03.05.2018 - 22:04 Uhr

Erstes rentenpaket im Sommer 2018 - Kommission soll helfen: Heil will Rente reformieren

Die Debatte um die Rente von morgen bietet Zündstoff: Die einen wollen das Niveau steigen lassen, andere warnen vor explodierenden Kosten. Den Gordischen Knoten soll nun eine Kommission durchschlagen.

Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) stellt während einer Pressekonferenz die Vorsitzenden der Rentenkommision vor. Mit der Rentenkommission will die Koalition die Weichen für die Altersvorsorge in Deutschland ab 2025 stellen. Foto: Ralf Hirschberger/dpa dpa
Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) stellt während einer Pressekonferenz die Vorsitzenden der Rentenkommision vor. Mit der Rentenkommission will die Koalition die Weichen für die Altersvorsorge in Deutschland ab 2025 stellen. Foto: Ralf Hirschberger/dpa

Berlin. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in der laufenden Wahlperiode grundlegende Weichen für die Zukunft der Rente stellen und noch vor der Sommerpause ein erstes Rentenpaket vorlegen. Vorschläge für die geplante Großreform soll die neue Rentenkommission der Bundesregierung machen, die Heil am Donnerstag in Berlin präsentierte: "Mein Ziel ist es, dass wir einen verlässlichen Generationenvertrag auf die Beine stellen für die kommenden Jahre." Kritik kam von Arbeitgebern und Opposition.

"Mir geht es um eine Politik der neuen Balance", sagt Heil. Geprüft werden müsse, was für das Alterssicherungssystem nötig und was mit Rücksicht auf die Volkswirtschaft möglich sei. Die Politik müsse "Sicherheit im Wandel" auch durch die Digitalisierung schaffen.

Doppelte Haltelinie

In dem ersten Rentenpaket, das Heil noch vor der Sommerpause vorlegen will, soll eine doppelte Haltelinie geregelt werden: Einerseits wollen Union und SPD das Rentenniveau, also das Verhältnis von Rente zu Durchschnittseinkommen, bis 2025 auf dem heutigen Niveau von 48 Prozent halten. Andererseits soll der Beitragssatz von 18,6 Prozent nicht über 20 Prozent steigen. Direkt anpacken wolle er auch Leistungsverbesserungen für Erwerbsminderungsrentner und die erweiterte Mütterrente, kündigte Heil an. Voraussichtlich kommendes Jahr solle eine Grundrente für langjährig Geringverdiener auf den Weg kommen. An der Weichenstellung für die Zeit nach 2025 wolle er, "wo immer es möglich ist", in dieser Legislaturperiode mitwirken, sagte Heil. Basis sollen Vorschläge der Kommission sein, die bis März 2020 vorliegen sollen. Die Rente steht laut Heil vor "sehr großen Herausforderungen": "Die Lebenserwartung steigt, und ab 2025 wird die Generation der Babyboomer ... Stück für Stück in Rente gehen." Aufgabe sei es, Armut im Alter zu vermeiden und Alterssicherung abzusichern.

Der von Heil ebenfalls in die Kommission berufene Münchner Rentenforscher Axel Börsch-Supan hatte zuletzt mit der Feststellung für Aufmerksamkeit gesorgt, dass eine längerfristige Haltelinie unbezahlbar sei. "Auf diese demografische Umwälzung allein mit starren Haltelinien beim Beitragssatz und beim Rentenniveau zu reagieren, würde den Steuerzuschuss für die Rente bis 2035 um 80 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich in die Höhe treiben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Bis 71 arbeiten?

Eine Stellschraube, um die Renten bezahlbar zu halten, ist grundsätzlich auch längeres Arbeiten. Laut einer Studie von Börsch-Supan müsste das Rentenalter bis 2030 auf 69 und bis 2045 auf 71 Jahre steigen, wenn damit die Kosten der Haltelinien ausgeglichen werden sollten, sofern diese unverändert weiterbestehen sollten. Heil äußerte sich mit Rücksicht auf die Arbeit der unabhängigen Kommission nicht direkt auf die Frage, ob ein weiteres Heraufsetzen des Rentenalters für ihn ausgeschlossen ist. Allen Menschen, die arbeiten wollten und könnten, sollte dies möglich sein, meinte er lediglich. Richtig seien flexible Übergänge in die Rente.

"Wir haben keine Denkverbote", sagte die Vorsitzende der Kommission, die ehemalige parlamentarische Arbeits-Staatssekretärin, Gabriele Lösekrug-Möller (SPD). Der Co-Vorsitzende Karl Schiewerling (CDU), ehemals Sozialexperte der Unionsfraktion, betonte, die Kommission wolle die private und betriebliche Absicherung in den Blick nehmen.

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach, selbst Mitglied der Kommission, forderte: "Ein verlässlicher Generationenvertrag muss für alle Generationen eine auskömmliche gesetzliche Rente garantieren. Das geht nur mit einem höheren Rentenniveau." Mit einer höheren Erwerbsbeteiligung und mehr Steuermitteln für die Rente sei das leistbar. Der Linke-Rentenexperte Matthias W. Birkwald kritisierte die Berufung Börsch-Supans und warf dem Wissenschaftler "Pseudoberechnungen" vor. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte: "Die Koalition sollte die Rentenkommission ernst nehmen und jetzt nicht bereits vorab neue milliardenschwere Leistungsausweitungen beschließen, deren langfristige Finanzierbarkeit ungeklärt ist."

Finanzaufsicht sorgt sich um Betriebsrenten

Das Zinstief bedroht nach Einschätzung der deutschen Finanzaufsicht Bafin zunehmend die betriebliche Altersvorsorge. "Ohne zusätzliches Kapital von außen werden einige Pensionskassen nicht mehr ihre vollen Leistungen erbringen können", sagte der oberste Versicherungsaufseher Frank Grund am Donnerstag in Frankfurt. Die Lage sei "noch ernster als vor zwei Jahren" und werde sich bei anhaltend niedrigen Zinsen weiter verschärfen.

Etwa ein Drittel der 137 Pensionskassen in Deutschland habe die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bereits unter verschärfter Beobachtung. "Und wir drängen sie, bei ihren Trägern oder Aktionären rechtzeitig Unterstützung einzufordern", sagte Grund. In der schwierigsten Gruppe befänden sich etwa zehn Prozent der Deckungsrückstellungen der Branche, "da machen wir uns schon erhebliche Sorgen". Die Niedrigzinsphase erschwert es Lebensversicherern und Pensionskassen, die vor Jahren zugesagten, vergleichsweise hohen Zinsen zu erwirtschaften. Im schlimmsten Fall drohen Kunden Leistungskürzungen. Die Kapitalanlagen der Pensionskassen summieren sich nach Bafin-Angaben auf rund 165 Milliarden Euro, deutsche Lebensversicherer verwalten etwa 900 Milliarden Euro. "Alle Verantwortlichen sollten Interesse daran haben, Pensionskassen vor einer Schieflage zu bewahren", betonte Grund. "Nur dann bleibt die betriebliche Altersvorsorge ein stabiler Pfeiler der Alterssicherung in Deutschland."

Zinstief und Digitalisierung stellen auch Banken vor große Herausforderungen. Die Institute müssten sich anpassen - "und zwar schnell und fundamental", mahnte Bankenaufseher Raimund Röseler. Auf die Bremse tritt die Bafin bei den europäischen Bestrebungen für einen grenzübergreifenden Schutz von Spargeldern. Noch laste ein Bestand von 800 Milliarden Euro bis einer Billion Euro Problemkredite auf Europas Bankbilanzen. "Wenn man darüber ein System erzwungener Solidarität stülpt, dann ist das nichts anderes als ein Akt europäischer Umverteilung", betonte Bafin-Präsident Felix Hufeld. (dpa)

 
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