Messer aus dem Landkreis Tirschenreuth: Alles was scharf ist und eine Klinge hat

Wiesau
08.07.2016 - 02:00 Uhr
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Messer der Premium-Liga kommen nicht selten aus nordischen Ländern. Sie sind mit Damaststahl-Klinge, Hartholzgriff, feinen Applikationen und einer perfekten Lederscheide ausgestattet. In der Region ist so ein Traummesser nur einen Katzensprung entfernt.

Klingen, Leder, diverse Metalle und Hölzer sind notwendig, um ein Messer herzustellen.

Triebendorf/Wiesau. In Wiesau, genauer gesagt in Triebendorf im Landkreis Tirschenreuth fertigt Gerwald Baumer genau solche edlen Teile. Der 63-Jährige steht, wie er selbst sagt, "auf alles was eine Klinge hat und scharf ist." Diese Vorliebe sei ihm quasi in die Wiege gelegt worden. Schon als kleiner Bub schnitzte er Schwerter und Messer. Ein Messer ist seither immer am Mann.

Lachse und Forellen

War es damals ein Taschenmesser, das der Vater spendierte, ist es heute ein selbst gemachtes Messer. Das erste, das ihm wirklich gelang ist das, das der begeisterte Fliegenfischer immer dabei hat. "Mit diesem Messer machst du alles. Damit öffnest du einen Brief, damit putzt du dir die Fingernägel, damit machst du einen Fisch küchenfertig."

Den Hang zu Skandinavien und anderen nordischen Ländern spürte der Naturbursche ebenfalls schon in jungen Jahren. Mindestens 30 Mal bereiste er Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark - mehrmals war er in Alaska. Der Fische wegen zog es ihn dahin. Große Lachse und Forellen hat er mit der Fliege überlistet. Irgendwann fielen ihm in den Orten die Geschäfte mit den schönen Messern auf. "Die haben dort Tradition, sind für die Menschen ganz wichtig." Es gibt viele Zeitschriften, in denen Hersteller ihre Messer auf Hochglanzpapier präsentieren. In einer fand er eine Kollektion von Stefan Hügel. Ein deutscher Name? Baumer rief kurzerhand an. Es stellte sich heraus, dass Stefan Hügel ein Schwabe ist, der vor 45 Jahren nach Norwegen ausgewandert war. Der Schmied fertigte Damast-Klingen. Telefonate und Briefkontakte folgten und irgendwann erklärte sich der Wahl-Norweger bereit, Damast-Stahl an Gerwald Baumer zu liefern.

Damaststahl aus Norwegen

Das war der eigentliche Einstieg. Die aufwendig hergestellten Klingen bestehen aus 200 bis 600 aufeinander geschmiedeten Lagen und sind praktisch unverwüstlich. Durch die spezielle Herstellung weisen sie schöne Strukturen auf, sehen auf den ersten Blick aus wie ziseliert. Auch nach dem x-ten mal schleifen sind die Strukturen genauso gut zu sehen, wie beim neuen Messer. Ein Bad in Salzsäure kitzelt sie wieder heraus.

Baumer abonnierte die "Norsk Knivforening", die Zeitschrift, in der er seinen Stahl-Lieferanten gefunden hatte, um sich Anregungen für seine eigene Arbeit zu holen. Längst ist der Triebendorfer, wie er selbst sagt, "einigermaßen bewandert in skandinavischen Sprachen", so dass er nicht nur die Bilder darin betrachten, sondern auch lesen kann, was dort geschrieben steht. Bekannt in der Szene wurde Baumer durch die reichlich verzierten Lederscheiden, die er passgenau fertigt. Das Besondere daran: Die Scheide fasst das Messer, rastet das erste Mal ganz sanft ein. Etwas Druck darauf und das Messer rutscht noch wenige Zentimeter nach unten. Man hört, wie es regelrecht einschnappt. Dadurch wird es unverlierbar in der Scheide festgehalten, kann niemals von selber herausfallen. "Das hinzubekommen war fast schwieriger als die Messer selbst." Orthopädie-Leder ist die erste Wahl beim Messerscheiden-Bau. Das ist Rindsleder, das durch spezielle Gerbtechniken extrem hart wird. Legt man es einige Zeit in Wasser wird es weich und es lässt sich wunderbar bearbeiten.

Mit Stahlnadeln prägt (Fachausdruck: punziert) der Messermacher kunstvolle Verzierungen auf seine Messerscheiden. Mit den Fingern bringt er das Leder so in Form, dass er damit die ganz spezielle Schnapptechnik erreicht. Nach dem Trocknen ist die Scheide dann wieder so hart, dass darin kein Messer mehr verrutscht. Bevor ihm sein erstes Messer gelang, vergingen Monate. Dafür benötigte der Autodidakt etwa 100 Versuche. Sein Lieblingsholz für die Griffe liefert die Masurbirke. Aber genauso schätzt er Buchenholz, das lange im Wasser gelegen hat, Knorren heimischer Birken, Zebraholz aus Afrika, Walnuss oder Tiger-Snake-Wood aus Tasmanien. Sein Lieblingsmesser hat einen schwarzen Griff aus mexikanischem Wüsteneisenholz.

1000 Messer

In den gut 30 Jahren, in denen er sich mit der Materie beschäftigt, hat der gelernte Schreiner etwa 1000 Messer hergestellt. Heute bezieht Baumer seine Klingen aus Deutschland. Ein oberfränkischer Schmied liefert ihm Damastklingen. Es gäbe mittlerweile auch sehr passablen Industrie-Damast, sagt der Experte. Auch Messerstahl verschiedener Qualitäten aus denen der Messermacher Schaft und Klinge selber herausflexen muss, funktionierten gut. Fertig gekaufte Industrieklingen seien zwar nicht individuell, aber ebenfalls sehr gut brauchbar wenn das Verhältnis Kleiner-Geldbeutel-gute-Qualität im Vordergrund stehe.

Mindestens 100 Euro

Bis ein komplettes Messer mit Scheide fertig ist, arbeitet er 12 bis 20 Stunden daran. Manche Messer bestehen aus über 20 Einzelteilen. Wer so ein Meisterwerk haben will, muss mindestens 100 Euro investieren; nach oben ist das Feld, je nach Qualität und Kundenwunsch, weit offen.

Mit diesem Messer machst du alles.Gerwald Baumer
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