Als die Geschädigten später ihre Aussagen auf Polizeirevieren machten, war immer die Rede von einer „gepflegten Erscheinung“. Das konnte man dann auch auf Bildern der Überwachungskameras sehen. Ein gut gekleideter Gentleman also, der ab 2014 zumeist in kleineren Städten auftauchte und dort auf kriminelle Weise das Geld für seinen Lebensunterhalt klaute. Als Staatsanwalt Wolfgang Doblinger die Anklageschrift zum Sammelverfahren vor der Ersten Strafkammer des Amberger Landgerichts verlas, brauchte er fast eine halbe Stunde. Insgesamt 58 Fälle und nur 18 davon ohne finanziellen Erfolg für den 52-Jährigen, den Polizeibeamte aus der im vergangenen Dezember angetretenen U-Haft vorführten.
Die einzelnen Tatorte formten sich in der Gesamtschau zu einer Art Geografie-Führer quer durch die Republik. Man hörte von einem Laden im oberbayerischen Miesbach, dann auch von Geschäften in Treuchtlingen, Bad Sachsa, Braunlage und Giengen an der Brenz. Im Lauf der Zeit führte die über drei Jahre lang andauernde Diebestour auch nach Ostbayern. Und das gleich mehrfach.
In der Oberpfalz war der Ladenkassen-Fledderer offenbar sehr gerne unterwegs. In der Liste des Staatsanwalts tauchten Orte und Städte wie Schmidmühlen, Königstein, Hirschau und Auerbach (Kreis Amberg-Sulzbach) ebenso auf wie Neunburg vorm Wald, Steinberg, Schwarzenfeld und Burglengenfeld (Kreis Schwandorf). Daneben aber auch Stamsried und Rötz im Raum Cham.
Der Dieb spielte, wenn man so wollte, äußerst virtuos auf der Klaviatur technischer Tricks. Er manipulierte Ladentüren und setzte akustische Signalanlagen außer Kraft, die dem sich momentan nicht im unmittelbaren Verkaufsbereich aufhaltenden Personal hätten signalisieren sollen, dass soeben ein Kunde gekommen war. So konnte der 52-Jährige meist ungestört in Registrierkassen greifen. Auch deren mitunter komplizierte Öffnung beherrschte er perfekt.
Wenn die dreisten Straftaten bemerkt wurden, war der aus Schwaben stammende Mann über alle Berge und hatte oft schon den nächsten Tatort im Visier. Knapp 25 000 Euro soll er erbeutet haben. Allerdings: Unterdessen gibt es bei der Amberger Staatsanwaltschaft etliche neue Anzeigen, die womöglich zu einem weiteren Prozess führen.
Eigentlich hätten alle bestohlenen Geschäftsleute als Zeugen nach Amberg anreisen müssen. Doch das war nicht nötig. Die Strafkammer ließ deren vor Polizisten gemachten Angaben verlesen und bekam nach jedem einzelnen Fall die Bestätigung des Angeklagten: „Jawohl, das war so.“ Für dieses umfassende Geständnis kann der Mann nun, wie ihm die Kammervorsitzende Roswitha Stöber zusicherte, mit einer Haftstrafe zwischen viereinhalb und fünf Jahren rechnen. Die zwischenzeitlich neu ruchbar gewordenen Fälle allerdings noch nicht mit eingerechnet.













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