Amberg
11.03.2020 - 16:05 Uhr

Herbert Schuch im Amberger Stadttheater: Der Beethoven-Flüsterer

Siebte und vorletzte Runde des Beethoven-Zyklus mit Herbert Schuch im Stadttheater: Neben den 2-sätzigen Sonaten opp. 49/1-2 und 90 war die „Große Sonate für das Hammerklavier“ B-Dur op. 106 angesagt.

Herbert Schuch beherrscht Klavierkunst auf höchstem Niveau. Bewundernswert die Pianissimo-Kultur, die überlegene Klangregie, die Führung, Färbung, Beleuchtung, Abschattierung der Stimmen. Bild: Wolfgang Steinbacher
Herbert Schuch beherrscht Klavierkunst auf höchstem Niveau. Bewundernswert die Pianissimo-Kultur, die überlegene Klangregie, die Führung, Färbung, Beleuchtung, Abschattierung der Stimmen.

Die erstgenannten Werke sind schon 1795 entstanden, ihre pädagogische Zielsetzung für aristokratische Liebhaber legt die technische und musikalische Messlatte niedriger - auch Beethoven musste ab und an "um brodeswillen" schreiben. Wie Bachs Inventionen können sie dem angehenden Spieler "einen starcken Vorgeschmack von der Composition" vermitteln.

Eindeutig sprechen sie Beethovens persönlichen "Dialekt" und zeigen bemerkenswerte Lösungen der Fragestellung "Sonate": Im g-Moll-Werk ein untypisches Andante als Sonatensatz, dann ein 6/8-Satz, der das fehlende Menuett zu ersetzen strebt. Schuch empfindet dieses Suchen nach, hebt die fragenden, nachdenklichen, lyrischen Momente hervor.

Kultivierte Konversation

In der G-Dur Sonate ein schneller Kopfsatz, ein Menuett als Finale, aber nicht in ABA-Gestalt, sondern als Rondo. Bei beiden trifft der Pianist den adäquaten Ton: Schlicht, beredt, aber nicht mit vermeintlichem Tiefsinn und Pathos auf- oder gar überladen. Im ebenfalls lyrisch inspirierten Opus 90 (1814) geht es schon eher um Kontraste, nicht aber um existenzielle Konflikt-Dramatik. Kultivierte Konversation statt kühnem Kampf, im zweiten Satz ahnt man Schubert'sche Lied-Nähe.

Wie ein virtuelles Orchester

Nach der Pause wird Beethovens "Opus Summum" aufs Tablet geladen. Irreführend ihr Beiname "Hammerklavier-Sonate": All diese 32 Werke des Autors sind für Hammerklavier konzipiert. In seiner Jugend faszinierten ihn die Flügel des Augsburger Klavierbauers Stein, später in Wien die von Streicher, Walter, Broadwood (England) und Graf. Verhaltener im Ton sind sie an Registern und Farben reicher als die modernen Flügel, die einen homogenen, tragenden, singenden Ton produzieren. Bisweilen ändern sich so Charakter und Ausdruck: Die zahlreichen Triller murmeln (Tiefe) oder klingeln (Diskant) auf dem Steinway, wo sie wie Sekt perlen und sprudeln. Schuch versteht jedoch die Kunst, dieses Werk wie für ein virtuelles Orchester zu instrumentieren.

Nicht erschlossen hat sich im langsamen Satz ab Takt 27, warum er die von Beethoven bewusst als 16tel plus 16tel-Pause notierten Akkorde (Imitation des Zupfens) durchklingen lässt. Beethoven hat in Opus 106 Metronomangaben notiert, die allerdings weit über der Realisierbarkeit liegen. Die klanglichen Resultate von Diskutanten wie Talsma, Wehmeyer, Wim Winters, die halbe Tempi propagieren und so alle Sätze langsam erscheinen lassen, können nicht so recht überzeugen. Herbert Schuch löst die Tempoproblematik in rundum überzeugender Weise. Seine musikalisch souveräne, technisch frappierende Leistung verdient höchste Bewunderung - die äußerst vertrackte 3-stimmige Schlussfuge glückt als Meisterstück allerersten Ranges.

Da spricht man gerne mit Berlioz, der 1836 Liszt diese Sonate spielen hörte: "Jetzt habe ich Beethoven verstanden." Wir verstehen 2020 auch ihre weitreichenden Folgen für die Musikgeschichte, für die Motivarbeit von Bruckner und Brahms, die nochmals gesteigerte Fugenkunst von Max Reger (auch er geht an die Grenzen der Tonalität). Ehrfürchtiger wie begeisterter Applaus (wegen Corona-Sorgen von reduziertem Publikum) nach 48 Minuten Opus 106 (Liszt brauchte deren über 60). Das Finale am Sonntag, 26. April - gleiche Welle, gleiche Stelle.

 
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