Es beginnt quasi Tür an Tür auf einem New Yorker Damenklo: In einer Kabine schluchzt Edith Piaf herzzerreißend, aus der anderen kommen tröstende Worte – nicht, wie vermutet, von der Toilettenfrau, sondern von der berühmten Marlene Dietrich. Es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die es tatsächlich gab, über deren Details aber nur wenig bekannt ist. David Große Boymann und Thomas Kahry haben sich dazu das Theaterstück mit Musik "Spatz und Engel" ausgedacht, das im Stadttheater Amberg Tourneepremiere feierte. Die spannenden Episoden sind mit den unsterblichen Welthits der beiden so ungleichen Frauen reich unterfüttert.
Der „blaue Engel" – Marlene Dietrich – stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie, der "Spatz von Paris", Edith Piaf, ist das Kind eines Zirkusakrobaten und einer Straßensängerin. Die eine wächst im Internat in Weimar auf, die andere in einem Bordell in der Normandie. Die eine wechselt ihre Männer wie ihre Garderobe, die andere träumt stets von der großen Liebe. Die eine stirbt mit 91 in ihrer Bettengruft, die andere wird nur 47.
Vom Aufstieg Edith Piafs bis zu ihrem Tod
Stoff für Klatsch und Tratsch, für Lobeshymnen und Kritiksalven haben beide geliefert. Das Stück beleuchtet die Piaf, den kleinen Spatz: den Aufstieg, die Liebessehnsucht, die Schicksalsschläge, die Drogensucht, die wohl auch zum frühen Tod führte. Die kleine, eher unscheinbare, zerbrechliche Frau ist ganz groß in allem, was sie tut. Ihre Stimme ist gigantisch, ihre Gefühle brodeln, ihr Leben ein Vulkan. Sie will alles und gibt alles. An ihrer Seite agiert die stets beherrschte, unterkühlte, strahlend schöne Marlene Dietrich, alias „der blaue Engel“. Wie „Frau Feldmarschall“ kümmert sie sich um die 14 Jahre jüngere Edith, ebnet ihr den Weg in Amerika, pflegt sie und sorgt sich um die Freundin. Dabei zeigt die sonst so reservierte Frau sogar Gefühle. Ob es eher Liebe als Freundschaft war? Auf der Bühne jedenfalls versinken die beiden in den Laken ...
Heleen Joor und Susanne Rader glänzen als Edith Piaf und Marlene Dietrich
Eine fantastische Rolle für Heleen Joor, die als Spatz von einer Liebe zur nächsten flattert und mit Morphium, Alkohol und zu viel Arbeit Körper, Geist und Seele quält. Ihr Leben verzehrt sich wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt. Ihr Bühnenauftritt im schwarzen Kleidchen ist leise, ihre Lieder allerdings treffen ins Herz. "Mylord", "Non, je ne regrette rien" oder "La vie en rose" bleiben unvergessen. Pelze, Perlen, pompöse Roben peppen den unnahbaren Engel zur Stilikone. Susanne Rader schlüpft in die Haut von Marlene Dietrich. Nicht ganz einfach, der unterkühlten Schönheit auch glaubhaft warme Gefühle zu entlocken. Sie schafft es bravourös. Ihr "Sag mir, wo die Blumen sind" gehört zu den Gänsehautmomenten des Abends.
Der "Oscar für Nebenrollen" geht an Arzu Ermen und Steffen Wilhelm. Mit einfachsten Requisiten skizzieren sie immer neue Szenen, Orte und Personen wie: Künstler-Garderoben 1960, in denen sich in Baden-Baden die Dietrich und in Straßburg die Piaf zornig an die gemeinsame Zeit in New York erinnern, aber auch Rummelplatz oder Hotelsuite. Alte Fotografien werden an die Rückwand projiziert. Sie zeigen die nonchalante, überirdisch schöne Marlene Dietrich und die koboldhafte Edith in Originalszenen aus der gemeinsamen Zeit.
Daniel Große Boymann inszeniert mit Fingerspitzengefühl
Glamourmode für die eine und schlichte Schnitte für die andere schneiderte Ulla Röhrs den beiden auf den Leib. Regisseur Daniel Große Boymann inszenierte die Zeitreise mit Fingerspitzengefühl ins gelungene Bühnenbild von Tom Grasshof. Im Bühnenhintergrund lieferten Cordula Hacke (Klavier) und Vassily Dück (Akkordeon) den typischen Sound. Richtig langer Beifall, respektvoll für die Künstlerinnen von damals und von heute.


















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