt zu kommissionieren", erklärt Seltmann. Von den 720 Beschäftigten arbeiten 270 im voll automatisierten Werk Erbendorf, 450 kümmern sich in Weiden um Dekorierung und Veredlung der Rohware und schließlich um die gesamte Distribution. Auch die Produkt-Entwicklung sitzt in Weiden. Der Umbau erfolgt bei laufender Produktion, "die hochmotivierten Mitarbeiter ziehen voll mit", freut sich Christian Seltmann. Geschäftsführer Josef Kallmeier spricht beim Krankenstand von einem der niedrigsten Werte in der Branche - mit kaum mehr als zwei Prozent.
Wettbewerbsverzerrungen
"Die Technik hat vor einer Sanierung der Gebäudefassaden eindeutig Vorrang", unterstreicht Seltmann. Dazu gehören auch neue Öfen für Dekorbrände. Mit alten kaufmännischen Tugenden - nicht mehr Geld auszugeben, als sich in der Kasse befindet - ist die Seltmann Gruppe nach wie vor auf keinerlei Fremdkapital angewiesen. Trotz einer leichten Umsatzsteigerung im Jahr 2017 sprechen Seltmann und Kallmeier von einem "schwierigen Markt": "Der Warenverkehr ist globalisiert, aber die Produktionsbedingungen sind nicht vereinheitlicht." Dies führe zu massiven Wettbewerbsverzerrungen. "Während die ausschließlich in Deutschland produzierende Seltmann Gruppe immer neue Auflagen des Gesetzgebers stemmen muss, brauchen sich die Billigheimer in Fernost nur selten um Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften scheren. Hier nächtigt der Arbeiter oft noch neben der Maschine ..."
Bei Seltmann liegt inzwischen das Hotel- mit dem Haushaltsporzellan beim Umsatz gleichauf mit einem Anteil von jeweils 50 Prozent. Kallmeier: "Vor einigen Jahrzehnten war der gastronomische Bereich noch unbedeutend." Der Export fokussiert sich zu 80 Prozent auf den deutschsprachigen Raum und die EU-Zone. "Potenziale" sieht Seltmann gerade in Nahost und in Osteuropa. Dem Vernehmen nach stattet das Weidener Traditionsunternehmen zahlreiche arabische Fürstenhäuser mit hochwertigsten Servicen aus.
Arbeitskräftemangel
Das stark wachsende Online-Geschäft macht bereits zehn Prozent des Umsatzes aus: "Aber wir verkaufen nicht selber, sondern über Internet-Händler." Der Online-Bereich gewinnt auch deshalb an Bedeutung, weil der Porzellan-Fachhandel im deutschsprachigen Raum "nahezu wegbrach" und die Möbel-Einrichtungshäuser (die Porzellan führen) durch das Internet unter Druck stehen. Der Arbeitskräftemangel schlägt bei der Firma Seltmann voll durch: Sie musste sich schon Mitarbeiter ihrer "Töchter" (etwa Tettau) ausleihen und sucht dringendst Keramik-Ingenieure, Schlosser, Elektriker und Mitarbeiter für den Export.
Sehr reger Nachfrage erfreut sich nach Aussage von Seltmann und Kallmeier der Werksverkauf, wo unter anderem Überproduktionen (häufig mit kleinen Fehlern) an den Mann gebracht werden.
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