Tatsächlich, Obige waren schon vor zwei Jahren zu Gast bei den "Odeon Concerten", damals wie heute standen das Klavierkonzert b-Moll op. 23 und die Sinfonie Nr. 5 e-Moll op. 64 auf der To-do-Liste. Absicht und Sinn solch wiederholungsfreudiger Programmgestaltung erschlossen sich nicht recht: Zudem läge weitere hörenswerte Musik von Tschaikowsky, Borodin, Mussorgsky oder Rimsky-Korsakoff vor. Am Montag also "gleiche Stelle, gleiche Welle", nur ist das Orchester älter, der Pianist jünger: Der fabelhafte Dmitri Masleev (2016) war 28, das beachtliche Tastentalent Ivan Bessonov (2018) ist 16 Jahre jung.
Russisches Walzer-Roulette
Zu Beginn gibt es erst einmal doch neue Töne: Spivakov stellt die „Grande Valse“ aus „Dornröschen“ op. 66a auf die Gleise. Es braucht etwas, um das synchrone Zusammenspiel in die Spur zu bekommen, mit straff-rustikalem Schritt tanzt man den Walzer eher in den Boden hinein als luftig -leicht über das Parkett zu schweben.
Bekannte Erinnerungen frischen dann die beiden monolithischen Werke auf: Die Musiker fühlen sich in der Klang- und Gefühlswelt von Tschaikowsky bestens zu Hause. Wie mit heiligem Ernst, mit klarem und konzentriertem Dirigat geleitet Spivakov durch die emotional aufgewühlten Wogen der Sinfonie, der Spannung zuliebe verknüpft er die Sätze attacca, wie Nut und Feder. Wieder bewähren sich die souveränen Orchester-Solisten: Die geheimnisvoll gefärbte Klarinette zu Beginn, das milde Horn im 2. Satz gefolgt von der ausdrucksvoll gespielten Oboe. Ein etwas handfest-massiges Fundament liefern die acht Kontrabässe. Vor allem im Finale lassen die hingebungsvoll zupackenden Streicher Emotionen hochkochen, mit zunehmendem Forte legt sich allerdings ein milchiger Schleier über den sonst klaren Orchesterklang. Als Zugaben den Czardas aus „Schwanensee“ und das furiose Intermezzo aus „Lady Macbeth“ von Schostakowitsch.
Achtung, ein Talent!
Das neue Gesicht des Abends ist aber der Bursch am Klavier, der schlaksige Blondschopf Ivan Bessonov, der seine Kindheit und Jugend wohl mehr beim Klavier- denn beim Fussball-Trainer verbracht hat. Es zeugt von seinem herausragenden Talent, wie er technisch souverän und mit sicherem Gedächtnis den hoch anspruchsvollen Klavierpart meistert. Glasklar perlen Läufe und Arpeggien, Oktavgänge rauschen, feurig-frisch und selbstbewusst lässt er Akzente aufleuchten. Erstaunlich reif und frei bringt er kantable Linien zum Singen. Die Dialoge zwischen Klavier und Orchester (ein Lob der delikaten Flöte!) hat man schon mit mehr geschmeidig-müheloser Eleganz, mit mehr kommunikativ-suggestivem Einverständnis gehört: Bessonov ist ganz Musik, wie abgehoben von der Welt, das Orchester nicht immer aufmerksam genug hinsichtlich Klangregie und –balance. Mit Bravos gekrönter Applaus, mit betörend jugendlichem Charme die Zugabe, das Fantaisie-Impromptu cis-Moll op. 66 von Chopin.
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